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07
05
2024

Mit dem Tempomacher Frederik Ruppert geht es für Tom Förster (50) und Filimon Abraham (19) in die nächste Runde - Foto. Wilfried Raatz

Die Wasserschlacht von Wassenberg – Mit starkem Auftritt wissen sich Eva Dieterich und Filimon Abraham für die anstehenden internationalen Saison-Höhepunkte zu empfehlen – Wilfried Raatz berichtet

By GRR 0

Die Geschehnisse der Deutschen Langstreckenmeisterschaften 2024 in Wassenberg

Das Wortspiel hatten viele der angereisten Athleten auf den Lippen, schließlich regnete es praktisch von Beginn der Titelkämpfe im (fast) nagelneuen Stadion in Wassenberg bis zum finalen 10.000 m der Männer.

Aber sind wir einmal ehrlich, die Bedingungen im 2023 in Betrieb gegangenen Sportpark Orsbeck im unweit der niederländischen Grenze gelegenen Städtchen im Kreis Heinsberg waren für die Langstreckler nahezu ideal, wären nicht letztlich der Dauerregen von „oben“ und das Spritzwasser auf der Kunststoffanlage „von unten“ in geringer Weise doch etwas leistungsmindert gewesen.

Unter dem Strich jedenfalls bleibt festzuhalten, der Sportpark Orsbeck war keineswegs die schlechte Adresse, wie manche Skeptiker im direkten Vorfeld der deutschen Langstreckenmeisterschaften kritisierten.

Vielmehr werden, wie der SC Myhl Leichtathletik-Chef Harald Eifert mit Stolz in seinem Resümee bemerkte, zahlreiche Spitzenleistungen in der finalen Jahresbestenliste mit dem Vermerk „3. Mai Wassenberg“ vermerkt bleiben. Gewiss eine treffliche Note in der erneuten Bewerbung um die „Deutschen“, beim örtlichen Ausrichter rechnet man mit Unterstützung des LV Nordrhein schon auf einen Zuschlag schon in 2025 oder 2026. „Die Vorbereitungen sind allerdings schon gewaltig“, so Harald Eifert, der als Aktiver Ende der 70er Jahre mit 14:02 und 29:28 Minuten exzellente Bestleistungen über 5000 m und 10.000 m auf der Bahn erzielte, „aber ich denke, es hat sich gelohnt, denn der Rahmen ist für Deutsche Meisterschaften perfekt!“

In diese Kerbe wollten allerdings nicht alle Läufer und Trainer hauen, die Vorschläge gingen stattdessen eher in eine Integration in eine bestehende, hochkarätige Abendveranstaltung mit einer separaten Lösung für die Mastersläufer, bei denen übrigens so mancher übrigens den aus dem Meisterprogramm gestrichenen 10.000 m nachtrauerten.

Genau hingeschaut hat natürlich Harald Eifert als einstiger Langstreckenläufer und heutiger DM-Organisator vor Ort auf die 10.000 m der Männer, der mit seiner aus dem Jahr 1978 stammenden Bestmarke im Männerrennen immerhin noch Achter bzw. im Einschluss der U23-Junioren Zehnter geworden wäre.

Und mit dem bis vor Jahresfrist für den SC Myhl Leichtathletik startenden Hindernisläufer Frederik Ruppert sogar ein Einheimischer für die rasch enteilten Favoriten Filimon Abraham und Tom Förster als Tempomacher agierte. Der zum LAV Stadtwerke Tübingen gewechselte Frederik Ruppert machte seine Sache nahezu perfekt, denn zur Halbzeit wurden 14:02 als Durchgangszeit gestoppt. Es war also alles angerichtet für die angestrebte Endzeit unter 28 Minuten. Dank einer starken Schlussphase blieb Filimon Abraham mit 27:59,98 hauchdünn unter der 28-Minuten-Marke, stellte einen um drei Sekunden besseren Hausrekord auf und bestätigte damit auch seine Nominierung für die Marathondistanz bei den Olympischen Spielen.

