In seiner Zeit als Direktor der Bislett Games von Oslo in den achtziger Jahren soll Svein Arne Hansen Doping vertuscht haben. ©EA - European Athletics
Kritik an Svein Arne Hansen – Zu viele Dummheiten – Michael Reinsch, Berlin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Svein Arne Hansen, der Präsident des Europäischen Leichtathletik-Verbandes, soll in seiner Zeit als Direktor der Bislett Games von Oslo in den achtziger Jahren Doping vertuscht haben.
Das werfen ihm der einstige Hochspringer Patrik Sjöberg und die norwegische Langlauf-Legende Ingrid Kristiansen sowie weitere Zeugen vor. „Es ist lächerlich.
Jetzt schlüpft er in den Mantel des Saubermanns und will das Ansehen des Sports verbessern“, schimpfte der 51 Jahre alte Schwede Sjöberg im schwedischen Rundfunk über Hansen und dessen Initiative, nahezu alle Weltrekorde der Leichtathletik zu streichen. Die schwedische Zeitung „Expressen“ zitiert ihn mit dem Vorwurf: „Wir wurden für Doping-Tests bezahlt, denn er wusste, dass wir ungedopt waren.“
Ingrid Kristiansen, die auf den Strecken von 5000 Meter bis zum Marathon sechs Weltrekorde aufstellte, Weltmeisterin über 10.000 Meter sowie Siegerin der Marathonläufe von Boston, New York und London war, will ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Sie und ihre Trainingsgruppe sei in den Achtzigern deshalb ständig getestet worden, weil sie sauber gewesen sei; verdächtige Athleten seien nicht kontrolliert worden.
„Es ist ziemlich unglaublich, dass Hansen Präsident des europäischen Verbandes ist“, zitiert das Internetportal nettavisen.no sie. Sjöberg wehrt sich dagegen, dass seine Bestleistung von 2,42 Meter, die 1987 Weltrekord war, ihre Anerkennung als Europarekord verliert.
Die norwegische Zeitung „Verdens Gang“ zitiert zwei Zeugen, die behaupten, Hansen habe damit geprahlt, selbst eine Urinprobe anstelle eines Athleten gegeben zu haben. Anne-Lise Hammer, einst Pressesprecherin der Bislett Games, wiederholte demnach den Vorwurf, den sie bereits 1988 in ihrem Buch „Doping-Express“ erhob. Seinerzeit hatte Hansen Klage gegen die Behauptung angekündigt.
Nun räumte er gegenüber dieser Zeitung ein, dass er in den achtziger Jahren tatsächlich behauptet habe, er habe anstelle eines Athleten eine Probe abgegeben. „Das stimmt aber nicht. Ich habe nie eine Doping-Probe abgegeben oder verhindert“, sagt er. „Das zu behaupten war eine Riesendummheit.“
Über die Behauptung Hansens hatte auch im Dezember 2013 der niederländische Trainer Henk Kraaijenhof in seinem Blog geschrieben. „Svein Arne Hansen (…,) jetzt ein fanatischer Anti-Doping-Kreuzzügler, prahlte einmal in kleiner Runde, dass er unbedingt wollte, dass ein Athlet an seinem Meeting teilnimmt, aber dass dieser Athlet eine Bedingung stellte: kein Doping-Test“, lässt sich bis heute auf Kraaijenhofs Website lesen. „Herr Hansen erzählte uns stolz, dass er einen Weg gefunden habe, die Testflasche selbst zu füllen. Keine Sorge, ich habe Datum, Ort und Zeugen.“
Hansen behauptete am Telefon, Sjöberg habe seine Vorwürfe zurückgenommen. Gegen deren Weiterverbreitung werde er klagen. Der 71 Jahre alte ehemalige Briefmarkenhändler aus Oslo war von 1985 bis 2009 verantwortlich für die Bislett Games. In diese Zeit fallen 13 der 34 Weltrekorde, welche das Image der traditionsreichen Veranstaltung stark prägen. Seit zwei Jahren ist er Präsident des Europäischen Verbandes und vertritt diesen auch im Council des Weltverbandes IAAF. IAAF-Präsident Sebastian Coe lief 1979 und 1981 Weltrekorde über 800 und 1000 Meter in Oslo.
Hansen verweist darauf, dass sein Landsmann Rune Andersen seinerzeit für die Doping-Kontrollen verantwortlich gewesen sei und er deshalb niemals erfahren habe, wer kontrolliert werden solle.
Andersen leitet heute die Task Force, die über die Zulassung des russischen Leichtathletik-Verbandes entscheidet, der wegen systematischen Dopings von internationalen Wettbewerben ausgeschlossen ist.
„Mir ist wichtig zu betonen, dass ich von 1985 an Chef der Bislett Games und damals für sie verantwortlich war, nicht für die Leichtathletik der Welt“, schrieb Hansen an die Zeitung „VG“.
„Mein Job war, die Bislett Games so attraktiv wie möglich zu machen. Heute, mehr als dreißig Jahre später, habe ich eine andere Aufgabe.“
Michael Reinsch, Berlin in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Dienstag, dem 9. Mai 2017