Start des 1. Berlin-Marathon ("Berliner Volksmarathon") 1974 - Waldschulallee 80 in Berlin-Charlottenburg - Photo: Jane Teague
„50 Jahre BERLIN-MARATHON“ – Martin W. Teague/USA – Finisher des 1. Berlin-Marathons 1974 startet jetzt beim 50. Berlin-Marathon 2024 – Er erzählt seine Geschichte
Das 50-jährige Jubiläum des BERLIN-MARATHON (gegründet als „1. Berliner Volksmarathon“ am 13.10.1974).
Am 29. September 2024 wird der BERLIN-MARATHON sein 50-jähriges Jubiläum mit rund 50.000 Teilnehmern aus mehr als 140 Ländern der Welt feiern.
Der Start am 13.10.1974 befand sich in der Waldschulallee 80 (Waldschulallee 80) in Berlin-Charlottenburg, in der Nähe des Mommsenstadions. 286 Meldungen aus 4 Nationen lagen dem Veranstalter SCC Berlin vor, 244 Teilnehmer erreichten das Ziel.
Startzeit war 9.00 Uhr. Das Startgeld kostete 12.00 DM. Am Veranstaltungstag mussten alle Teilnehmer ein sportärztliches Gesundheitszeugnis vorweisen, das nicht älter als 6 Wochen sein durfte.
Das Ziel befand sich in einer kleinen Stichstrasse vor dem Mommsenstadion in Charlottenburg. Die Strecke war ein 2-Runden-Kurs bis zum Strandbad Wannsee und zurück, parallel zur AVUS, praktisch am/im Grunewald.
Aufwärmübungen vor dem Start auf der Wiese vor dem Mommsenstadion – Foto: Jane Teague
Der damalige Sieger Günter Hallas und die Siegerin Jutta von Haase (beide aus Berlin) sowie der Gründer des Rennens Horst Milde leben noch.
In einer privaten Aktion suchten Peter Bartel – als Ideengeber und Finisher von 1974 – und Horst Milde – nach den anderen Finishern des Rennens von 1974.
31 Läufer und 2 Läuferinnen konnte Peter Bartel in einer aufwendigen Suchaktion noch finden. Er fand heraus, dass Norbert Schulze (Jahrgang 1955) der damals jüngste und Charly Schöttler (Jahrgang 1929) als ältester Teilnehmer noch leben und relativ rüstige 74er-Finisher sind.
Doch die größte Überraschung ist die Anmeldung eines Amerikaners, Martin W. Teague beim Veranstalter direkt, der 1974 am 1. „Berliner Volksmarathon“ teilgenommen hatte.
Er will – 50 Jahre später – am 29. September 2024 erneut den BERLIN-MARATHON laufen.
Das US-Marathon-Team der Berlin Brigade (Martin W. Teague – Dritter von oben links) – Foto: privat
Ein Vorbericht: „Volksmarathon“ von Michelle Lowryon in der US-Armee Presse über den 1. „Berlin People’s Marathon“ – Foto: privat
Martin W. Teague aus Glen Ellyn, Illinois USA, war 1974 Mitglied des Marathon-Teams der US Army Berlin Brigade, die damals zu den Alliierten Streitkräften in West-Berlin gehörte. 9 von 10 gestarteten Amerikanern überquerten die Ziellinie.
Das US Brigade Berlin Marathon Team mit Startnummer, Rang und Zeit:
CLIFFORD LEWIS #10 / Rang 6 / 2:49:42
CHARLES A. MILLER #1 / 30. Platz / 3:14:55
ROBERT MAYFIELD #7 / 31. Platz / 3:14:55
GEORGE DEMETRALLAS # 5 / 39. Platz / 3:18:20
WALTER MYERS # 8 / Platz 48 / 3:23:02
DONALD HANSON # 2 / Platz 54 / 3:27:19
MARTIN TEAGUE # 6 / Platz 61 / 3:31:25
DONALD LITTLE # 4 / Rang 103 / 3:54:24
JIMMY JACOBS # 3 / Rang 146 /4:25:26
Martin W. Teague, ein Zeitzeuge, erzählt hier in einer Kurzfassung die erfreuliche Geschichte seines Rennens von 1974, die eine besondere Dokumentation des damaligen politischen Zustands in West-Berlin und der Welt aufzeigt.
Das ist seine Geschichte:
„Im April 1972 kam ich als Infanterist der U.S. Army mit der Berlin Brigade in Berlin an. Die Brigade war in den Jahren des Kalten Krieges nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem eine zeremonielle Einheit von symbolischer Bedeutung, und ich diente in der Ehrengarde.
Einmal nahmen wir an der Zeremonie der Wachablösung mit den Russen im Gefängnis Spandau teil. 1973 wurde ich in die Andrews Kaserne in der Finckensteinallee versetzt, dem Standort des olympischen Lehrschwimmbeckens von 1936. Dort leitete ich alle militärischen und zivilen Sportaktivitäten. Meine Qualifikationen bezogen sich auf das Schwimmen – nicht auf das Laufen.
