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2024

Wolfgang Meller 2018 beim ISTAF Indoor Berlin - Foto: Horst Milde

Wolfgang Meller – Ein Nachruf von Horst Milde

By GRR 0

Am 1. Januar 2024 ist Wolfgang Meller im Alter von 88 Jahren in Berlin verstorben. In der Fachwelt der Leichtathletik ist Wolfgang Meller hauptsächlich als anerkannter und erfolgreicher Trainer, Coach und Betreuer der Sprinter und Mittelstreckler vom Sport-Club Charlottenburg (SCC Berlin) bekannt geworden.

Wolfgang Meller wurde am 25. November 1935 in Berlin geboren. Er besuchte die Volksschule von 1942 bis 1947 in Berlin und Deetz (Sachsen-Anhalt), später von 1947 bis 1949 das Gymnasium „Zum Grauen Kloster“ in Berlin. Er paukte Französisch in Berlin (Ost), um an das „Französische Gymnasium“ in Berlin (West) zu kommen. Hier bestand er im März 1956 das Abitur.

Sein großes Interesse gehörte dem Sport. So belegte er folgerichtig die Fächer Leibeserziehung und Romanistik an der Freien Universität Berlin (FU Berlin) und studierte dort zehn Semester zwischen 1957 und 1964. Weitere Ausbildungswege waren von 1971 bis 1972 der Fachsportlehrer des LSB Berlin; im Jahre 1980 erlangte er den A-Trainer Schein des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV).

Schon neben dem Studium – und später auch im Beruf – arbeitete er von 1954 bis 1971 im Sport-Club Charlottenburg als Trainer für Sprint*, Mittelstrecke und Zehnkampf, zusätzlich zwischen 1969 und 1977 als Landestrainer des Berliner Leichtathletik-Verbandes (BLV) auch für Sprint und Mittel- bzw. Langstrecke. Von 1978 bis 1989 war er im SCC als Cheftrainer und ab 1990 als Blocktrainer Sprint tätig.

Sein Berufsweg führte ihn von 1965 bis 1970 als wissenschaftlicher Mitarbeiter in das Institut für Leistungsmedizin in Berlin in der Forckenbeckstrasse bei Prof. Dr. Harald Mellerowicz und ab 1971 als leitender Sportlehrer und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Landesleistungszentrum Sportmedizin ebenfalls beim Sportmediziner Mellerowicz.

Zu seinen Athleten aus dem Sprintbereich* zählen u.a. Jürgen Schröter, Michael Gruse, Armin Mohr, Lutz Hormann, Peter Mahlow, Hans-Hermann Dickhuth und Harald Leidicke. Zu den Athleten aus dem Mittel- und Langstreckenbereich gehören Gerhard Kopp, Bodo Tümmler und Frank Zimmermann. Der Arbeit „mit dem Athleten auf der Bahn“ im Mommsenstadion gehörte seine große Liebe und Leidenschaft.

Insbesondere die Staffeln über 4 x 100 m, ferner die 4 x 400 m Staffeln standen bei ihm im Vordergrund. Die 4 x 400 m Staffeln wurde Deutscher Vizemeister in Düsseldorf 1961*, die der Junioren Dritter 1962 in Berlin*.

Die 4 x 100m Staffel mit Peter Mahlow, Lothar Drygalski, Hans-Hermann Dickhuth und Harald Leidicke liefen 39.9 sec und wurden Dritter bei den Deutschen Meisterschaften (09.08.1970) in Berlin.

Das war schon ein „Meisterstück“ von Meller, denn diese 4 x 100 m Staffel  lief mit damaligen Vereinsrekord von 39.9 sec den favorisierten Konkurrenten aus der (alten) Bundesrepublik auf und davon.

Dabei ist aus heutiger Sicht zu bedenken, dass es in 1960er Jahren für Leichtathleten aus West-Berlin noch besonders schwer war, den Anschluss an die westdeutsche Entwicklung bzw. den DLV-Landesverbänden zu behalten und deren Standards zu erreichen.

Das Großereignis für die Leichtathleten Berlins (West) war bis 1969 der Großstaffellauf „Potsdam-Berlin“. Zuletzt mussten sich 25 Läufer auf die 8 km (vorher 25 km) aufteilen. Heute hätten viele Vereine Schwierigkeiten, überhaupt 25 Läufer aus einem Verein für eine derartige Staffel auf der Straße aufzutreiben. Aber Wolfgang Meller und sein unvergessenes Langstreckentrainer-Pendant im SCC, Arthur Lemcke, der „berühmte“ Uhrmachermeister aus der Kant-Straße in Charlottenburg, schafften es immer gemeinsam, diese „Truppe“ zusammenzubringen. Aus Lemckes Mittel- und Langstrecken-Truppe kamen Kubicki, Riesner, Papke und Milde*.Auch war es die Gemeinschaftsarbeit beider Trainer, die deutsche Traditionsstaffel über 3 x 1000 m erfolgreich mit zwei Deutschen Meisterschaften* und einer Vizemeisterschaft* mit ihren jeweiligen SCC-Athleten zu krönen.

