Michael Reinsch - Foto: Horst Milde
Spitzensportreform am Ende? Regierung bremst DOSB aus – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Die seit bald zehn Jahren angestrebte Spitzensportreform scheint gescheitert.
Nach Bekanntgabe, dass der Referentenentwurf für ein Sportfördergesetz zur Abstimmung an die anderen Ministerien gehe, reagierte am Freitag der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) innerhalb weniger Stunden mit dem Vorwurf, das Ministerium gefährde damit die Ziele der Leistungssportreform.
Das Gesetz gilt als Grundlage für die Gründung der Unabhängigen Agentur zur Förderung und Führung des Spitzensports, die sowohl Bund wie auch Sport anstreben. Laut DOSB soll Personal des Bundesverwaltungsamts in der Agentur beschäftigt werden, was er als „Fortführung der überbordenden Verwaltungsprozesse“ bezeichnet.
„In einer ersten Analyse des Entwurfs stellen wir ernüchtert fest, dass das BMI mit diesem Gesetzentwurf nach über zwei Jahren gemeinsamer intensiver Arbeit an einer Reform des Leistungssports und der Spitzensportförderung die bisher vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem organisierten Sport in Frage stellt“, heißt es in einer Stellungnahme des DOSB.
„Wir erreichen keinen neuen Ansatz damit“, sagte Torsten Burmester, der Vorstandsvorsitzende des DOSB, am Freitag der F.A.Z.: „Die Ziele, die wir ursprünglich verfolgt haben, werden mit dem vorliegenden Entwurf nicht erreicht, insbesondere was die Themen Entbürokratisierung, Flexibilität und Effizienz angeht; da bleiben wir deutlich hinter dem zurück, was vereinbart war. Wir erwarten ein klares Bekenntnis des Bundes zur Spitzensportförderung.“
In dem Entwurf fehlt eine Fortschreibung der Spitzensportförderung in der derzeitigen Höhe von 300 Millionen Euro im Jahr.
„Das ist wenige Monate vor den Olympischen und Paralympischen Spielen in Paris eine herbe Enttäuschung für die Athlet*innen und für den gesamten organisierten Sport in Deutschland nicht akzeptabel“, lässt sich DOSB-Präsident Thomas Weikert in der Mitteilung seines Verbandes zitieren.
Auch er kritisiert, dass nicht Verkrustung und Hemmnisse beseitigt, sondern durch den Status der Agentur institutionalisiert werden: „Von einer Unabhängigkeit der Agentur kann man angesichts der ihr in diesem Entwurf durch den Bund angelegten Fesseln nicht mehr sprechen“, klagt Weikert: „Wir werden uns diesem im Interesse der Athlet*innen und des Spitzensports in Deutschland im weiteren Verfahren deutlich entgegenstellen.“
Jens Nettekoven, DOSB-Vizepräsident und Mitglied des Lenkungskreises für die Reform, kritisiert: „Wir wollten Prozesse vereinfachen, damit sich Trainer*innen und Leistungssportpersonal darauf konzentrieren können, Athlet*innen besser zu machen und weiterzuentwickeln. So werden wir das nicht erreichen, im Gegenteil, künftige Erfolge auf Spitzenniveau werden erschwert, und es stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Projektes.“
Nach Planung des BMI soll der Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause ins Kabinett und noch 2024 vom Parlament verabschiedet werden. Die Agentur soll demnach 2025 als öffentlich-rechtliche Stiftung die Arbeit beginnen. Ihr soll die Verteilung der staatlichen Spitzensportförderung sowie die Leitung des Spitzensports übertragen werden.
In der Begründung des Gesetzes heißt es: „Die bestehenden Rahmenbedingungen im deutschen Spitzensport stellen keine ausreichende Grundlage für zukünftige Erfolge auf Spitzenniveau dar. Das Erreichen sportlicher Zielstellungen – insbesondere von einer Top-5-Platzierung bei den Olympischen Sommer- und von einer Top- 3-Platzierung bei den Olympischen Winterspielen in der Nationenwertung – gerät vor diesem Hintergrund in immer größere Gefahr.“
Dies gilt auch für die sportpolitischen Ziele der Ampel. Nach dem Scheitern des Sportentwicklungsplans mitsamt dem sogenannten Bewegungsgipfel, mit dem Bund, Länder und Verbände den Sport als Querschnittsaufgabe praktisch aller gesellschaftlicher Bereiche etablieren wollte, ist der Zwist von Ministerium und Sport der nächste Rückschlag.
Von einer aussichtsreichen Bewerbung um Olympische Spiele, die Sport und Staat gemeinsam tragen müssten und die ebenfalls ein sportpolitisches Ziel der Ampel ist, kann unter diesen Umständen keine Rede mehr sein.
Bleibt als letztes und einziges sportpolitisches Großprojekt, auf das sich SPD, Grüne und FDP im Koalitionsvertrag einigten, das Zentrum für Safe Sport zum Schutz von Athletinnen und Athleten vor Übergriffen.
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Freitag, dem 1.3.2024