Drei Läufer des US Teams auf dem Kronprinzessinenweg (Kreuzung Hüttenweg) – Martin W. Teague (Zweiter v.r.) Foto: screenshot Helmut Winter
In dieser Zeit erwarb ich das Deutsche Sportabzeichen in Gold, und 1974 erfuhr ich zum ersten Mal, dass die US Armee eine Marathonmannschaft der US Berlin Brigade sponsern würde, die im Herbst beim klassischen Athen-Marathon antreten sollte.
Wir waren meist junge, fitte, einfache Läufer mit wenig Erfahrung im Langstreckenlauf, und das war bei mir ganz sicher der Fall. Den ganzen Sommer über liefen und trainierten wir im Grunewald, in der Nähe des Hauptquartiers der Berlin Brigade und der US-Botschaft in der Clayallee. Am Anfang liefen wir meist in den von der Armee ausgegebenen Tennisschuhen. Die riefen bei uns Blasen an den Füssen hervor. So kauften wir uns Laufschuhe in Berliner Schuhgeschäften.
Dann wurde dieser Traum für uns alle zunichte gemacht. Zwischen Griechenland und der Türkei wurde ein Krieg um die Insel Zypern ausgefochten. Ein Waffenstillstand im Spätsommer teilte die Insel in zwei Hälften, nicht anders als Berlin selbst. Dann tauchte die Bedrohung durch den Terrorismus wieder auf. Zu diesem Zeitpunkt sagten das US-Außenministerium und die Armee die Reise ab, da sie Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der Amerikaner in Griechenland hatten.
Unser Teamleiter, Major Charles Miller, unterbreitete uns die schlechte Nachricht der Absage, bot uns aber sofort eine Alternative an, bei der wir unsere Ausbildung unter Beweis stellen konnten. Anstatt 1800 km in ein mediterranes Klima mit antiken Wurzeln zu reisen, wurden wir mit einem Rennen getröstet, das eine schnelle Fahrt durch die Stadt sein würde.
An jenem erfreulichen Morgen des 13. Oktober 1974 wurden wir mit dem Bus zum Startbereich gebracht. Meine Frau,mit der ich seit fünf Monaten verheiratet war, kam mit ihrer 35-mm-Minolta-Kamera, um uns anzufeuern und Fotos zu machen. Wir bekamen hellblaue T-Shirts mit der Aufschrift „US Forces“, dunkelblaue Adidas-Shorts und ein neues Paar Adidas-Marathonschuhe.
Durch einen Zufall (oder vielleicht durch freundliche Gastfreundschaft) wurde unserem Laufteam die Startnummern 1 bis 10 zugeteilt – das waren die allerersten Nummern des allerersten BERLIN-MARATHON und ich bekam die Nummer „6“. Damals ahnte noch niemand von uns, dass es in den nächsten 50 Jahren Hunderttausende von Teilnehmern an diesem Rennen teilnehmen würden.
Im Ziel gab es kein Gedränge, keine Tribünen und keine schrille Musik, die uns begrüßt hätte – nur ein paar Schaulustige, ein Händedruck von Teamkollegen und anderen Läufern und eine Umarmung meiner strahlenden Frau, die in der Nähe der Medaillenübergabe wartete, wo eine junge Frau die Medaillen verteilte. Ich erhielt meine Medaille zusammen mit einer Urkunde und einem Aufnäher für meine Zielzeit von 3:31:25. Neun Läufer aus unserem zehnköpfigen Team kamen ins Ziel.
Martin W. Teague im Ziel – Rotraud Zylka, die Sportwartin der SCC Leichtathleten – übergibt ihm die Medaille – Foto: Jane Teague
Ein Jahr später, im Juli 1975, verließ ich Berlin und die Armee. Meine Frau und ich beschlossen, unseren 25. Hochzeitstag dort zu feiern, wo wir uns kennengelernt hatten, und den 25. Berlin-Marathon in unsere Feier einzubeziehen.
Die Urkunde im Ziel für Martin W. Teague – Foto: Jane Teague
Bis 1998 hatte sich Berlin stark verändert. Die US Berlin Brigade war aufgelöst, und die Stadt war damit beschäftigt, sich nach einer schrecklichen Trennung wieder zusammenzufinden. Es war eine ergreifende Reise. Wo ich einst davon geträumt hatte, den Athen-Marathon zu laufen, träumte ich nun davon, den 50. Berlin-Marathon zu laufen, um meine Lauf-Odyssee gebührend zu beenden. Wäre ich 1974 in Athen gelaufen, hätte ich den 1. und 25. Berlin-Marathon nicht bestritten, und ich würde auch nicht am 50. BERLIN-MARATHON teilnehmen, für den ich jetzt konsequent trainiere.
Ich freue mich auf den „50. BERLN-MARATHON“ und auf das Wiedersehen.
Martin W. Teague
PS: Es ist davon auszugehen, dass die Organisatoren des „50. BERLIN-MARATHON“ die Startnummer „6“ (sonst reserviert für TOP-Athleten) für Martin W. Teague reserviert haben!
Horst Milde
Gründer BERLIN-MARATHON, Berliner Halbmarathon, AVON Frauenlauf
Zeitzeuge in Laufsport und Leichtathletik: Horst Milde – Berlin – Das Video von Prof. Dr. Helmut Winter: