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07
03
2024

Die Männerspitze mit v.l. Jonathan Dahlke, Hendrik Pfeiffer, Tom Förster (verdeckt), Mamiyo Nuguse Hirsuato, Frederik Ruppert und Richard Ringer - Foto: Wilfried raatz / wus-media

Frühlingserwachen für Zwei- und Vierbeiner – 3500 Meldungen bedeuten Rekordbeteiligung beim 42. Straßenlauf „Rund um das Bayerkreuz“, das Salz in der Suppe waren jedoch die Deutschen 10 km-Meisterschaften mit schnellen Resultaten und einigen Überraschungen von Wilfried Raatz

By GRR 0

So sehr sich das Organisationsteam des TSV Bayer Leverkusen auch Mühe gab, für manche dürften die in die große Traditionsveranstaltung vor den Toren des Chemiekonzerns eingebetteten deutschen 10 km-Titelkämpfe aufgrund von technischen Problemen mit einem faden Beigeschmack in Erinnerung bleiben.

Die Zeiten waren durchgängig überaus ansprechend wie auch die wärmende Frühlingssonne am Himmel, jedoch dauerte es nahezu zwei Stunden nach dem Startschuss, bis Ungereimtheiten einigermaßen beseitigt waren, damit eine ordnungsgemäße Siegerehrung durchgeführt werden konnte.

Dass einige der zu Ehrenden bereits zu diesem Zeitpunkt die Heimreise angetreten hatten, dafür konnten die Organisatoren sicherlich wenig. Lange Schlangen protestierender Läufer vor dem Büro des Zeitmessungs-Dienstleister Cologne timing verrieten einige Unzulänglichkeiten bei der Erfassung. Und dieser schickte am Dienstag an alle Vereine der Deutschen Meisterschaften eine Erklärung für den Fehlerteufel und eine Entschuldigung.

„Leider gab es vorgestern in Leverkusen ein technisches Problem bei der Zeiterfassung. Betroffen waren die mit einem Zeitmesschip versehenen Startnummern 10001 bis 10180. Es fehlte hier die Möglichkeit, Daten von den Erfassungssystemen in die Software zu überspielen. Infolgedessen mussten bei einigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Daten über das Kamerasystem eingepflegt werden. Die Richtigkeit der Daten konnte gewährleistet werden. Die Auswertung und Ergebnisdarstellung erfolgte mit dem Backup-System nach den Regeln und unter Aufsicht des DLV und waren damit korrekt.

Bedauerlicherweise ergaben sich durch die Nutzung der Kameraauswertung aber deutliche Verzögerungen bei den Siegerehrungen. Für diesen Umstand möchten wir uns bei euch allen entschuldigen. Die vorgestrige Geschwindigkeit bei der Zurverfügungstellung der Ergebnisse entspricht nicht unserem eigenen Anspruch“, soweit Cologne Timing GmbH. Und schob zugleich noch einen Satz betreffend des ausrichtenden TSV Bayer Leverkusen nach: „Es ist uns wichtig zu betonen, dass der TSV 04 Bayer Leverkusen als Ausrichter sowie der DLV als Verantwortlicher für die DM-Wertung keinen Einfluss auf die Wartezeiten bei den Siegerehrungen hatten!“

Plausch mit Paule, Sehne, Lothar und Co.

Mit „Schwamm drüber“ ist es freilich nicht alleine getan, wie schon bei früheren Titelkämpfen auf der Straße oder im Crossgelände kam es leider immer wieder vor, dass die Fülle von Sonderwertungen von einigen Zeitmess-Dienstleistern unterschätzt wurde bzw. die Einweisung nicht akkurat durchgeführt wurde. Es ist schade, dass gerade solche Veranstaltungen wie diese in Leverkusen ein absoluter Treffpunkt von aktuellen und ehemaligen Läufern der großen Leichtathletik-Familie ein kleiner Makel anhaftet.

Genügend Raum zum Plausch gab es freilich genügend, schon alleine die wärmende Frühlingssonne (mit Temperaturen bis 18°) luden zum Verweilen ein. So sah man am Rande des 2,5 km-Rundkurses mit Start und Ziel an der Otto-Bayer-Straße viele Asse einstiger Tage wie (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) Paul-Heinz Wellmann, Hans-Jürgen „Sehne“ Orthmann, Martin Block, Brigitte Kraus, Manfred Nellessen oder auch Lothar Pöhlitz, der als früherer Bundestrainer inzwischen aus seinem umfangreichen Wissensfundus vieles journalistisch aufbereitet und veröffentlicht.

 Frauenspitze mit v.l. Roxana Cleppe (Belgien, verdeckt), Domenika Mayer, Esther Pfeiffer, Katharina Steinruck, Svenja Pingpank (leicht verdeckt) und Eva Dieterich – Foto: Wilfried Raatz / wus-media

Fotoshooting mit „Koko“

Betrachten wir die sportlichen Leckerbissen, die in überzeugender Vielfalt auf dem schnellen Rundkurs an der Spitze wie auch zumeist unentdeckt im großen, und zugegebener Maßen schwer überschaubaren, Feld produziert wurden. Bei Startfeldern von 1000 Läufern mit einem breiten Leistungsspektrum sind Überrundungen unvermeidlich und sorgen eher für eine gewisse Unübersichtlichkeit. Natürlich spielen die derzeit angesagten Asse eine bedeutsame Rolle, auch wenn die als Nachmeldung in den Startlisten registrierte Konstanze Klosterhalfen dann doch nicht gegen die Mayer, Steinruck und Co. ins Rennen ging. Stattdessen stand „Koko“ für ihren Verein bei der Siegerehrung auf der Bühne oder zeigte sich zu spontanen Fotoshootings bereit.

Richard Ringer: Auf der Strecke läuft es von alleine!

Das Bad in der Menge genoss sichtlich ein aufgeräumter Marathon-Europameister Richard Ringer, der über viele Wochen eher die „Einsamkeit des Langstreckenläufers“ praktizierte. Zuerst Kenia, dann Herxheim mit „Sleep high and train low“ mit reichlich polysportiven Einheiten, wie er im Gespräch im Zielauslauf erläuterte. Vor wenigen Minuten hatte er erst gerade den deutschen 10 km-Titel von Bad Liebenzell mit einem entfesselten Spurt erfolgreich verteidigt und dabei mit 28:33 Minuten sogar einen (Straßen-)Hausrekord aufstellen konnte. Und dies eher als Zwischenetappe auf dem Weg zu den Europameisterschaften in Rom und den Olympischen Spielen in Paris. Und der Stellenwert einer derartigen Meisterschaft in einem so bedeutsamen Jahr?

„Der Stellenwert ist natürlich nachrangig. Ich habe diese 10 km aus einer Umfangswoche von 130 Kilometern gelaufen. Es ist aber eine tolle Strecke, da läuft es von alleine! Der Start mit den vielen Teilnehmern ist nicht das Problem. Ich habe es allerdings etwas gebremst angehen lassen!“ Erst ein resoluter Zwischenspurt brachte ihn in die erste Startgruppe – und damit in eine Reihe mit den vermutlichen Medaillenanwärtern wie Hendrik Pfeiffer, Tom Förster, Jonathan Dahlke und Frederik Ruppert sowie den beiden aus Äthiopien stammenden Kefyalew Sileshi Kifle und Mamiyo Nuguse Hirsuato in den Vereinsfarben des SV Fun-Ball Dortelweil bzw. LAZ Gießen.

Als es in die Schussrunde ging, hing alleine noch mit Tom Förster der Überraschungsmeister von Saarbrücken an Richard Ringers Fersen. Mit seinem (inzwischen bekannten) Endspurt war der Titel für ihn eine klare Angelegenheit, hinter den beiden außer der Meisterschaftswertung und damit im „offenen Lauf“ gestarteten Afrikanern holte sich mit einer starken Schlussrunde Hendrik Pfeiffer die Vizemeisterschaft mit nicht minder starken 28:49 (ebenfalls Bestzeit) vor dem etwas resignierenden Tom Förster, der dennoch sicherer U23-Meister wurde.

„Privatduell“ der beiden Nachwuchshoffnungen Lukas Ehrle (11189) und Tristan Kaufhold (10957) – Foto: Wilfried Raatz / wus-media

Den ersten Platz neben den Medaillenrängen gab es für den inzwischen für den LAV Stadtwerke Tübingen startenden Frederik Ruppert, der mit 28:59 auch noch haarscharf unter der 29-Minuten-Marke blieb. Lokalmatador Jonathan Dahlke, lange Zeit mit viel Engagement in der Spitze mitlaufend, musste mit DM-Rang fünf und 29:15 ebenso zufrieden sein wie auch der direkt dahinter folgende Sebastian Hendel. Doch dieser hatte zumindest einen wichtigen Grund zur Freude, denn mit der LG Braunschweig und seinen Teamkollegen Tom Förster und dem M40-Meister und früheren deutschen Berglaufmeister Joseph Katib gewannen die Niedersachsen den Mannschaftstitel vor gleich fünf Mannschaften innerhalb von nur 14 (!) Sekunden. Vizemeister wurde der SSC Hanau-Rodenbach mit dem U18-Meister Tristan Kaufhold und den Brüdern Marius und Lukas Abele – und dies ohne ihren stärksten Athleten, nämlich Aaron Devor Bienenfeld.

