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Altar in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche - Foto: Horst Milde

Ökumenisches MARATHONGEBET zum 50. BMW BERLIN-MARATHON 2024 – „laufen.atmen.vertrauen“ – Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche am Sonnabend 28.9.2024

By GRR 0

Am Sonnabend, dem 27. September 1985 fand das erste Ökumenische Abendgebet mit etwa 300 Besuchern in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche am Breitscheidplatz in Berlin-Charlottenburg statt. Die Mitwirkenden waren Pfarrer Knut Soppa+ (Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche), Pfarrer Klaus Schimpf (ev.), Pfarrer Michael Töpel (r.-kath.), Paul Abram British Military Chaplain (angl.) und Organist Hanns-Martin Lehning. Die Kollekte war bestimmt für die Erdbebenopfer in Mexiko.

Seit der Premiere von 1985 ist es eine schöne und eindrucksvolle Tradition des Berlin-Marathon jeweils am Vortag des Marathon in der Kirche, die bis 2002 auch praktisch unweit des Zielstriches des Laufes am Kurfürstendamm lag, diesen gemeinsamen Gottesdienst abzuhalten. Zu großer Popularität trugen auch die  Predigten von Pfarrer Klaus Feierabend+ bei – der selber aktiver Marathonläufer war und die Jubilee-Startnummer 210 des Berlin-Marathon trug.  Er nahm 21-mal erfolgreich am Berlin-Marathon teil.

Seine Predigten rissen die Besucher oft zu Beifallsstürmen hin und motivierten durch seine warmherzigen und verständnisvollen „läuferischen“ Worte, die Kraft für nächsten Tag auf der „blauen Linie“ gaben. Klaus Feierabend war Pfarrer im Ruhestand, das Marathonlaufen musste er leider wegen Verletzungen beenden – aber im Geiste und im Worte ist läuferisch immer noch dabei. Die große Laufgemeinschaft dankt ihm, Pfarrer Knut Soppa als „Hausherrn“,  Pater Josef Schulte und der Gemeinde der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche für die jahrzehntelange Freundschaft  und Kooperation.

Nach dem Tod von Klaus Feierabend übernahmen Lars Charbonnier und Peter Burkowski die Predigten des Ökumenischen Marathongebetes mit einem neuen Konzept, der Einbeziehung von Mitwirkenden aus dem Laufbereich wie Philipp Pflieger, Irina Mikitenko, Heinz Frei (Schweiz), Ute Szameitat (Läuferin und Walkerin), Jutta von Haase (Erste Siegerin des Berlin-Marathon 1974) und Horst Milde als Gründer des Berlin-Marathon.

Zum 50. BMW BERLIN-MARATHON 2024 heisst das Leitwort: „laufen.atmen.vertrauen“ – 

Die weltberühmte Kirche lag  jahrzehntelang kurz hinter dem Ziel, auf dem Kurfürstendamm, bevor der Marathon zum Brandenburger Tor umzog.

Zum 50. Mal Berlin-Marathon und zum 38. Mal ökumenisches Marathon-Gebet direkt an der Strecke: Die blaue Linie und das blaues Licht laufen zusammen in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche. Wieder werden Menschen aus 161 Nationen an den Start gehen und den Marathon zu einem Zeichen des Friedens machen.

Das unterstützen wir!

Mit Gott und Läuferinnen und Läufern feiern wir Gottesdienst. Vor dem Start – und mitten im Leben. Wir kommen zur Ruhe, singen und beten, spüren Gemeinschaft und nehmen die Freude – mit an den Start.

Wir laden Sie herzlich ein zur Unterbrechung vor dem Start

laufen.atmen.vertrauen, dieser Dreiklang wird uns leiten. Läuferinnen und Läufer spüren ihre Atmung. Sie wissen um die Wirkung des Laufens: Wenn das Tempo stimmt, finden Körper, Geist und Seele zu einem guten Rhythmus. Es ist nachgewiesen, dass laufende Menschen sich häufig entspannter und kreativer fühlen. Gerade bei langen Läufen entsteht ein Freiraum für neue Gedanken und bisher ungeahnte Problemlösungen.

