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27
05
2017

Rosi Ackermann aus Cottbus am 26. August 1977 im Berliner Olympiastadion ©Bildarchiv Heinrich von der Becke im Sportmuseum Berlin.

Das Olympiastadion in Berlin gehört Deutschland – nicht der Hertha – Von KLAUS BLUME

By GRR 0

Kürzlich in Berlin. Eine Arbeitstagung. Trotzdem blieb mehr hängen, als nur das Tagungsprotokoll – BERLIN eben: Brandenburger Tor, Gendarmen-Markt, Ku-Damm, Gedächtniskirche – und das Olympiastadion.

Also nicht nur Berliner, sondern vor allem deutsche Merkmale.

Eines davon soll nun  verschwinden: das ehrwürdige Olympiastadion von 1936. 

Es soll nach einer Machbarkeitsstudie des Fußballvereins Hertha BSC in ein reines Fußball-Stadion umgebaut werden. Steile Ränge, steile Thesen, keine Laufbahn – so weit, so beunruhigend. Mich beunruhigen dabei vor allem jene beiden Männer, die hinter diesem Wahnsinns-Projekt stehen: Der Regierende Bürgermeister Michael Müller und Innensenator Andreas Geisel.

Beide SPD-isten  stehen nämlich bereits für den unfertigen Hauptstadt-Flughafen Schönefeld – offenbar als Bauwerk für die Ewigkeit gedacht; für das missglückte Bebauungsprogramm des Tempelhofer Felds und für die einsturzgefährdete Friedrichswerdersche Kirche, übrigens ein ganz besonderes Meisterwerk Schinkels.

Aber wen kümmert‘s. Ob irgend etwas unter Denkmalsschutz steht oder ob es überhaupt schützenswert scheint, das scheint um Müller und Geisel offenbar niemanden in Berlin zu interessieren.

Sonst würden man sich jetzt nicht am denkmalsgeschützen Olympiastadion vergreifen wollen. An einem nationalen Kulturerbe! Denn es gehört ja noch nicht einmal allein der Stadt Berlin, sondern vielmehr dem ganzen deutschen Volk. So sieht die tatsächliche Lage aus!

Also der Hertha gehört es ohnehin nicht, auch wenn die schon mal eine Machbarkeitsstudie zum Umbau in Auftrag gegeben hat. Eine Unverfrorenheit, weil die auch in diesem Falle mal wieder allzu großspurig auftretende Hertha  – bei Lichte betrachtet – im Olympiastadion nur Gastrecht hat.

Das Berliner Olympiastadion, mit seiner herrlichen blauen Laufbahn, ist die einzige übrig gebliebene deutsche Groß-Arena für Leichtathletik. Und das muss sie auch bleiben! Köln ist längst untergegangen; Koblenz hat die Segel gestrichen, in Hamburg haben sie die Leichtathleten vertrieben in Düsseldorf – überall.

Wer die große internationale Leichtathletik erleben will, muss in die Schweiz reisen, wo es alljährlich gleich drei große Sportfeste zu genießen gibt: in Zürich, Lausanne und Luzern. In Zürich haben sie übrigens 2007 ein neu gebautes Stadion eröffnet – für Fußball und Leichtathletik. Sollten Sie sich 2018 mal ansehen, denn 2017 ist es längst ausverkauft. 

Von wegen, die Leichtathletik liege am Boden! Bei den Europameisterschaften im nächsten Jahr im Berliner Olympiastadion rechnen die Veranstalter mit einem täglichen Zuschauerschnitt von 45 000 Leichtathletikfreunden.

Ich erinnere mich dabei gern an das ISTAF 2007.

Damals war das Stadion mit 70 253 Zuschauern ausverkauft! Nirgendwo auf der Welt sind jemals mehr Zuschauer zu einem Leichtathletik-Meeting gekommen, und mein alter Freund Wilfried Meert, Chef des legendären Brüsseler Meetings, hat mich damals vor Rührung umarmt.

Und das soll alles vergessen sein? An die zwanzig Weltrekorde sind in Berlin aufgestellt worden –  ich erinnere dabei nicht nur an Usain Bolts Sturmläufe über 100 Meter (9,58 Sekunden) und 200 Meter (19,19 Sekunden) im Jahre 2009. Ich erinnere mich an das Jahr 1960, als der in den Westen geflüchtete Hallenser Manfred Steinbach 8,14 Meter weit flog und damit eigentlich Jesse Owens‘ Stadionrekord verbessert hätte, hätte damals nicht der Wind zu stark geweht.

Oder ich erinnere mich an den 26. August 1977, als sich Rosi Ackermann aus Cottbus als erste Hochspringerin der Welt über die Höhe von zwei Metern wälzte, und ich alles, was ich bis dahin geschrieben hatte, wegschmeißen musste.

Und ich erinnere mich natürlich an das ISTAF 1985, als der Marokkaner Said Aouita  mit fabelhaften 3:29,46 einen damals für einen kaum möglichen 1500-Meter-Weltrekord sorgte. Aouita – der Jahrhundertläufer! Nur ihm gelang ein 800-Meter-Rennen unter 1:44 Minuten; ein 1500-Meter-Lauf unter 3:30; eine 3000-Meter-Bestzeit unter 7:30 und ein 5000-Meter-Rekord unter 13 Minuten.

Immer, wenn wir uns in den Jahren danach auf irgend einem Flughafen über den Weg liefen, wie kürzlich im Osloer Winter, versprachen wir uns: Also, nächsten Sommer, beim ISTAF in Berlin.

Soll das jetzt alles vorbei sein?

Klaus Blume
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