Tristan gegen Lukas – über das Privatduell zweier Nachwuchshoffnungen

Für Insider zumindest wurde es auf den weiteren Rängen der Einzelwertung interessant, denn angesichts der Dichte der Finisher ist es selbst einem überaus versierten Moderator nahezu unmöglich, die Rosinen für die erfreulich vielen Zuschauer herauszupicken. Dabei lieferten sich einmal mehr Tristan Kaufhold und Lukas Ehrle erneut ein „Privatduell“ – mit dem besseren Ende für Tristan. Der 18jährige steigerte sich auf 29:41 Minuten und belegte mit dieser blitzsauberen Leistung Rang 10 der nationalen Overall-Wertung als U20-Meister.

Viel bedeutsamer jedoch ist, dass der SSC-Läufer den deutschen U20-Rekord von Sven Wagner (29:47/ 2020) um sechs Sekunden unterbieten konnte. Vor Jahresfrist hatte Tristan an gleicher Stelle übrigens schon U18-Rekord (30:03) gelaufen. „Mit 14:35 bin ich die ersten 5 km etwas zu schnell gelaufen, habe mir aber gesagt: Augen zu und durch!“ Als ob alles so einfach wäre, doch der 18jährige aus der Talentschmiede des SSC Hanau-Rodenbach hat einfach einen Lauf!

Und Lukas Ehrle? Der inzwischen an der Wingate University im US-Bundesstaat North Carolina Business Management studierende eigentliche Berglauf-Spezialist ist in der Saison 2024 der Jugendklasse entwachsen und eilt derzeit unter den Fittichen seines US-Coaches Pol Domemech von Hausrekord zu Hausrekord. Mit 8:18 (3000 m) und 14:12 (5000 m) hat Lukas gehörig Speed in den Beinen und steigerte seinen bisherigen Hausrekord auf nunmehr 29:44 Minuten – wobei er drei Sekunden hinter Tristan Kaufhold ins Ziel einlief und in der U23-Altersklasse auf den Bronzerang sprang. „Ich bin erst gestern zurückgekommen und konnte nicht einschätzen, wie sich der Jetlag auf mein Laufgefühl auswirken würde. Ich glaube aber, da wäre bei einer anderen Vorbereitung noch mehr drin gewesen!“

Der letztjährige U20-WM-Vierte im Berglauf und deutscher Berglaufmeister der Männer muss allerdings noch ausloten, ob er zur Titelverteidigung nach Zell-Unterharmersbach anreisen kann. „Ich bin mir derzeit unsicher, das muss mein Coach entscheiden….“.

Und einen weiteren Rekord gab es im dichtgedrängten weiteren Feld. Auf Position 44 lief der M45-Sieger Dirk Busch mit 30:39 Minuten ins Ziel – und steigerte seinen eigenen deutschen Rekord, resultierend vom Finallauf der Jügesheimer Winterlaufserie 2023/2024 mit 30:54 Minuten. Allerdings „musste“ er so schnell laufen, denn mit Danny Schneider schaffte sein M45-Konkurrent und vielfacher deutscher Meister in direkter Verfolgung 30:51 Minuten.

U18-Meister wurde der eigentliche Triathlet Lukas Bugar vom südhessischen VfL Münster, der in 31:43 Minuten direkter Nachfolger von Tristan Kaufhold wurde. Mögliche Ambitionen in der Leichtathletik wehrt er allerdings ab: „Triathlon wird mein Hauptaugenmerk bleiben, da ich auf kürzeren Distanzen zu langsam bin. Gegen einen Doppelschlag bei den Triathlonmeisterschaften in Jena hätte ich auf keinen Fall etwas einzuwenden!“

Domenikas Tempoarbeit nicht belohnt – „Katha“ spurtstärker

Direkt nach dem (zu) großen Männerfeld gingen die Frauen an den Start – ohne die angekündigten Konstanze Klosterhalfen und Hanna Klein, die im Training gestürzt war und aus diesem Grund dem Start in Leverkusen fernblieb. Nach einer Phase des Taktierens gestaltete sich das Rennen wie erwartet zum Zweikampf zwischen den Marathonläuferinnen Domenika Mayer und Katharina Steinruck. Dazu gesellten sich bis nach der Streckenhälfte auch Esther Pfeiffer und Eva Dieterich, anfangs auch Svenja Pingpank und die Belgierin Roxane Cleppe.

Auf der langen Zielgeraden musste letztlich die Entscheidung fallen, da Domenika ihre hartnäckige Verfolgerin Katharina zuvor nicht abschütteln konnte. Und diese zündete den Turbo und kam etwas überraschend zum Titelgewinn in 32:06 Minten, vier Sekunden hinter dem Streckenrekord von Sabrina Mockenhaupt aus dem Jahr 2013. Für die Vorjahresmeisterin blieb „nur“ Rang zwei in 32:10. „Es ist schon bitter, wenn Meni 9,9 km führt und dann auf den letzten Metern abgekocht wird“, zeigte sich Ehemann Christan Mayer maßlos enttäuscht.

„Ich habe vielleicht mit einer Medaille gerechnet“, gestand Katharina Steinruck nach dem Überraschungscoup, „zumal man nicht genau wusste, wer nun tatsächlich laufen würde!“ Noch Ende Januar hatte sie in Osaka einen Marathonlauf bestritten und trotz Bestzeit den erhofften „Zug zu den Olympischen Spielen“ knapp verpasst. „Das Tempo war super schnell, was ich eigentlich überhaupt nicht trainiert hatte. Für mich galt eigentlich nur: Bis zum Ziel festbeißen! Ich muss allerdings sagen, dass Domenika das mega gemacht hat!“

Esther Pfeiffer lief ein starkes Rennen und schaffte mit 32;37 nicht nur einen neuen Hausrekord mit einer Steigerung von mehr als einer Minute, sondern auch die Bronzemedaille, die zweite Medaille übrigens nach ihrem Ehemann Hendrik, der direkt im Wettbewerb zuvor die Silbermedaille gewann.

Dahinter schlug die Stunde für die enorm verstärkte LAV Stadtwerke Tübingen, denn Eva Dieterich (Vierte), die U23-Meisterin Lisa Merkel (Fünfte) sowie die Berglauf-Spezialistin Hanna Gröber (Neunte) sicherten die Goldmedaille für die Schwaben. 32 Sekunden dahinter die bislang auf Gold abonnierte LG Telis Finanz Regensburg, der SCC Berlin mit Rabea Schöneborn und die zweite Mannschaft der LAV Stadtwerke mit der W40-Meisterin Sabrina Mockenhaupt belegten die Plätze drei und vier.

Erfreulicher Auftritt der Jüngeren im Frauenfeld

Erfreulich stark präsentierten sich die jungen Jahrgänge im Frauenfeld. Neben Lisa Merkel als U23-Meisterin sind hier insbesondere die siebtplatzierte U20-Meisterin Franziska Drexler mit 33:34, Carolina Schäfer (33:53) als U23-Zweite auf Rang zehn und vor allem Julia Ehrle zu nennen, die als 16jährige mit 34:28 die U18-Meisterschaft für sich entscheiden konnte.

Bleibt noch ein Blick auf die Masterskategorien im Rahmen der Meisterschaften. Hier sind vor allem Miguel Molero-Eichwein als Sieger der M55 in 32:51 und Sandra Morchner als Siegerin der W50 in 35:43 zu nennen. Übrigens gab es in Leverkusen ein Wiedersehen mit Susanne Hahn, die die W45-Wertung in 36:26 gewann.

 Fachsimpeln am Rande der Strecke mit v.l. Manfred Nellessen, Hans-Jürgen „Sehne“ Ortmann und Paul-Heinz Wellmann – Foto: Wilfried Raatz / wus-media

Zwei- und Vierbeiner geben Gas

Unter dem Motto „Rund um das Bayerkreuz meets 10 Kilometer DM“ gab ein sattes Rahmenprogramm, das mit einem kuriosen Auftakt am frühen Sonntagmorgen gestartet wurde. Der 6-Pfoten-Lauf sprach Herrchen und Frauchen an, die ihre liebsten Trainingsbegleiter auf vier Pfoten zum Start brachten. 300 (!) derartiger Sechs-Pfoten-Paare gingen auf die 2,5 km lange Strecke. Bei ungezähmter Power musste so mancher Zweibeiner schon in den „roten Bereich“ bis zur Ziellinie gehen.

Viel Volk war gewiss über die 5 km bzw. 10 km unterwegs. Nur so ist die neue Rekordbeteiligung von 3500 Meldungen zu verstehen. Darunter auch mit Leonie Konczalla eine in der Bundesliga startende Triathletin des Tri Team Hamburg.

Die 33jährige Fachärztin und aktuell als Profiathletin unterwegs, qualifizierte sich übrigens als Siebte und zweitbeste Deutsche beim Ironman in Frankfurt für das Weltchampionat auf Hawaii – wesentlich kürzer wurde es am Bayerkreuz, denn für die 10 km-Strecke benötige sie 34:44 Minuten.

Wilfried Raatz

 

 

 

 

 

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