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08
05
2024

Wasserball - Symbolbild - Foto: Horst Milde

Deutschlands teure Universiade: Bloß kein Rheinfall – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

So viel mehr als eine Sportveranstaltung soll die Universiade im Sommer 2025 werden. Ein Fest der Region an Rhein und Ruhr, eine Leistungsschau von Kultur und Wissenschaft und nicht zuletzt Werbung für Deutschland als Kandidat für nachhaltige Olympische Sommerspiele.

Die „Rhine-Ruhr 2025 FISU World University Games“, so der offizielle Titel der Veranstaltung mit mehr als 10.000 Sportlerinnen und Sportlern, soll der Welt beweisen, dass Deutschland, wenn schon nicht Flughäfen, Bahnhöfe und Symphoniegebäude, so doch Sport-Großveranstaltungen kann.

Mit ihren achtzehn Sportarten von 3×3- und Rollstuhl-Basketball bis Wasserspringen wird sie, was die Bedeutung in der Sportwelt jenseits des Fußballs angeht, selbst die Fußball-Europameisterschaft im Juni übertreffen. Viele der Verbandspräsidenten, die sich bei der Veranstaltung zeigen werden, entscheiden als Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) über die Vergabe der Spiele.

„Einen herausragenden Sportwettbewerb, unvergessliche Erlebnisse sowie spannenden Austausch und Begegnungen“ versprach Mahmut Özdemir, als er auf der Schlussfeier der Universiade 2023 in Chengdu die Fahne des Weltverbandes FISU übernahm. Der einstige Skateboarder aus Duisburg-Homberg vertritt inzwischen seine Heimatstadt im Deutschen Bundestag und ist Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium.

Rhein-Ruhr biete einen hervorragenden Rahmen für begeisternde Spiele, schwärmte er; Deutschland könne sich mit der Universiade als verlässlicher Gastgeber von internationalen Sportgroßveranstaltungen präsentieren.
Auch deshalb beteiligen sich das Land Nordrhein-Westfalen und der Bund mit jeweils 59 Millionen Euro am Gesamtbudget der Veranstaltung von knapp 160 Millionen.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) will am Ende dieses Jahres, in Erwartung guter Stimmung in Folge der Fußball-EM hierzulande und den Olympischen Sommerspielen von Paris, sich offiziell für eine Olympiabewerbung Deutschland entscheiden. Bundesinnenministerin Faeser verspricht, die Beteiligten dabei zu unterstützen.

Neben Berlin und Hamburg, Leipzig und München ist auch die Universiade-Hauptstadt Düsseldorf mit im Rennen um diese Bewerbung. Im Gegensatz zu den Städten hat der Bund allerdings das sogenannte Memorandum of Understanding nicht unterzeichnet; und im Gegensatz zu den Sportfunktionären, die zu Spielen 2036 bereit wären, spricht die Ministerin neuerdings von einer Bewerbung um die Spiele 2040.

An Rhein und Ruhr allerdings steht den Organisatoren das Wasser bis zum Hals.

Die Kosten für die Universiade laufen ihnen derart aus dem Ruder, dass die Politik die Geduld zu verlieren scheint und die Streichung zumindest einer Sportart des Universiade-Programms im Raum steht. Andrea Milz, Staatssekretärin für Sport in Nordrhein-Westfalen, fordert gegenüber der F.A.Z. einen Krisengipfel mit der Bundesinnenministerin. Das Land stehe zu der Veranstaltung, sagt sie auf Anfrage: „Klar ist aber auch: Sport-Großveranstaltungen dürfen nicht einfach immer teurer werden.“

Mit Sorge betrachte die Landesregierung, dass mit deutlichen Kostensteigerungen zu rechnen sei: „Wir haben die Verantwortung, im Sinne der Steuerzahler hier wachsam zu sein. Unser Bekenntnis ist klar. Ich erwarte von Sportministerin Faeser zugleich, dass sie dafür sorgt, dass alle Beteiligten an einen Tisch kommen, um eine gute Lösung für die FISU World Games zu finden.“

Die Kosten für zwölf Tage Universiade im Sommer nächsten Jahres haben sich um 67,3 Millionen auf 225 Millionen Euro erhöht, wie aus einer internen Darstellung der Organisatoren hervorgeht, die der F.A.Z. vorliegt: ein Plus von knapp 43 Prozent auf das ursprüngliche Budget von 157,7 Millionen Euro. „Regionale Marktentwicklung und weltpolitisch bedingte Inflation“ beklagt die Rhine-Ruhr 2025 FISU Games GmbH: „projektunabhängige Faktoren“. Die Kosten für rund 90.000 Hotelübernachtungen haben sich demnach auf zwölf Millionen Euro verdoppelt, die Miete für die Sportstätten erreicht ebenfalls diese Dimension. Die Kostenreserve von reichlich zehn Prozent ist aufgezehrt.

Jeweils elf bis 14,5 Millionen Euro sollen Land und Bund nachschießen, zusammen einen Betrag zwischen zwanzig und dreißig Millionen Euro. Bei dem bleibt es aber nur unter der Bedingung, dass die fünf gastgebenden Kommunen Düsseldorf, Mülheim, Bochum, Essen und Duisburg ihren Beitrag an Sach- und Personalleistungen von 13,6 Millionen Euro verdoppeln.

Die halbwegs gute Nachricht: Mit strikten Streichungen will die Rhine-Ruhr GmbH 38,5 Millionen Euro Mehrkosten abwenden. In ihrer Not hat sie von Transport bis Verpflegung, von der Unterbringung der Volunteers bis zu Redundanzen für Stromversorgung und Fernsehübertragung Abstriche gemacht. Ihre Büros haben die Organisatoren mit Second-hand-Möbeln eingerichtet. Weitere Sparmaßnahmen stellten aber ein erhebliches Risiko für die Veranstaltung dar, warnt die Gesellschaft, und würden zu Verstößen gegen Vereinbarungen im Ausrichtervertrag und zu einem veränderten Gesamtcharakter der Spiele führen.

Vor wenigen Wochen hatte ein Emissär des Landes die Vertreter der Duisburger Wasserball-Bundesligaklubs ASC und DSV 98 mit der Information überrascht, dass die für die Universiade vorgesehene Modernisierung ihrer Vereinsanlagen für sieben Millionen Euro gestrichen sei. Bei den Vertretern des Weltverbandes FISU und des Organisationskomitees herrsche seitdem Schockstarre, berichtet Dietmar Bluhm, Finanzvorstand des ASC und SPD-Ratsherr in Duisburg. Da die Vereine die Anlagen nicht aus eigener Kraft renovieren könnten, geschweige denn für die Universiade modernisieren, seien die Wasserball-Wettbewerbe der Veranstaltung akut gefährdet.

Den Eindruck von der Schockstarre bestätigt die Rhine-Ruhr GmbH mit einer sehr knappen Antwort auf die vielen Fragen, die sich nun stellen. Sie wolle ein tolles, buntes und internationales Sportfestival gestalten, um im Sommer 2025 positive Bilder in alle Welt zu senden, antwortet sie in einer E-Mail. Und: „Von der allgemeinen Preisentwicklung, die gesamtgesellschaftlich zu beobachten ist, sind auch Großveranstaltungen betroffen. Wir sind in Gesprächen mit unseren Partnern, wie wir damit umgehen.“ Spätestens dann wird entschieden, ob Wettbewerbe werden ausfallen müssen.

„Es gibt keine Überlegungen, bei den Rhine-Ruhr 2025 FISU Games Sportarten zu streichen„, behauptet Jörg Förster, der Vorstandsvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverbandes (adh): „Auch im Hinblick auf die nationale Strategie Sportgroßveranstaltungen soll die Universiade ein Erfolg werden.“ Er spielt damit auf einen Plan der Bundesregierung an, mit Sport-Großereignissen dem Spitzensport in Deutschland eine Bühne zu bereiten und international Wettbewerbsfähigkeit zu demonstrieren. Es geht zwar nicht explizit um eine Olympiabewerbung in dem Papier. Längst aber ist es umgedeutet zu einer Akquise mit dem Ziel Olympischer Spiele in Deutschland, längst beschäftigt sich ein eigenes Referat der Abteilung Sport im Innenministerium damit und beim DOSB eine Stabsstelle.