„Ich bin sehr zufrieden“, so der Regensburger, der als 10.000 m-Meister übrigens seinem Teamkollegen Simon Boch folgte, der in Bautzen (2017) und Pliezhausen (2022) schon erfolgreich war. „Nach Krankheit und Verletzung war das ein super Auftakt ins Olympiajahr!“

Lange Zeit bot Tom Förster mit seinem beherzten Auftritt dem favorisierten Filimon Abraham, der als Allroundläufer sowohl Berge als auch Marathon exzellent beherrscht, Paroli, ehe der Telis-Athlet auf und davon zog. Für den Vogtländer im Dress der LG Braunschweig gab es freilich genügend Gründe zur Freude. Mit 28:12,41 Minuten gab es Hausrekord, den U23-Titel und vor allem die EM-Norm für Rom, die bei 28:20,00 Minuten fixiert ist. „Doppelt gut“ freute sich Tom über den Titel wie auch über die EM-Norm.

Taktisch geschickt auf Abwarten gestartet war Konstantin Wedel, der mehr und mehr ins Rampenlicht rückte – und mit Rang drei in 28:58,21 belohnt wurde. In der Meisterschaftswertung der Männer lagen damit gleich zwei Regensburger vorne. Für Jan Lukas Becker blieb am Ende nur Rang fünf im Sekunden-Takt-Finale mit Jonathan Dahlke (Dritter), Till Grommisch (Vierter) und Tobias Ritter (Sechster), sie getrennt von lediglich fünf Sekunden. Der mit der Startnummer 1 ins Rennen (geschuldet nach den Landesverbänden vergebenen Startnummern) gehende Freiburger Filmon Teklebrhan-Berhe schied hingegen vorzeitig aus.

Nicht minder spannend, am Ende überzeugend für Eva Dieterich verlief direkt zuvor das 10.000 m-Rennen der Frauen.

Start des 10 000 m-Rennens der Frauen mit v.l. Miriam Dattke, Eva Dieterich, Kira Weis, Fabienne Königstein, Svenja Pingpank und (etwas verdeckt) Eva Schultz – Foto: Wilfried Raatz

Lange Zeit war eine Dreiergruppe mit Miriam Dattke, Eva Dieterich und Kira Weis mit einem starken Zeitpolster auf die EM-Qualifikation von 33:00,00 Minuten unterwegs. Bei der 5000 m-Marke betrug die Zwischenzeit 16:11,96 Minuten. Kira musste sich zuerst aus dem Trio verabschieden, während sich Miriam und Eva beim hohen Temo an der Spitze stetig abwechselten.

„Bei dem Wetter habe ich zunächst nicht gedacht, dass eine gute Zeit möglich sein würde“, so eine freudestrahlende Eva Dieterich, die mit einem Quantensprung auf 31:56,58 ihre Bestzeit um gleich 21 Sekunden steigern konnte. „Ich habe mich nach der Hälfte noch sehr gut gefühlt und bin dann weggezogen!“ Mit dieser überzeugenden Vorstellung blieb sie unter der vom DLV geforderten Qlympia-Leistungsbestätigung von 32:00 Minuten und hat natürlich auch die EM-Norm von 33:00 im „Vorbeigehen“ geschnappt.

Das Nachsehen hatte Miriam Dattke, die letztlich aber als Zweite keinen Einbruch hatte und mit 32:17,50 Minuten auch unter dem EM-Limit blieb. „Ich bin zufrieden mit dem Rennen, weil die Zielvorgabe nach vielen erfolglosen Normenjagden seit letztem Herbst diesmal auf Anhieb gelang. Am 18. Mai will ich nun noch bei der „Nights of pBs“ in London die 31er Zeit nachholen, um damit vielleicht über einen Quotenplatz Olympia möglich zu machen“.

Turbulent ging es letztlich im Kampf um die Bronzemedaille zu. Die sicher auf Position drei laufende Kira Weis wurde auf der Ziellinie gleich von zwei Läuferinnen (Fabienne Königstein und Eva Schultz) noch gestellt, lief aber als Fünfte in 33:06,40 souverän zum U23-Titel. „Leider musste ich ab 3000 m alleine laufen, bin aber zufrieden!“ Nach einer wenig zuversichtlich verlaufenen Vorbereitung geht nach Wassenberg für Kira nun mit ihrem Trainer Ralph Sagasser nach St. Moritz, um die nunmehr in Gang kommende Bahnsaison richtig in Angriff zu nehmen.