Und trotzdem braucht jeder Marathonlauf noch mehr als das: Das Vertrauen, dass ich das Ziel erreichen werde; das Vertrauen, dass ich die große Herausforderung der 42 km mit meiner Vorbereitung schaffe, obwohl ich es mir nicht wirklich vorstellen kann…

Vertrauen ist ein ganz treffendes Wort für den Glauben. Wer mit Gottvertrauen im „Lauf des Lebens“ unterwegs ist, kennt ebenso Höhen und Tiefen, anstrengende und schwere Strecken und auch den leichten Lauf durch eine gute Zeit. Gottvertrauen umfasst Körper, Geist und Seele – es meint den ganzen Menschen.

Wir freuen uns, wieder mit vielen Läuferinnen und Läufern Gottesdienst zu feiern und miteinander zu beten für Frieden und Vertrauen ins Leben. Wir kommen zur Ruhe, singen, spüren Gemeinschaft und nehmen die Freude und den Segen mit an den Start.

Sei herzlich eingeladen!

Den Gottesdienst werden gemeinsam gestalten:

Dr. Sarah-Magdalena Kingreen, Pfarrerin Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche Berlin,
Horst Milde, Gründer des BERLIN-MARATHON,
Jutta von Haase, Siegerin bei der Premiere des 1. Berliner Volksmarathons 1974,
Ute Szameitat, Volunteer beim BERLIN-MARATHON, Läuferin und Walkerin,
Dr. Helmut Jansen, kath. Theologe – Supervisor – Triathlet, http://www.lauf-rat.de ,
Dr. Lars Charbonnier, ev. Pfarrer und Läufer,
Peter Burkowski, ev. Pfarrer i.R. und Läufer.

„Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. In the name of the Father, the Son and the Holy Spirit.

Der Herr sei mit Euch! May the Lord be with you! 

Herzlich Willkommen in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche! Welcome to the Kaiser Wilhelm Memorial Church!

Die Stadt flirrt. Und wir halten am Vortag des großen Marathon-Tages gemeinsam inne, feiern Gottesdienst – ein Herzliches Willkommen allen Starterinnen und Startern beim Marathon morgen,

Herzlich Willkommen Ihnen, den Organisatorinnen und Organisatoren, herzlich Willkommen Ihnen, die Sie Mitfiebern und Anfeuern.

Es ist ein Fest-Gottesdienst heute: 50 Jahre Berlin-Marathon!

Hätten Sie das 1974 gedacht, dass wir hier heute zusammenkommen, um Gottesdienst anlässlich des Marathons zu feiern?

Und so freue ich mich sehr und heiße ganz herzlich Willkommen: Marathon-Urgesteine unter uns. Finisher aus vielen verschiedenen Läufen durch die Jahre hindurch. Und auch Starter:innen, die kaum einen Lauf ausgelassen haben. Ganz besonders begrüße ich die Finisher des 1. Marathons 1974. Stellvertretend heiße ich Sie, Frau von Haase heute herzlich Willkommen, Siegerin jenes ersten Marathons damals, und sie, Horst Milde, Gründer des Berlin-Marathons! Schön, dass Sie heute hier sind!

Und: Herzlich Willkommen und ein großes Dankeschön Ihnen, die Sie diesen Gottesdienst vorbereitet haben und mit uns feiern. Allesamt passionierte Marathon-Läuferinnen und Läufer, einige morgen selbst mit am Start:

Laufen setzt in Bewegung. Laufen erdet. Beim Laufen, beim Sich-Hingeben in das gleichmäßige Bewegen durch die Sphären eröffnen sich ganz neue, ungeahnte Räume; Vertrauens-Räume; Ermöglichungs-Räume.

Running sets you in motion. Running grounds you. When you run, completely new, unexpected spaces open up; spaces of trust; spaces of empowerment.

So lasst uns nun still werden, uns vom Blau dieser Kirche umfangen, Kraft sammeln, gemeinsam Beten – für den Frieden in der Welt und mit uns selbst – und Gott loben.

Dr. Sarah-Magdalena Kingreen, Pfarrerin Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche Berlin

Lied: z.B. Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren (EG 316, 1. Strophe deutsch, 2. englisch, 3. franz.)

Psalm-Meditation zu Psalm 121 

Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, woher kommt mir Hilfe?