Wie die European Championships 2022 in München zeigten, vom Bund mit 33 Millionen Euro gefördert, ist diese indirekte Vorbereitung auf das Olympia-Projekt ein komplexes und nicht selten teures Geschäft. Der Bund beteiligte sich mit Blick auf die Sommerspiele in spe unter anderem an der Nordischen Ski-WM in Oberstdorf (9,6 Millionen Euro), an der Basketball-Europameisterschaft in Köln und Berlin (500.000), an den Invictus Games in Düsseldorf (40 Millionen), an den Special Olympics in Berlin (44 Millionen).

Zum Förderprogramm gehören auch die bevorstehenden Frauen-Weltmeisterschaften in Handball, Basketball und Eishockey und nicht zuletzt die Fußball-EM, die der Bund mit Sicherheitsaufwendungen und 13,2 Millionen Euro als Beitrag zum Kulturprogramm unterstützt.

Nordrhein-Westfalen, nach wie vor an der Ausrichtung von Olympischen Spielen im Ruhrgebiet interessiert, nahm die Universiade zum Anlass, einige in die Jahre gekommene Sportstätten aufzumöbeln. Zum 50 Millionen Euro teuren Neubau des Lohrheide-Stadions in Wattenscheid, wo die Leichtathletik-Wettbewerbe stattfinden werden, steuert es 31 Millionen Euro bei, zur Modernisierung der Regattabahn in Duisburg zwölf Millionen, und selbst für die Tennisanlage des ruhmreichen Vereins Etuf am Essener Baldeneysee, der 125 Jahre alt wird, fallen noch 200.000 Euro ab. Die Schwimmwettbewerbe auf dem Düsseldorfer Messegelände, das sich in ein Hallensport-Areal verwandeln soll, fallen mit einer Million Euro für das temporäre Schwimmbad, ein Pop-up-Becken, vergleichsweise moderat aus.

In der Landesregierung ist angesichts der explosiven Finanzbedarfs bei der Universiade nun die Rede davon, „Kosten und Architektur“ der Veranstaltung müssten auf den Prüfstand. Auch in Berlin könnte sich der Wind drehen. Derzeit liefen intensive Prüfungen zum Umfang des notwendigen Mehrbedarfs, teilt ein Sprecher des Bundesinnenministeriums mit: „Hierbei wird auch geprüft, welche gegenüber der FISU eingegangenen vertraglichen Ausrichtungsverpflichtungen bereits eingegangen sind und erfüllt werden müssen.“ Es bleibe Ziel, das Organisationskomitee in die Lage zur versetzen, die vertraglichen Ausrichtungspflichten für die Spiele einzuhalten: „Das BMI und die Staatskanzlei NRW werden sich unverzüglich nach Abschluss der Prüfungen zum Umfang des Mehrbedarfs bei den Haushaltsgesetzgebern auf Bundes- und Landesebene dafür einsetzen, dass dieser im Rahmen der Haushaltsaufstellungen für das Jahr 2025 berücksichtigt wird.“

Mahmut Özdemir klingt weniger optimistisch. Wer sich wie Hendrik Wüst, der CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, im Lichte dieser weltweit beachteten Großveranstaltung sonnen wolle, müsse verlässlicher Partner bei der Finanzierung sein, schimpft der Sozialdemokrat:

„Wasserball ist eine unabdingbare Sportart für die Durchführung der Universiade, sodass die Streichung fast mit einer Gefährdung der gesamten Sportgroßveranstaltung gleichzusetzen ist. Wer das nicht weiß, darf sich nicht Sportland NRW nennen und sät international Zweifel an deutschen Bewerbungen für Sportgroßveranstaltungen.“

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Dienstag,  dem 7. Mai 2024 

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