2013 BMW Berlin Marathon Berlin, Germany September 29, 2013 Race-Direktor Mark Milde (links) und sieben Berliner Weltrekordler beim 40. Jubiläum des Rennens 2013: Patrick Makau, Haile Gebrselassie, Paul Tergat, Naoko Takahashi, Tegla Loroupe, Ronaldo da Costa und Christa Vahlensieck. Rechts daneben der Marathon-Gründer und jahrzehntelange Race-Direktor Horst Milde. - Foto: Sailer / photorun.net
50. Jubiläum: Die Geschichte des Berlin-Marathons (Teil 2)
Am 29. September 2024 wird der 50. Berlin-Marathon mit rund 50.000 Läufern gestartet.
Im zweiten Teil der Geschichte des Rennens geht es um den ersten Marathon durch Ost und West 1990, den Aufstieg zu dem Weltrekord-Rennen schlechthin, den enormen Aufschwung durch die Wold Marathon Majors und wie Berlin überhaupt den Sprung in diesen illustren Kreis schaffen konnte.
Eine detaillierte Darstellung der Entwicklung des Rennens und eine Würdigung des Initiators, Horst Milde, ist unter dem Titel „Immer wieder Marathon!“ als Buch erschienen. Weitere Informationen dazu am Ende des Textes.
Der Lauf in neue Dimensionen
Nach dem Fall der Mauer konnte der Berlin-Marathon in die Eliteklasse der internationalen Straßenläufe aufsteigen. Nur einen Tag nach der Wende, also am 10. November 1989, klingelte bei Cheforganisator Horst Milde in seiner Tempelhofer Konditorei das Telefon. Michael Coleman, Sportredakteur bei der Londoner Times und ein engagierter Förderer des Berlin-Marathons redete auf einen damals noch sehr skeptischen Horst Milde, der nach wie vor alles ehrenamtlich organisierte, ein: „Der Berlin-Marathon wird der Lauf des Jahres – aber er muss 1990 durch das Brandenburger Tor führen.“
1990 führte der Berlin-Marathon mit 25.000 Läufern durch das Brandenburger Tor. –
Foto: privat / Forum für Sportgeschichte
Am 30. September 1990 wurde schließlich ein Traum wahr für viele Läufer in Ost und West. Die Strecke des Berlin-Marathons führte 16 Jahre nach der Premiere des Rennens durch das Brandenburger Tor und somit durch beide Stadthälften. Drei Tage vor der deutschen Wiedervereinigung fand die sportliche Vereinigung von Ost und West in atemberaubender Weise auf den Straßen der künftigen Hauptstadt statt.
Nachdem alle bürokratischen Hürden genommen waren – die Veranstalter mussten auch mit dem Ost-Berliner Magistrat verhandeln –, wurde schnell klar, dass der Berlin-Marathon auf dem Weg war, zu seinen Vorbildern New York und London aufzuschließen. Plötzlich hatte der Lauf annähernd die Dimensionen dieser beiden Läufe erreicht. Rund 25.000 Läufer rannten durch das Brandenburger Tor. Viele hatten Tränen in den Augen, als sie durch diese Nahtstelle zwischen Ost und West hindurchliefen, andere jubelten lauthals.
Der Australier Steve Moneghetti erreichte mit 2:08:16 Stunden die erste Zeit unter 2:10 in Berlin und verbesserte die Jahresweltbestleistung des italienischen Olympiasiegers Gelindo Bordin um drei Sekunden. Eine ehemalige DDR-Athletin, die unmittelbar nach dem Fall der Mauer nach Stuttgart geflüchtet war, feierte einen Heimsieg in 2:28:37 Stunden: Uta Pippig wohnte bereits wieder in Berlin und sollte schon wenige Monate später für den SCC Berlin starten. Die Gefühle der Uta Pippig reflektierten die bewegende Stimmung bei diesem historischen Massenlauf durch Ost und West: „Als ich durch das Brandenburger Tor lief, bekam ich eine Gänsehaut.“
Nur zwei Jahre später hatte der Berlin-Marathon nochmals sportpolitische Bedeutung: 1992 war das Rennen der erste große Citylauf, bei dem die Südafrikaner nach dem Ende der Apartheidpolitik und dem daraus folgenden Ende der internationalen Sperre wieder starten durften.
Der Südafrikaner David Tsebe lief mit 2:08:07 Stunden nicht nur ein Streckenrekord sondern auch eine Jahresweltbestzeit. Immer weiter sprach sich die für Topzeiten hervorragend geeignete Berliner Strecke herum. Fachleuten war klar, dass der Kurs sogar für einen Weltrekord gut sein müsste.