Ja, woher kommt mir Hilfe. Das fragen wir uns immer wieder einmal im Leben. Wenn es schwer wird. Wenn die Belastungen zu groß sind. Wenn die Nachricht mich aus der Bahn wirft. Wenn die Nacht nicht enden will. Wenn mir der Atem stockt und die Beine schwer werden.

Meine Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.

Trotzdem wage ich es und mache mich auf den Weg. Ich mache den ersten Schritt. Ich vertraue in das Leben. So oft schon hat mich das Vertrauen getragen, obwohl ich nicht genau wusste, was kommen wird.

Trotzdem wage ich es. Im Leben ist es wie beim Laufen: mein Atem und mein ganzer Körper trägt mich. Mein Vertrauen in den Schöpfer des Lebens gibt den Takt und die Kraft.

Lied: Wir strecken uns nach Dir – Str. 1

Wir strecken uns nach dir, in dir wohnt die Lebendigkeit. Wir trauen uns zu dir, in dir wohnt die Barmherzigkeit. Du bist wie du bist: Schön sind deine Namen. Halleluja. Amen. Halleluja. Amen.

Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen und der dich behütet, schläft nicht. Der Herr behüte dich; der Herr ist der Schatten über deiner rechten Hand, dass dich die Sonne nicht steche noch der Monde des Nachts.

Er schläft nicht. Wenn ich nicht schlafen kann, ist er auch wach. Wenn ich falle, stürze ich nicht ins Bodenlose. Wenn ich mich verirre, ist Gott mein Schatten. Wenn es mal nicht läuft, komme ich trotzdem zum Ziel.

Im Lauf des Lebens und beim Lauf morgen vertrauen wir. Wir sind nicht allein. Wir werden unterstützt. Das haben wir viele Male erfahren. Es geht weiter. Wir laufen und kommen an.

Lied: Wir strecken uns nach Dir – Str. 2

Wir öffnen uns vor dir, in dir wohnt die Wahrhaftigkeit. Wir freuen uns an dir, in dir wohnt die Gerechtigkeit. Du bist wie du bist. Schön sind deine Namen. Halleluja. Amen. Halleluja. Amen.

Der Herr behüte dich vor allem Übel; er behüte deine Seele.

Trotzdem. Marathon und Leben. Die Aufgabe ist groß. Es läuft. Auch durch Krisen; gegen Hass und Gewalt; gemeinsam mit so vielen Menschen aus aller Welt.

Es läuft, weil wir vertrauen: auf den Atem und die Kraft, in gemeinsame Wege und die Liebe.

Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit.

Amen.

Lied: Wir strecken uns nach Dir Str. 3

Wir halten uns bei dir, in dir wohnt die Beständigkeit. Wir sehnen uns nach dir, in dir wohnt die Vollkommenheit. Du bist wie du bist. Schön sind deine Namen. Halleluja. Amen. Halleluja. Amen.

Schriftlesung: Gal 3,26-29: Ihr seid alle Gottes Kinder

Lied: Lobe den Herrn, meine Seele

Laufen.atmen.vertrauen

Gesprächsrunde 1: Jutta von Haase mit Ute Szameitat: damals – heute – dazwischen: 50 Jahre nach dem Marathon-Sieg

Gesprächsrunde 2: Horst Milde mit Helmut Jansen: bewegen.atmen.vertrauen: Was ist Dein Vertrauen? Vertrauen ist eine Entscheidung – wofür?

Gesprächsrunde 3: Lars Charbonnier und Peter Burkowski: Vertrauen in das Leben – in den langen Atem, in das Gelingen, in einen Weg, der sich zeigen wird….

Lied: EG 432, 1-3 Gott gab uns Atem damit wir leben

Dank- und Fürbittengebet 

Lasst uns miteinander beten. Wir halten inne vor dem Marathon und beten für den Marathon. Nach jeder Strophe singen wir gemeinsam „Meine Hoffnung und meine Freude“

Gott, unser Schöpfer, du Quelle des Lebens,
du Ursprung von Kraft und Zuversicht –
morgen gehen wir an den Start. Viele von uns haben schon lange darauf hingelebt; wir haben uns vorbereitet und auf diesen Tag konzentriert. Heute bitten wir dich um deinen Segen für morgen.

Kehrvers: Meine Hoffnung und meine Freude…

„Gott, unser Schöpfer, du Quelle des Lebens“.

