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10
07
2024

Jaroslawa Mahutschich k - Foto: 2022 Zurich Diamond League Zurich, Switzerland September 7-8, 2022 Photo: Giancarlo Colombo@PhotoRun Victah1111@aol.com

Im Hochsprung: Ukrainerin knackt 37 Jahre alten Weltrekord – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Fast vier Jahrzehnte galt der Weltrekord der Hochspringerinnen als unantastbar. Bis Jaroslawa Mahutschich kam. Die Bestmarke widmet sie ihrem Land und sagt: „Bei uns gibt man niemals auf.“

Rom im September 1987, Weltmeisterschaft der Leichtathleten. Hochspringerin Stefka Kostadinova aus Bulgarien gewinnt den Titel mit 2,06 Meter. Dann überspringt sie, im zweiten Versuch, die Weltrekordhöhe von 2,09 Meter. Ein Paukenschlag zum Schluss der erst zweiten Welt-Titelkämpfe.

Wie lange das her ist?

Ben Johnson wurde damals Weltmeister im Sprint und verlor den Titel erst, als er bei seinem Olympiasieg von Seoul ein Jahr später des Dopings überführt wurde. Die Mannschaft der DDR, mit nicht weniger intus, holte zehn Titel und gewann die Medaillenwertung vor den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion. Seit damals, seit 37 Jahren, galt der Weltrekord der Hochspringerinnen als unantastbar. Bis am Sonntag in Paris Jaroslawa Mahutschich kam.

Vierzehn Jahre nach der WM von Rom in Dnipro geboren, zehn Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion, im September 2001, scheint die Ukrainerin über die Gabe der Schwerelosigkeit zu verfügen. Niemand hebt so leichtfüßig ab wie sie. Zugleich hat sie die Last zu tragen, dass sie zwar ihre Disziplin dominiert, der Sport allerdings politisch aufgeladen ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr. „Ich widme diesen Rekord meinem Land, wie alle meine Sprünge seit einigen Jahren“, sagte sie nach dem Wettbewerb: „Bei uns gibt man niemals auf und kämpft bis zum Schluss.“

Ihre Landsleute, die nicht geflohen sind, opfern sich auf im Kampf gegen die russische Armee, die ihr Land mit Bomben und Granaten überzieht. Die 22 Jahre alte Jaroslawa kämpft statt in Uniform im pink-gelben Trikot. Sie lebt und trainiert in Belgien und in Estland, doch sie fliegt für die Ukraine: Air Mahutschich. Viele Soldaten hätten ihr nach dem Gewinn der Europameisterschaft in Rom geschrieben und sich dafür bedankt, dass sie ihnen Freude und Stolz bereitet habe. „Und jetzt habe ich die Ukraine in die Geschichtsbücher der Leichtathletik eingetragen.“

„Ich habe gespürt, dass ich es schaffen kann“

Mit geradezu aufreizender Leichtigkeit gewann die 1,80 Meter lange Jaroslawa Mahutschich den Wettbewerb der Diamond League im Stadion Charléty im Süden von Paris; auf der gegenüber liegenden Seite der Stadt, im Stade de France, will sie vier Wochen nach ihrem bisher höchsten Flug, am Abend des 4. August, Olympiasiegerin werden. Wie stets trat sie zum Wettbewerb mit in den Nationalfarben geschminkten Augen an. Zunächst mühte sie sich mit der Konkurrenz herum. Im zweiten Versuch über 2,03 Meter: Damit war die Australierin Nicola Olyaslagers besiegt, die letzte Konkurrentin. Zwei Sprünge brauchte sie, um ihre Bestleistung um einen Zentimeter auf 2,07 Meter zu steigern.

Dann war der Weltrekord fällig.

Er fiel im ersten Versuch. „Ich habe viel Energie verbraucht am Anfang des Wettbewerbs“, urteilte sie, nachdem sie 2,10 Meter übersprungen hatte: „Aber beim zweiten Versuch über 2,07 Meter habe ich mich so gut gefühlt. Meine Trainerin sagte, dass ich im Hinblick auf die Spiele vielleicht aufhören sollte; sie sind am wichtigsten. Aber ich habe gespürt, dass ich es schaffen kann, und, ganz ehrlich, ich wollte den Weltrekord versuchen. Also habe ich weiter gemacht.“ Ganz offensichtlich hat die Überfliegerin ihren Zenit noch nicht erreicht. „The sky is the limit“, sagte sie: „Der Himmel ist die Grenze.“

Eine Stunde nach dem Weltrekord von Jaroslawa Mahutschich stellte die Kenianerin Faith Kipyegon einen weiteren auf. In 3:49,04 Minuten unterbot sie ihre eigene Bestzeit über 1500 Meter vom vergangenen Jahr um sieben Hundertstelsekunden.

Ihr auf den Fersen verbesserten Jess Hull den Ozeanien-Rekord auf 3:50,83 und Laura Muir den britischen Rekord auf 3:53,79 Minuten. Zwölf Läuferinnen blieben innerhalb von vier Minuten.

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