Berlin wird zum schnellsten Marathon der Welt
Eine ganze Reihe von Weltklasseläufern meldeten ihr Interesse an, in Berlin zu starten. Das Problem war jedoch, dass das Budget längst nicht ausreichte, um sie alle zu verpflichten. Den Vergleich zu den finanzkräftigeren Rennen von London, Chicago, New York oder Boston konnten und können die Berliner in punkto Startgeld nicht standhalten. Doch noch heute nehmen einige Topläufer geringere Gagen in Berlin in kauf, um auf der schnellen Strecke eine Spitzenzeit zu laufen.
1995 stürmte der Kenianer Sammy Lelei zu einer Traumzeit von 2:07:02 Stunden – es war die damals zweitschnellste je gelaufene Zeit. Nur zwölf Sekunden fehlten Sammy Lelei zur damaligen Weltbestzeit des Äthiopiers Belayneh Dinsamo aus dem Jahr 1988. Berlin war auf dem Weg zum schnellsten Marathon der Welt zu werden. 1998 war es soweit. Dass der Brasilianer Ronaldo da Costa beim 25. Jubiläum des Berlin-Marathons einen Weltrekord lief, war eine Sensation und kam völlig unerwartet. Im Ziel zeigten die Uhren 2:06:05 Stunden, und damit hatte da Costa die zehn Jahre alte Weltbestzeit von Dinsamo um genau eine dreiviertel Minute unterboten.
Zum ersten Mal hatte der Berlin-Marathon nach dem Rennen 1998 die Führungsposition in der Liste der schnellsten City-Marathonrennen übernommen. Hierbei wird der Durchschnitt der schnellsten zehn je bei einem Rennen gelaufenen Zeiten gewertet. Zwischenzeitlich war dann der Chicago-Marathon die Nummer eins, doch seit 2006 und bis heute besetzt Berlin diese prestigeträchtige Führungsposition. Aktuell steht die Berliner Durchschnittszeit bei 2:02:33,8 Stunden. Nur ein Jahr nach dem Jubiläumsrennen gab es schon den nächsten Weltrekord: Die Kenianerin Tesla Loroupe verbesserte ihre eigene Bestzeit in Berlin 1999 auf 2:20:43.
Bis heute wurden in Berlin insgesamt 13 Weltrekorde über die 42,195 km gelaufen – mehr als bei jedem anderen City-Marathon in der Welt.
Die 13 Berliner Marathon-Weltrekorde
2023 Tigst Assefa ETH 2:11:53
2022 Eliud Kipchoge KEN 2:01:09
2018 Eliud Kipchoge KEN 2:01:39
2014 Dennis Kimetto KEN 2:02:57
2013 Wilson Kipsang KEN 2:03:23
2011 Patrick Makau KEN 2:03:38
2008 Haile Gebrselassie ETH 2:03:59
2007 Haile Gebrselassie ETH 2:04:26
2003 Paul Tergat KEN 2:04:55
2001 Naoko Takahashi JPN 2:19:46
1999 Tegla Loroupe KEN 2:20:43
1998 Ronaldo da Costa BRA 2:06:05
1977 Christa Vahlensieck GER 2:34:48
Haile Gebrselassie und Eliud Kipchoge, zwei der größten Langstreckenläufer aller Zeiten, liefen jeweils zwei Weltrekorde in Berlin. Zuletzt sorgte Tigst Assefa für Furore, als sie die Bestzeit auf 2:11:53 Stunden schraubte. Die Äthiopierin erreichte Zeit-Dimensionen, die bisher nur Männern vorbehalten waren und die viele Athleten nie erreichen.
Zweimal wurden zuvor große Zeit-Barrieren in Berlin durchbrochen. Fast zwei Jahrzehnte lang, seit Mitte der 80er Jahre, hatten die besten Langstreckenläuferinnen der Welt vergeblich versucht, die 2:20:00-Stunden-Barriere zu unterbieten. In Berlin schaffte dies schließlich Naoko Takahashi. Die 29-jährige Olympiasiegerin aus Japan lief 2001 eine Traumzeit von 2:19:46 Stunden. Ihren Zieleinlauf verfolgte fast jeder zweite Japaner live im Fernsehen. Der Berlin-Marathon erreichte damals in Japan eine unglaubliche Einschaltquote von 53,5 Prozent. 121 japanische Pressevertreter berichteten aus Berlin.
