Manfred von Richthofen - Foto: DSB
Im Gedenken an den Berliner Sportfunktionär Manfred von Richthofen – Der letzte Präsident des DSB wäre jetzt 90 Jahre alt geworden
Manfred Freiherr von Richthofen, der letzter Präsident des Deutschen Sportbunds (DSB), wäre am 9. Februar dieses Jahres 90 Jahre alt geworden.
Manfred von Richthofen hatte das höchste Ehrenamt im organisierten Sport im Jahre 1994 von Hans Hansen (1926-2007) übernommen und dann maßgeblich die Vereinigung des DSB mit dem Nationalen Olympischen Komitee (NOK) zum heutigen Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) vorangetrieben. Die Gründungsfeier mit mehreren hundert geladenen Gästen fand am 20. Mai 2006 u.a. in Anwesenheit der damals amtierenden Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Frankfurter Paulskirche statt.
Manfred von Richthofen wurde auf der Gründungsversammlung des DOSB zum ersten Ehrenpräsidenten gewählt und zählt zu den bedeutendsten Persönlichkeiten des Sports in Deutschland im Übergang vom 20. in das 21. Jahrhundert. Anlässlich seines 80. Geburtstages heißt es in einer Glückwunschadresse des DOSB an einer Stelle: „Dem Spitzen- wie dem Breiten- und Freizeitsport gleichermaßen verbunden, ließ Manfred von Richthofen nie Zweifel daran aufkommen, dass man Rekorde und Medaillen sowie Sportabzeichen- und Schulsport-Erfolge sportpolitisch durchaus in einem Atemzug benennen könne und sogar müsse“.
Der gebürtige Berliner und Neffe des gleichnamigen Kampffliegers „Der Rote Baron” hatte an der FU Berlin Sport und Sozialpädagogik studiert und war u.a. auch als Oberliga-Hockeyspieler und Trainer im Berliner Hockeyverband aktiv. In den 1960er Jahren arbeitete er als Sportlehrer und Lehrer für Politische Weltkunde am Berliner Canisius-Kolleg. Ab 1969 war von Richthofen zuerst als hauptamtlicher Direktor im Landessportbund (LSB) Berlin tätig und hat dann von 1985 bis 2000 als ehrenamtlicher Präsident dort gewirkt. Ihm war in Berlin und später auf Bundesebene das „Reüssieren“ auf der große Bühne der Politik genauso wichtig wie das „Kümmern“ um die Vereinsbasis: „Die Sportvereine sind die Sozialstation unserer Gesellschaft“ lautet ein viel zitierter Satz von ihm, der heute den verbalen Sockel der Manfred- und Reinhard-von-Richthofen-Stiftung bildet, die Sport-Stipendien für junge Sportlerinnen und Sportler aus dem Raum Berlin vergibt, um deren Sport optimal mit dem beruflichen Werdegang zu verbinden.
Gemeinsam mit dem früheren Bundesinnenminister Otto Schily (91) ergriff von Richthofen die Initiative zur Gründung der Nationalen Doping Agentur Deutschland (NADA), dem heutigen Kompetenzzentrum für Anti-Doping-Arbeit, die sich als 2002 gegründete Stiftung für Fairness und Chancengleichheit im „sauberen“ Sport einsetzt. In seinem Band mit Porträts wichtiger Persönlichkeiten des Sports charakterisiert der langjährige DSB-Chronist Friedrich Mevert (87) den Jubilar von Richthofen ausführlich und hat dazu treffend diese Überschrift gewählt: „Kritischer Geist mit erfolgreichem Wirken“.
An dieses erfolgreiche Wirken erinnert sich auch der frühere DSB-Generalsekretär, Norbert Wolf (90), mit viel positiven Ereignissen und Erlebnissen gerade während der Phase der deutschen Vereinigung im Sport Anfang der 1990er Jahre, als Manfred von Richthofen bereits DSB-Vize-Präsident war: „Wir reisten durch ganz Ostdeutschland, besuchten dort jedes Bundesland, um den ehemaligen DDR-Kollegen in längeren Sitzungen bei der Bildung von Landessportbünden zu helfen. Denn bis dahin gab es ja dort nur Bezirkssportbünde. Es bleibt mir unvergesslich, wie Manfred von Richthofen und ich uns bei diesen Treffen mit unseren Erfahrungen gegenseitig hervorragend ergänzten“. Nur einmal gingen deren Meinungen offenbar „kritisch“ auseinander: von Richthofen wollte den Sitz des DSB von Frankfurt nach Berlin verlegen: „Ich protestierte heftig – zum Glück mit Erfolg“, sagt Norbert Wolf heute mit einem Schmunzeln.
Wenige Jahre vor seinem Tod hat Manfred von Richthofen eine Art Biografie mit der Überschrift „Positionen“ verfasst. Die elf Kapitel auf 160 Seiten reichen von Kindheit und Ausbildung über „Der Sprung an die Spitze des Sports im Land“ bis hin zu unvergessenen Begegnungen (u.a. mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, dem IOC-Präsidenten Jacques Rogge und mit der mehrfachen Paralympics Goldmedaillen-Gewinnerin Marianne Buggenhagen aus Berlin). Im elften und letzten Kapitel „Ausblicke“ gibt es dann sogar noch einen fünfseitigen Abschnitt zu der Frage: „Wie ein zeitgemäßer DOSB aussehen sollte“. Darin prognostiziert der Autor „organisatorische Veränderungen“ im DOSB und gibt ganz konkret u.a. diesen Tipp: „Die Sportdachorganisation sollte sich rechtzeitig mit den Organisationsstrukturen des Deutschen Gewerkschaftsbundes beschäftigen“. Das Buch mit diesen Zeilen hat Manfred von Richthofen im Jahre 2010 geschrieben – ob das ehrenamtliche Präsidium und der hauptamtliche Vorstand der heutigen DOSB diesen Fingerzeig immer noch nötig haben?
Der LSB Berlin hat sein „Haus des Sports“ in der Jesse-Owens-Allee 2 am Olympia-Stadion am 6. September 2019 in einer Feierstunde in „Manfred-von-Richthofen-Haus“ umbenannt. Damit hat der LSB Berlin in seiner Zentrale eine lange Tradition fortgesetzt, wichtige Persönlichkeiten, die großes für den Sport geleistet haben, im kollektiven Gedächtnis zu bewahren.
So lebt die Lebensleistung für den Sport eines Manfred von Richthofen in Berlin auch mit über 90 Jahren als Namensgeber des LSB-Domizils weiter. Manfred von Richthofen ist drei Monate nach seinem 80. Geburtstag am 1. Mai 2014 in Berlin gestorben.
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann