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26
07
2017

Gretel Bergmann: "Vergessene Rekorde" eine Ausstellung vom 21. Juni bis 23. August 2009 im Centrum Judaicum in Berlin aus Anlaß der WM in Berlin ©Horst Milde

Gretel Bergmann im Alter von 103 Jahren in New York gestorben

By GRR 0

Die ehemalige deutsche Hochspringerin Gretel Bergmann, die als Jüdin nicht an den Olympischen Spielen 1936 in Berlin teilnehmen durfte, ist am Dienstag im Alter von 103 Jahren in ihrem Haus im New Yorker Stadtteil Queens gestorben, wie die "New York Times" mitteilte.

Sie gehörte in den 1930er Jahren zu den Besten ihrer Disziplin, das NS-Regime verweigerte ihr den Start an den Spielen in Berlin. 

Leben und sportliche Erfolge (Wikipedia)

Gretel Bergmann war die Tochter eines Fabrikanten (Bergmann GmbH & Co. KG) aus der oberschwäbischen Kleinstadt Laupheim.

Sie begann ihre Karriere in ihrem Heimatort. 1930 trat sie für den Ulmer Fußball-Verein 1894 (UFV) an und erreichte als 16-Jährige bei den süddeutschen Meisterschaften im Hochsprung mit 1,47 m den zweiten Platz. Im folgenden Jahr gewann sie den Titel mit einer übersprungenen Höhe von 1,46 m; vorher war sie bereits mit 1,50 m süddeutsche Jahresbestleistung gesprungen.

Auch 1932 wurde sie Süddeutsche Meisterin. Trotz anhaltender Überlegenheit in der Region trat sie bei deutschen Meisterschaften nicht in Erscheinung.An den Olympischen Spielen 1932 nahm Helma Notte als einzige deutsche Hochspringerin teil.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Gretel Bergmann im April 1933 wegen ihrer jüdischen Herkunft aus ihrem Sportverein ausgeschlossen. Daraufhin verließ sie Deutschland und nahm am 30. Juni 1934 für den Polytechnics Ladies A.C. an den offenen britischen Meisterschaften (Women’s A.A.A. Championships) teil. Dabei gewann sie den Hochsprung mit 1,55 m.

Das NS-Regime zwang Gretel Bergmann zur Rückkehr und zum Training für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin, indem es ihrer in Deutschland verbliebenen Familie mit Repressalien drohte. Hintergrund war sein Ziel, Deutschland als weltoffenes und tolerantes Land zu präsentieren.

Entscheidend dürfte auch gewesen sein, dass die Amerikaner die Teilnahme deutscher Juden forderten, da sie andernfalls die Spiele boykottiert hätten. Ohne geeignete Trainingsmöglichkeiten war ihre Lage im Hinblick auf einen Wettkampf erschwert, da es gleichwertige Traininingsmöglichkeiten für Juden im NS-Deutschland nicht mehr gab. Obwohl sie ins Olympia-Team sollte, durfte sie in keinem Verein starten. Sie war stundenlang unterwegs, um in Stuttgart auf einem Sportplatz zu üben.

Trotz dieser Widrigkeiten übersprang sie im Sommer 1935 bei den Frauen-Olympiaprüfungskämpfen in Ulm erneut 1,55 m und einige Wochen später, Anfang Juli, gewann sie die Württembergische Meisterschaft mit 1,50 m.

Zu den Olympiaprüfungskämpfen unmittelbar danach in Hamburg wurde sie jedoch nicht hinzugezogen (12 Springerinnen nahmen teil) und bei den deutschen Meisterschaften am 3. und 4. August des Jahres fehlte sie ebenfalls, obwohl von den 20 Teilnehmerinnen nur vier in dem Jahr höher gesprungen waren.

Am 25. August gewann sie bei den Reichsmeisterschaften des Sportbundes Schild und kam abermals auf 1,55 m.

Im Olympiajahr verteidigte Bergmann Ende Juni ihren Meistertitel in Württemberg; dabei stellte sie den deutschen Rekord (1,60 m) ein. Dieser Rekord wurde erst 2009 vom DLV offiziell anerkannt,  allerdings war Bergmann gleich anschließend in der Tagespresse als Olympiahoffnung sowie Mitfavoritin bei der deutschen Meisterschaft hervorgehoben worden.

Es wiederholte sich die Abfolge des Vorjahres: Die Chance, ihre Leistung bei der DM am 12./13. Juli in Eichkamp bei Berlin zu bestätigen, erhielt Gretel Bergmann nicht. In der Fachpresse fehlte ihr Name schon in der Vorschau. Auch im Wettkampfbericht eine Woche später wurde auf Bergmanns Abwesenheit nicht eingegangen (es gewann Dora Ratjen vor Elfriede Kaun).

Kurz vor Beginn der olympischen Wettkämpfe teilte der Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten Gretel Bergmann mit, sie werde nicht berücksichtigt, weil ihr Leistungsstand nicht ausreichend sei. Nominiert wurden Ratjen und Kaun, die ebenfalls schon 1,60 m übersprungen hatten; der dritte Startplatz blieb unbesetzt. Um einen öffentlichen Skandal während der Olympischen Spiele zu verhindern, wurde ihr Heimtrainer für die Dauer der Spiele in Schutzhaft genommen.