Naoko Takahashi sorgte 2001 vielleicht für den Höhepunkt schlechthin in der Geschichte des Rennens: Die Japanerin durchbrach als erste Frau die 2:20-Stunden-Barriere und sorgte für eine bis heute einmalige Medien-Resonanz: – privat
Der Berlin-Marathon hatte 2001 auch eine politische Dimension. Erfolgreich setzte die Veranstaltung ein Zeichen des Mitgefühls, der Völkerverständigung und des Friedens. Im Gedenken an die Todesopfer der Terrorattacken in New York und Washington vom 11. September 2001 hatten die Teilnehmer vor dem Start ein Transparent mit der Aufschrift „United we Run“ über ihre Köpfe hinweggezogen.
Zwei Jahre später, beim 30. Berlin-Marathon, befand sich das Ziel zum ersten Mal am Brandenburger Tor. Und dieses Jubiläum krönte Kenias Laufsport-Idol Paul Tergat mit einem besonderen Weltrekord. Mit 2:04:55 erzielte er die erste Zeit unter 2:05:00.
Kurzzeitig hielt der Berlin-Marathon 2023 zum zweiten Mal nach 1999 beide Marathon-Weltrekorde. Aktuell sind auch die beiden deutschen Rekorde aus Berlin: 2008 lief Irina Mikitenko 2:19:19 und 2023 erreichte Amanal Petros 2:04:58.
Christoph Kopp und Mark Milde machten heutigen Erfolg erst möglich
Die enorme Teilnehmer-Entwicklung des Berlin-Marathons, der zum 50. Jubiläum rund 50.000 Läufer erwartet, und der große Erfolg des Rennens wäre ohne die Zugehörigkeit zu den World Marathon Majors (WMM) nicht möglich gewesen. Zu Jahresbeginn 2006 gaben fünf der bedeutendsten Marathonrennen der Welt diesen Zusammenschluss bekannt: New York, Boston, Chicago, London und Berlin.
Doch wie hat es Berlin damals geschafft, die Zugehörigkeit zu diesem elitären Kreis zu erreichen? Die Antwort ist klar: Das Rennen in Berlin war spitzensportlich in den 90er Jahren und Anfang des neuen Jahrtausends derart erfolgreich, dass am Berlin-Marathon damals kein Weg vorbei führte. Bezüglich der Größe der Teilnehmerfelder und der Finanzkraft hätte Berlin den Anschluss an die WMM nicht schaffen können. Doch die Topzeiten, die in Berlin immer wieder gelaufen wurden, gaben den Ausschlag dafür, dass die WMM-Initiatoren sich für das deutsche Rennen entschieden.
Für die enorme spitzensportliche Entwicklung des Berlin-Marathons zwischen 1990 und 2005 stehen zwei Namen: Christoph Kopp und Mark Milde. Seit das Rennen 1981 erstmals in der West-Berliner City stattfand, war Christoph Kopp ehrenamtlich für die Topathleten zuständig. Er machte aus dem Berlin-Marathon ein Weltklasse-Event und baute Verbindungen auf, von denen der Lauf heute noch profitiert. „Was Christoph macht, kann kein anderer. Das Rennen ist ohne ihn nicht vorstellbar“, sagte Horst Milde Anfang der 90er Jahre. Mildes Sohn Mark übernahm dann schließlich ab 1999 diese Position.
Paul Tergat (lks.) im Gespräch mit Christoph Kopp, der das Rennen in den 80er und 90er Jahren in die Weltklasse führte und 2023 verstarb, und Horst Milde (rechts). – Foto: Sailer / photorun.net
Mark Milde ist wie kein anderer aus dem Organisations-Team aufgewachsen mit dem Marathon. Er setzte den erfolgreichen Weg von Christoph Kopp, mit dem er bis zu dessen Tod im Frühjahr 2023 kooperierte, nicht nur fort sondern machte aus dem Berlin-Marathon das Weltrekordrennen schlechthin. Elf Weltrekorde wurden unter seiner Regie über die 42,195 km gebrochen – eine Bilanz, an die weltweit kein anderer Marathon-Race-Direktor auch nur annähernd herankommt.
Zum 50. Jubiläum des Berlin-Marathons hat das Forum für Sportgeschichte (Sportmuseum Berlin) ein Buch mit dem Titel „Immer wieder Marathon!“ herausgegeben. Dabei geht es auch um die frühe Historie des Laufsports, die Entwicklungen in Berlin und eine Würdigung des Berlin-Marathon-Gründers Horst Milde.
Das Buch hat 248 Seiten im A4-Format und kann für 26,- Euro inklusive Versand in Deutschland per E-Mail bestellt werden: marathoneum@t-online.de
Jörg Wenig / Race News Service