Uns alle verbindet die Freude an der Ausdauer,
das Erleben der Energie, die du uns schenkst,
der Ausdauer, in der Geist und Körper eins werden.

Wie gut, dass wir das wieder miteinander erleben können.
Wir leben durch den Atem, der uns erfüllt und trägt.
Wir spüren das Glück, wenn es einfach läuft,
und der Kopf frei ist.
Aber wir kennen auch das Gefühl der Überwindung unserer Grenzen, wenn es weitergeht und wenn andere Menschen uns weitertragen. Dafür danken wir Dir.

Kehrvers: Meine Hoffnung und meine Freude…

„Gott, Du Quelle des Lebens“.

Lass den morgigen Tag, den 50. Berlin-Marathon zu einem Festtag werden und schenke allen ein gutes Gefühl für das eigene Maß und die eigenen Grenzen.
Gib, dass viele unter uns die Ziele erreichen, die sie sich gesteckt haben;
und hilf, dass wir uns dabei auf der Strecke gegenseitig bestärken.
Lass auch bei denen die Freude und Dankbarkeit überwiegen, die ihre Ziele diesmal nicht ganz erreichen.

Eines haben wir erfahren: unser Leben ist mehr als der Sport und die Leistung, die wir uns abverlangen. Aber wie gut, dass wir wissen und spüren, wie heilsam es für uns ist, wenn wir uns bewegen und immer wieder fordern.
Wir singen gemeinsam:

Kehrvers: Meine Hoffnung und meine Freude…

„Gott, Du Quelle des Lebens“.

Wir danken dir für 50 Jahre Berlin-Marathon: für Bewegung und internationale Begegnung, für ein friedliches Miteinander und unglaubliche Freude.

Wir danken für alle, die diese Veranstaltung ermöglichen:
Die Verantwortlichen und Organisatoren, die so sehr darum gerungen und dafür gearbeitet haben;
die Helferinnen und Helfer an der Strecke;
die Ärztinnen und Ärzte, Sanitäterinnen und Sanitäter
in ihrem Einsatz für unsere Gesundheit;
die Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Verkehrsbetrieben und Stadtreinigung;
alle, die mit ihren Trommeln und Musikinstrumenten für Stimmung sorgen.
Wir danken für die Begeisterung der Zuschauerinnen und Zuschauer an der Strecke, ihre Anfeuerungsrufe, ihre Freude und ihr Mitgefühl.
Wir danken für die Geduld und Unterstützung der Angehörigen,
und bitten, dass es auch für sie alle wieder ein großer Tag werden möge.

Kehrvers: Meine Hoffnung und meine Freude…

Amen

Die beiden marathonlaufenden Pfarrer Peter Burkowski (i.R. lks.) und Dr. Lars Charbonnier – Foto: Horst Milde

Ökumenisches Marathon-Gebet –  laufen.atmen.vertrauen

P. Burkowski: Liebe Marathon-Gemeinde, 50 Jahre Berlin-Marathon: das ist auch 50 mal Aufregung, Ungewissheit, große Anspannung – 50 mal durch Krisen und Zweifel, ob es gelingen kann.

Laufen-atmen-vertrauen. Der Vorbereitung, der Atmung und dem Körper kann man vertrauen. 50 mal gestartet und 50 mal angekommen – die meisten jedenfalls.

L. Charbonnier: Entschuldige bitte, aber das hört sich an wie eine Rede zu einem 50. Geburtstag. Reden wir jetzt hier im blauen Licht diese Kirche über ein großartiges Sportereignis oder über das Leben und den Glauben? Reden wir über Training und einen Wettkampf über 42 km? Oder reden wir über ein Menschenleben mit Zweifeln, mit Entscheidungen, mit Krisen und Sackgassen, mit der großen Liebe und dem Gefühl, alles schaffen zu können?

P. Burkowski: Über beides, glaube ich. Heute kommen ja auch bereits zum 38. Mal Sportlerinnen und Sportler, ihre Freunde und Begleitungen zum Berlin-Marathon in dieser Kirche zusammen. Das hat doch einen tieferen Grund:

Wer mit Gottvertrauen im „Lauf des Lebens“ unterwegs ist, kennt die Höhen und Tiefen, anstrengende und schwere Abschnitte – und ebenso den leichten Lauf durch die Lebenszeiten.