Bodo Tümmler* war der Star unter den Athleten von Wolfgang Meller: Er wurde Europameister über 1500 m in Budapest 1966  und Olympiadritter 1968 in Mexico-City. Bodo Tümmler spricht bis heute davon, dass Meller ein „Visionär, ein ewiger Sucher und Tüftler, ein akribischer Arbeiter war, um aus jedem Athleten mit individualisierten Programmen das Beste herauszuholen“.

Die von Wolfgang Meller trainierten Athleten bewundern bis heute, dass er ein phänomenales Zahlengedächtnis hatte. Er wusste die Zeiten von Trainings- und Wettkampfergebnissen, Zwischenzeiten bis heute besser als die Athleten selbst.

Daneben faszinierte ihn unter den technischen Übungen der Stabhochsprung. So führte er bereits 1963 Dierk Bernhardt in Krefeld zur Deutschen Jugendmeisterschaft (4,17 m, damaliger Clubrekord). Und unter den Zehnkämpfern des Vereins war er für diese Disziplin selbstverständlich der kompetente und erfolgreiche Analyst und Berater mit der Folge individueller deutlicher Leistungssteigerungen.

Was jedoch die Wenigsten wissen: Wolfgang Meller war auch ausgebildeter Skilehrer. Von 1970 bis 1977 war er gewählter Sprecher der Landestrainer aller Sportarten in Berlin, das ist wohl Anerkennung genug. Er war ein Trainer, der sich immer im Hintergrund aufhielt und nicht das Licht der Öffentlichkeit suchte, aber dafür mit seiner Expertise seinen Athleten und den Fachleuten und seinen Kollegen imponierte.

Privat zählte er mit seinem feinen und hintergründigen Humor zu den charmanten und unterhaltsamen Zeitgenossen. Bis zuletzt war er Vorbild auch für seine zwei Kinder, mit denen er viele Reisen unternahm. Später, schon als er im Seniorenheim lebte, gab er für die Heimbewohner noch Lektionen für Bewegungsspiele.

Insgesamt 35 wissenschaftliche Publikationen, z.T. als eigene experimentelle Arbeiten (Grundlagen- und Anwendungsforschung) ergänzen sein schriftliches Berufsbild, das er der Nachwelt hinterlässt. An einem wissenschaftlichen Lehrbuch von Prof. Dr. Harald Mellerowicz (Training – Biologische und medizinische Grundlagen und Prinzipien des Trainings) war Wolfgang Meller ebenfalls beteiligt. Aufgrund seines umfassenden Wissens hätte es sicherlich zu mehreren Büchern gereicht, aber dazu kam es leider nicht mehr.

Wolfgang Meller traf sich regelmäßig mit seinen Athleten Bodo Tümmler und Gerhard Kopp in einem Café am Steubenplatz oder auch im größeren Kreis im Café der „Königlichen Gartenakademie“, um über vergangene Sportzeiten zu plaudern und die schönen und erfolgreichen Momente in Erinnerung zu halten.

So wusste er auch noch im höheren Alter, das („sein“) Leben im und für den Sport zu genießen.

Wir werden Wolfgang Meller nicht vergessen und danken ihm für das, was er in all den Jahren und Jahrzehnten für uns und die Leichtathletik geleistet hat.

Horst Milde

Ergänzungen die wichtig sind, damit die Leistungen der Athleten aus der Vergangenheit nochmal aufleuchten und gewürdigt werden können.

* Bodo Tümmler: Von 1964–1972 gewann er 15 Deutsche Meisterschaften (7-mal 1500 m, 2-mal Waldlauf-Kurzstrecke, 3 Staffeln – (davon 2 x die 3 x 1000 m Staffel (1964 und 1965) und 1 x die 4 x 800 m Staffel (1972) – 1 x 1500 m Halle, 2 x Juniorenmeister). 1965 und 1967 war er Studenten-Weltmeister über 1500 m, 1966 in Budapest Europameister über 1500 m und Bronzemedaillengewinner über 800 m, 1968 Olympiadritter über 1500 m in Mexico City hinter Kipchoge Keino (KEN) und Jim Ryun (USA).

