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14
06
2024

Malaika Mihambo gewinnt in Rom GOLD - 2022 Zurich - Foto: Giancarlo Colombo@PhotoRun Victah1111@aol.com

Europameisterin im Weitsprung: Wie der Gegenwind Mihambo zu Gold verhalf – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Mit dem zweitweitesten Sprung ihrer Karriere gewinnt Malaika Mihambo EM-Gold – ein Grund dafür: Sie reizt ihre große Stärke aus wie lange nicht. Auch andere Deutsche gewinnen zum Abschluss Medaillen.

Malaika Mihambo fliegt wieder. Unbeschwert von Krankheit und Verletzung gewann die Weitsprung-Olympiasiegerin von Tokio 2021 am Schlusstag der Europameisterschaft von Rom ihren sechsten internationalen Titel. Nicht nur die Weite von 7,20 Meter, auch das Glück, der Stolz und der Ehrgeiz der dreißig Jahre alten Ausnahmeathletin machen sie zur Favoritin der Olympischen Spiele von Paris im Sommer.

„Ich bin sehr stolz“, sagte sie nach dem Wettkampf: „Immerhin ist dies der zweitweiteste Sprung meiner Karriere. Ich habe versucht, weiter zu springen, aber nach einem solchen Sprung fällt die Spannung ab.“

Dezent geschminkt und mit baumelnden Ohrringen aus Gold schien Malaika Mihambo schon im Wettkampf bereit für die Siegerehrung dieser italienisch geprägten Titelkämpfe. Nach 6,70 Meter im ersten Versuch sprang sie im zweiten einen halben Meter weiter – und gewann damit die Konkurrenz. Wie in Doha 2019, beim Gewinn ihrer ersten Weltmeisterschaft, ist sie beim Anlauf deutlich die schnellste aller Weitspringerinnen.

Seit Mittwochabend führt sie die Weltbestenliste an, vier Zentimeter vor der Amerikanerin Tara Davis-Woodhall, die seit Februar Erste gewesen war, und 28 Zentimeter vor der Italienerin Larissa Iapichino, die am Mittwoch auf Platz zwei kam – mit drei Zentimeter Vorsprung vor der Portugiesin Agate de Sousa und Mikaelle Assani aus Baden-Baden.

„Ich wollte zeigen, dass man mir rechnen kann“

Den Unterschied zwischen den weitengleichen Springerinnen auf Platz drei und Rang vier, mit dem Assani vorlieb nehmen musste, machten 16 Zentimeter bei den zweitbesten Versuchen: 6,87 zu 6,71 Meter. Mikaelle Assani war mit ihren 6,91 Meter zufrieden. „Ich wollte zeigen, dass man mir rechnen kann“, sagte sie: „Sieben Meter sind auf jeden Fall drin. Das macht mich zuversichtlich für Paris.“

Malaika Mihambo übertraf auch im fünften Versuch sieben Meter, um vier Zentimeter, und beendete den Wettkampf mit einen Satz von 6,54 Meter, ihrem vierten gültigen Versuch. Sie ist zum zweiten Mal Europameisterin; Weltmeisterin wurde sie in Doha 2019 und in Eugene 2022. Bei der Europameisterschaft von München vor zwei Jahren trat sie geschwächt von einer Coronainfektion an und kam auf Platz zwei. Die Saison 2023 endete vor der WM von Budapest mit einem Muskelfaserriss.

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Die neu gewonnene Stärke entspringt nicht allein der Gelassenheit, die aus Erfolg und Meditation erwächst. Mit ihrem Trainer Ulli Knapp hat Mihambo über den Winter das Krafttraining forciert und ein Kilo Muskeln dazugewonnen.

Ihre große Stärke, den Anlauf, reizt sie wieder aus wie lange nicht. So lang sind ihre Schritte geworden, so schnell ist ihr Anlauf, dass die 1,4 Meter Gegenwind pro Sekunde, die bei ihrem besten Versuch herrschten, gerade die richtige Bremswirkung hatten. „Bei Rückenwind hätte sie übergetreten“, vermutet Coach Knapp.

Sie sei in einer Verfassung wie vor fünf Jahren, hatten Athletin und Trainer schon im Frühjahr festgestellt. Rom bestätigte sie. „Der Erfolg gibt mir einen immensen Motivationsschub. Ich war schon gut drauf. Ich habe es gefühlt. Jetzt weiß ich, dass ich wieder vergleichbar bin mit der Doha-Saison“, sagte sie. Nicht nur das Fluggefühl von Qatar ist wieder da, auch das Glück ist wie damals: „Ich habe wieder eine Gänsehaut bekommen bei der Siegerehrung, wie in Doha.“

Die Aussicht auf Paris ist vielversprechend. Sie hätten das Training noch gar nicht ausgereizt, sagte Mihambo, „noch nicht alle Register gezogen“. In den zwei Monaten bis zu den Sommerspielen werde sie daran arbeiten, weiter an Kraft und Tempo zuzulegen und an der Technik zu feilen: „Ich bin gespannt, wohin das noch führen kann.“

Auch der Speerwerfer Julian Weber, der am Schlussabend eine zweite Goldmedaille zum Abschneiden der deutschen Mannschaft hätte beisteuern können, setzt, da er im letzten Durchgang von dem Tschechen Jakub Vadlejch übertroffen wurde, auf weiteres Training. Mit 85,94 Meter hatte er vom ersten Durchgang an geführt, übertraf mit jedem seiner sechs Würfe achtzig Meter, dann warf Vadlejch 88,65 Meter weit. Der 19 Jahre alte 90-Meter-Werfer Max Dehning wurde mit 76,16 Meter Zwölfter. Er sei froh, sagte er, dass er habe lernen können.

Neben Mihambo und Weber waren zum römischen EM-Finale auch Stabhochspringer Oleg Zernikel und die beiden Männer-Staffeln erfolgreich. Zernikel übersprang beim Sieg von Armand Duplantis (6,10) 5,82 Meter und wurde Dritter. Die Sprinter waren nach 38,52 Sekunden, wie die 400-Meter-Läufer nach 3:00,82 Minuten als Dritte im Ziel.

Über 4×100 Meter siegten die Italiener (37,82), über 4×400 Meter die Belgier (2:59,84). Die Sprintstaffel um Gina Lückenkemper kam auf Platz vier.

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Donnerstag, dem

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