Ja, ich sehe starke Parallelen zwischen Laufen und einem Lebensweg im Vertrauen auf Gott. Das ist meine Lebenskraft – so wie die Luft zum Atmen.

L. Charbonnier: Das kenne ich gut. Aber ich kenne auch die andere Seite: Manchmal ist dieses Vertrauen einfach weg. Dann läuft nichts mehr rund. Das Leben gelingt nicht nur immer. Da sind Schicksalsschläge. Eigene Fehler und Schuld. Dann ist der Schweinehund stärker als ich, der mir einflüstert, dass es doch alles keinen Sinn hat. Und gerade in diesen Monaten könnte ich auch verzweifeln, wenn ich in die Welt schaue.

P. Burkowski: Ja, so geht es mir auch. Wir haben noch immer nicht gelernt, dass diese Welt ein Geschenk ist und kein Rohstofflager. Wir leben auf Kosten unserer Kinder und Enkel, obwohl wir wissen, was wir tun sollten. Die Kriege und der Hass nehmen zu und wir wissen zugleich, dass Kriege noch nie ein Problem zwischen Völkern gelöst haben und dass auf diese Weise kein gutes Leben in Frieden möglich wird.

L. Charbonnier: Und manchmal sind es auch die Dinge, die ganz nahe liegen. Der Unfall, der mich aus der Bahn wirft. Die Krankheit der guten Freundin. Der Konflikt im Beruf, der sich weiter zuspitzt. Der plötzliche Tod des Freundes. Manchmal bleibt mir einfach die Luft weg. Dann sind da einfach große Zweifel an dem tieferen Grund, an der Lebenskraft. Im Leben wie beim Laufen. Und was dann?

P. Burkowski: Mir gefallen diese Parallelen zwischen Glaubenswelt und der Ausdauerwelt ausgesprochen gut, wie Du weißt.

Also, was dann? Was machen wir, wenn es nicht mehr weitergeht und die Kraft fehlt?

Mir fallen drei Möglichkeiten ein.

Zuerst: Innehalten, Unterbrechen, Pause machen.

Nicht einfach weiter rennen, sondern fragen, wo es wieder Kraft und neuen Atem gibt. Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, woher kommt mir Hilfe? Still werden vor Gott, beten, hören, den Atem wieder spüren…

L. Charbonnier: Ja, gut, das kenne ich auch vom Laufen. Pause machen. Vielleicht einige Tage Rad fahren oder einfach aussetzen. Morgen vielleicht mal ein Stück gehen… Ok, aber jetzt bin ich gespannt auf die zwei anderen Möglichkeiten…

P. Burkowski: Meine zweite Möglichkeit wäre: die Gemeinschaft suchen und von anderen Menschen Kraft bekommen.

Dann sehe ich wieder eine Hoffnung durch die Hoffnungen der anderen. Dann bekomme ich wieder Lebensmut durch die Ermutigung der Mitmenschen.

Genauso mache ich es beim Laufen; beim Lauftreff mitzulaufen ist leichter als allein aufzubrechen. Morgen werden wir von vielen Menschen am Rand der Strecke unterstützt. Das tut unglaublich gut. Dabei denke ich auch an Kinzang Lhamo aus Bhutan. Sie war die Letzte beim olympischen Frauen-Marathon in Paris. Aber das war für mich ein Highlight der Spiele. Sie wurde von den Zuschauerinnen begleitet und einige sind sogar mitgelaufen. Das hilft doch ungemein.

L. Charbonnier: Dazu passt auch der schöne Text, den wir eben gehört haben: Ihr alle seid Gottes Kinder! Keine Unterschiede von Hautfarbe, Geschlecht, Religion, Herkunft, Leistung. Ihr seid alle geliebte Kinder. Ausgestattet mit Güte und Vernunft und Lachen und der Sehnsucht nach einem guten Zusammenleben.

P. Burkowski: Genau. Das werden wir morgen wieder erfahren. Menschen aus 161 Nationen werden gemeinsam durch diese Stadt laufen (das sind mehr als bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen). Sie sind friedlich, voller Leben und Freude unterwegs. Manchmal kommt man sogar miteinander ins Gespräch (jedenfalls in der ersten Hälfte). Das ist für mich ein Zeichen für die Gemeinschaft auf dieser Welt, in der die vielen verschiedenen und geliebten Kinder miteinander in Bewegung sind.

L. Charbonnier: Bevor Du hier zu euphorisch wirst. Was ist denn die dritte Möglichkeit, wenn es nicht weitergeht? Getreu nach Till Raether: Habe ich noch Hoffnung oder muss ich mir welche machen?

P. Burkowski: Die dritte Möglichkeit ist das Wort „Trotzdem“ oder die Worte „jetzt erst recht“. Gottvertrauen ist ein Vertrauen gegen all das, was ich sehe. Gottvertrauen verlässt sich darauf, dass es Menschen gibt, die es gut meinen, die wissen, dass die Welt nicht sich selbst überlassen ist. Gottvertrauen ist kein Optimismus, sondern die tiefe Hoffnung, dass der Tod und der Hass nicht das letzte Wort haben, sondern dass die Gemeinschaft und die Liebe stärker sind!

L. Charbonnier: Bei Deinem letzten Gedanken komme ich mit der Parallelität nicht mehr ganz mit. Was ich beim Laufen nicht trainiert habe, kann ich auch mit noch so großer Anstrengung nicht hervorbringen. Aber manchmal ist es so, dass es noch geht, obwohl ich schon dachte, dass die Reserven leer sind und die Beine nicht mehr wollen.

Wie ist das denn bei Ihnen und Euch? Kennt Ihr die Parallelen oder eher die Unterschiede? Sprecht doch mal drüber, welche Erfahrungen habt Ihr? Ein paar Minuten nur, mit der Nachbarin/dem Nachbarn. And what about You? Do You see parallels between Running and Believing? Please lean over to Your neighbour and talk about what You think about this! A few Minutes only!

P. Burkowski: Also Lars: Wie sieht es denn morgen so aus? Bist Du bereit?

L. Charbonnier: Ja, ich freue mich, morgen dabei zu sein. 50. Berlin-Marathon. Ein historisches Ereignis! 50.000 Menschen laufen friedlich durch diese Stadt. Das werden tolle Bilder. Laufen – atmen – vertrauen.

Also. Wir wünschen Euch allen einen friedlichen Lauf.

P. Burkowski: Und wenn die Grenzen spürbar werden – in den Beinen oder im Kopf, dann wünschen wir Euch Ermutigungen, Anfeuerungen, viele Trommeln und lange Wasserstellen. Vielleicht geht es ja „trotzdem“…

L. Charbonnier: Aber denkt immer an das richtige Maß, vertraut auf die Vorbereitung und auf diejenigen, die mit euch unterwegs sind.

P. Burkowski: Lauft mit dem Vertrauen, dass es gut wird, und kommt gesund und zufrieden ins Ziel … mit einem Lächeln auf eurem Gesicht.

Amen.

Die Mitwirkenden: (v.lks.) Dr. Lars Charbonnier, Peter Burkowski, Jutta von Haase, Horst Milde, Ute Szameitat, Dr. Helmut Jansen und Dr. Sarah-Magdalena Kingreen

Beim 50. Berlin-Marathon 2024 aktiv dabei: Pfarrer Dr. Lars Charbonnier (v.lks) und Pfarrer i.R. Peter Burkowski unter den Yorckbrücken – Foto: Jonas Burkowski

Horst Milde

YouTube-Video von Prof. Helmut Winter mit Horst Milde über die Historie des BERLIN-MARATHON (1974) und des Crosslaufes am Teufelsberg (1964): https://www.youtube.com/watch?v=sEGve18Drf8

Chronik des Berlin-Marathon zum 50. Jubiläumslauf erschienen Hommage an Gründer und „Mr. Berlin-Marathon“ Horst Milde
https://news.germanroadraces.de/chronik-des-berlin-marathon-zum-50-jubilaeumslauf-erschienen-hommage-an-gruender-und-mr-berlin-marathon-horst-milde/

 

Klaus Feierabend: „Vom Lauf des Lebens“ – 27 Predigten zum Berlin-Marathon aus den Jahren 1986 – 2013 – Arete Verlag – Hilddesneim – Foto: Horst Milde

Berlin und sein alljährlicher Marathon erhalten gemeinsam die Heritage Plaque von World Athletics

 

 

 

author: GRR