* 400 m Jugend  1. Gerhard Kopp 48.7 sec am 3.8.1958 in Göttingen

* 800 m Junioren  1. Gerhard Kopp 1:51.8 min am 14.8. am 14.8.1960 in Kassel

* 4 x 400 m Staffel  Junioren 1. Rolf  Grieger, Manfred Skall, Ernst Wiener, Gerhard Kopp in  3:17.4 am 14.8.1960 in Kassel
* 4 x 400 m Staffel 2. Ernst Wiener, Michael Pautzke, Gerhard Kopp und Hölzel in 3:13,5 am 30.7.1961 in Düsseldorf
* 4 x 400 m Staffel 3. Junioren mit Hempel, Knut Radmer, Manfred Groeger und Michael Pautzke in 3:21,6 am 18./19. August 1962 in Berlin

* Stabhochsprung 1. Dierk Bernhardt mit 4.17 m am 3.8.1963 in Krefeld

* 4 x 400 m Staffel  Halle: 2. Rolf Wiebking, Gerhard Kopp, Manfred Gröger, Horst Milde in 3:24.6 am 1. Februar 1964 in Kiel
* 3 x 1000 m Staffel 1. Gerhard Kopp, Horst Milde, Bodo Tümmler in 7:17,6 am 19.7.1964 in Karlsruhe
* 3 x 1000 m Staffel 1. Gerhard Kopp, Horst Milde, Bodo Tümmler in 7:13,8 am 6.8.1965 in Duisburg
* 3 x 1000 m Staffel 2. Horst Milde, Peter Kubicki, Bodo Tümmler in 7:04,0 am 17.7.1966 in Hamm/Westfalen
* 3 x 1000 m Staffel 1. Junioren – Michael Birkner, Knut Radmer, Bodo Tümmler 7:24.5 am 6.9.1964 in Koblenz

* 4 x 100 m Staffel  3. Peter Mahlow. Lothar Drygalski, Hans-Hermann Dickhuth  und Harald Leidicke in 39.9 sec. am 09.08.1970 in Berlin

* 4 x 800 m Staffel 2. Harald Neugebauer, Günter Claßen, Peter Nawrath, BodoTümmler am 26.9.1971 in 7:28,8  in Hannover

* 4 x 800 m Staffel 1. Jürgen Hacker, Uwe Ohlrogge, Günter Claßen, Bodo Tümmler am 24.9.1972 in 7:32,0 in Offenbach

* 4 x 800 m Staffel  3. Lutz Derkow, Harald Neugebauer, Hoffmann, Meinecke am 24.9.1972 in  7.37,2 in Offenbach

Michael Gruse – Deutscher Vizemeister über 100m am 06.08.1977 in 10,53 in Hamburg (zeitgleich mit Bernd Sattler (Rala Ludwighafen)

Frank Zimmermann – 1. 5000 m in 13:22,3  am 13.8.1978 in Köln

Frank Zimmermann – 1. 5000 m  in 13:37,0 am 12.8.1979 in Stuttgart

*Sprinter bei Wolfgang Meller über 100m und 200m:
Jürgen (Schlappi) Schröter in 10,2s Zürich/SUI 29.06.1962 sowie 200m in 20,7s Zürich/SUI 29.06.1962 – (Daten geb. 24.04.1943 – verst. 03.03.2023 lt. Todesanzeige in MoPo)
Michael Gruse in 10,46s Hamburg 06.08.1977 sowie 200m in 10,8 Hamburg 08.05.1977
Thorsten Gutsche in 10,46s Ravensbrück 29.08.1982
Matthias Conrad in 10,50s Berlin 02.08.1968
Oliver Schmidt in 10,56s Dormagen 10.05.1992
Manuel Milde in 10,56s Scheßel 31.05.1998 sowie 200m in 20,85s Johannesburg/RSA 13.09.1998
Sören Heinze in 10,57s München 19.06.1992
Stephan Pacholke in 10,4s Berlin 04.06.1988
Frank Tschugg in 10,68s Berlin 15.07.1989
Lutz Hormann in 10,5s Darmstadt 10.06.1966
Armin Mohr in 10,5s Berlin 20.06.1966
Harald Leidicke in 10,5s Berlin 06.07.1969
Peter Mahlow in 10,5s Berlin 14.06.1970
(BLV-100-Bestenliste mit Stand 15.11.2015 – Peter Kaukel und Bernd Kunze)

Und hier die Ergebnisse der Mehrkämpfe, bei denen Wolfgang „coachte“:

Zehnkampf: 2. Junioren 7.207 Pkt. Hans-Joachim Perk am 16./17.07.1966 in Hamm/Westfalen
Mannschaftszehnkampf: 1. Junioren 20.449 Pkt. Hans-Joachim Perk, Falk Fabich, Jürgen-Michael Poelke am 16./17.07.1966 in Hamm/Westfalen
Zehnkampf: 3. Junioren 6.936 Pkt. Jürgen-Michael Poelke am 09./10.09.1967 in Leverkusen
Mannschaftszehnkampf: 3. Männer 19.660 Pkt. Jürgen-Michael Poelke, Hans-Joachim Perk, Bernd Latsch am 09./10.09.1967 in Leverkusen
Zehnkampf: 1. Junioren 7.340 Pkt. Jürgen-Michael Poelke am 31.08/01.09.1968 in Hannover
Mannschaftszehnkampf: 2. Männer 20.312 Pkt. Jürgen-Michael Poelke, Falk Fabich, Jörg Schiebel am 02./03.08.1969 in Hannover

PS: Diese Erinnerungs-Statistik wird weiter ergänzt.

 

 

 

 

author: GRR