„Ich bin Spikes natürlich nicht mehr gewohnt“, hatte Fabienne Königstein vor dem Rennen wenig zuversichtlich geklungen, zumal eine Erkältung ihren Trip zum Boston-Marathon vermieste. Doch in einer namhaften Verfolgergruppe, zu der neben der überraschend stark auftrumpfenden Eva Schultz auch noch Svenja Pingpank und die U23-Läuferinnen Mia Jurenka und Kiara Nahen gehörten, war die inzwischen in Karlsruhe lebende Fabienne die treibende Kraft – und wurde dank ihres kämpferischen Einsatzes mit Bronze in 33:04,62 Minuten belohnt. Bei einem hauchdünnen Vorsprung von einer Zehntelsekunde auf Eva Schultz, der mit ihrem mutigen Rennen ein absoluter Quantensprung gelang.

Mit offenbar Superbenzin im Tank drehte Viktor Plümacher im 5000 m-Lauf der U20 auf der Ziellinie einen schon eher aussichtslosen Rückstand zu Rang eins – und fing Lennart Zehfeld im Titelkampf noch ab. Obgleich sowohl Viktor Plümacher als auch Lennart Zehfeld mit 14:47,68 bzw. 14:49,25 Minuten Bestzeiten liefen, sind diese, geschuldet dem eher beschaulichen Anfangstempo, vom internationalen Niveau noch deutlich entfernt.

Hohes Tempo auf der Jagd nach der WM-Norm (16:30,00) und ein laufstarkes Trio mit einem Dreikampf um die Medaillen bis ins Ziel hinein – das 5000 m-Rennen der weiblichen U20 war ein absolutes Highlight der Meisterschaften. Mit Adia Budde hatte letztlich die U20-EM-Hinderniszweite des Vorjahres die beste Spurtqualitäten auf der Zielgeraden, die einen Kopf kleinere Franziska Drexler holte Silber vor Emily Junginger. Und die Zeiten mehr als beachtlich, mit 16:14,32 lief Adia ebenso Bestzeit wie auch Franziska mit 16:20,35 und Emily mit 16:25,28 – und übrigens die vier Nächstplatzierten des Rennens!

„Es ist schön, wenn man noch eine weitere Karte hat! Meine Vorliebe gilt jedenfalls den Hindernissen, heute war dies ein toller Härtetest“, so Adia Budde, die ggf. die beiden Startplätze für die Weltmeisterschaften in Lima ihren geschlagenen Konkurrentinnen überlassen könnte, da sich die hochaufgeschossene Läuferin aus dem Schleswig-Holsteinschen für die Hindernisdistanz entscheiden dürfte.

Begonnen hatte der Reigen um die Meisterschaftsmedaillen am Nachmittag mit den Starts der Senioren über 5.000 m, die 2023 anstelle der bisher gewohnten 10.000 m als längste Bahndistanz getreten sind. Und pünktlich zum (ersten) Start der Kategorien W55 bis W90 setzte mit aller Stärke der Regen ein. Unbeirrt drehte dabei Gabi Baltruschat (W55) mit einem beeindruckenden Soloauftritt ihre Runden und lag mit 19:30,37 Minuten gleich mehr als eine Minute vor der Konkurrenz. Gold löste einmal mehr Margret Göttnauer als Gewinnerin der W70 in bemerkenswerten 22:35,85 ein, eine Zeit, die nur sieben Sekunden über ihrem eigenen Deutschen Rekord lag.

Als Duo zogen Anna-Lina Dahlbeck (W40) und Ira Achenbach (W35) an der Spitze der W35 bis W50 Runde um Runde davon, ehe Anna-Lena Dahlbeck nach 18:11,42 doch noch zu einem deutlichen Sieg kam.

Während Klaus Prieske (M60) im Lauf der M60-M90 zu einem ungefährdeten Sieg in 17:41,45 (zudem Bestzeit) kam, reizten sich im kurzfristig geteilten Rennen der M50/M55-Läufer Markus Mey und Johannes Ritter nahezu die gesamten zwölfeinhalb Runden, ehe Markus mit einem beherzten Antritt den Sieg in diesem Lauf klar machen konnte. Wäre freilich nicht einmal notwendig gewesen, denn der Kölner gewann die M50, Johannes die M55.

Ein wie entfesselt sprintender Danny Schneider (M45) sicherte sich im letzten Mastersrennen (M35-M45) vor dem „Hauptprogramm“ der U20 und Männer und Frauen den Tagessieg in 15:14,78 Minuten vor Christian Wiese (15:17,12/ M40), Philipp Sprotte (15:17,74/ M35) und Sebastian Kohlwes (15:21:97).

Wilfried Raatz

 

 

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