Im folgenden Jahr war Bergmanns Leistung aus der Weltbestenliste in Deutschland bereits getilgt. Sie wanderte in die Vereinigten Staaten aus. Mit Gelegenheitsarbeiten verdiente sie sich ihren Unterhalt. 1937 heiratete sie den aus Deutschland stammenden Arzt Bruno Lambert, der mit ihrer finanziellen Unterstützung aus Deutschland ausgewandert war.

Mit ihm lebte sie über 75 Jahre zusammen, bis er im November 2013 im Alter von 103 Jahren starb. Er war auch Sportler und kam 1938 in die USA nach; aus seiner Familie überlebte niemand den Holocaust. Auch Bergmanns Familie blieb nicht von NS-Verfolgung unberührt. Ihr Vater hatte sechs Wochen in einem NS-Lager verbracht und litt sein Leben lang an den gesundheitlichen Folgeschäden.

Margaret Bergmann-Lambert gewann auch in den USA die nationalen Meisterschaften im Hochsprung (1937, 1938) und im Kugelstoßen (1937). Mit Kriegsbeginn 1939 war ihre sportliche Karriere beendet, und sie widmete sich ihrer Familie und der Kindererziehung. 1942 erhielt sie die amerikanische Staatsbürgerschaft. Sie lebte im Stadtteil Jamaica in Queens, New York City.

Ehrungen

Im Jahr 1980 wurde Margaret Bergmann-Lambert in die International Jewish Sports Hall of Fame aufgenommen, 1995 erfolgte die Aufnahme in die US-amerikanische National Jewish Sports Hall of Fame and Museum.

1999 erhielt sie den Georg von Opel-Preis.

2012 wurde sie in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen.

Sportstätten in Berlin und Laupheim und eine Schule im Hamburger Stadtteil Neuallermöhe wurden nach ihr benannt.

2014 erhielt sie die Staufermedaille in Gold und die Bürgermedaille der Stadt Laupheim.

Im Olympiapark Berlin wurde im August 2014 der bislang unbenannte Weg an der ehemaligen Dienstvilla des Reichssportführers Hans von Tschammer und Osten als „Gretel-Bergmann-Weg“ eingeweiht.

Die französisch-deutsche Hochspringerin Marie-Laurence Jungfleisch gratulierte im Namen des gesamten Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) am Tage ihrer erneuten deutschen Hallen-Meisterschaft 2014 Bergmann zum 100. Geburtstag.

Filmische Rezeption

Im August 2008 wurde Gretel Bergmanns Leben von der Gemini Film für das Kino verfilmt. Der Film lief am 10. September 2009 in den deutschen Kinos unter dem Titel Berlin 36 an.

Die Regie führte Kaspar Heidelbach, die Rolle der Gretel Bergmann spielte Karoline Herfurth. Darin wird auch im Rahmen künstlerischer Freiheit unter anderem eine Beziehung zu einer „Marie Ketteler“ (reale Olympiateilnehmerin: Dora Ratjen) aus dem Olympiakader dargestellt, die nach den Unterlagen so nicht stattgefunden hat.

Im ARD-Dokudrama Der Traum von Olympia – Die Nazispiele von 1936 (2016) wird Gretel Bergmanns verhinderte Olympiateilnahme ebenfalls thematisiert, diesmal wird sie von Sandra von Ruffin dargestellt.

Themengleich:

Der Traum von Olympia – Die Nazi-Spiele von 1936 – Reportage & Dokumentation – Montag, dem 18. Juli 2016 um 21 Uhr 45

HEUTE: Der Traum von Olympia – Die Nazi-Spiele von 1936 – Samstag, 16. Juli um 20:15 Uhr (89 Min.) auf ARTE

Opfer eines üblen Spiels – Die einstige Hochsprung-Rekordlerin Gretel Bergmann wird 100 – MICHAEL GERNANDT in der Süddeutschen Zeitung

Der Fall Gretel Bergmann: „Hitlers Angst vor dem jüdischen Gold“ – Christian Frietsch – Die Buchvorstellung der Nomos Verlagsgesellschaft

„Vergessene Rekorde – Jüdische AthletInnen vor und nach 1933" in Wiesbaden ab 27. Januar 2013 im frauen museum wiesbaden

Olympische Spiele 1936 – Der verbotene Himmel – Joachim Huber im Tagesspiegel – „Berlin 36“, 20 Uhr 15, ARD

Berlin ’36 – Jutta Braun / Berno Bahro – Das Buch zum Film – Historische Originaldokumente und -fotos werden durch Aufnahmen aus dem Film und einem Vorwort des Drehbuchautors ergänzt

"Vergessene Rekorde" eine Ausstellung vom 21. Juni bis 23. August 2009 im Centrum Judaicum in Berlin – Jüdische Leichtathletinnen vor und nach 1933 – Horst Milde berichtet

 

 

 

author: GRR

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