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26
09
2023

"Bottle" Klaus Schulke übergibt die "bottle" an Eliud Kipchoge - fotografiert von seinem Vorgänger bei diesen Aktionen beim BERLIN-MARATHON Karsten Milde (lks. im Bild) - 20 Jahre später übergibt Karsten die "bottle" an seinen Läufer Amos Kipruto, der war da ca. 1 min später an dieser Stelle ...

KOPF DER WOCHE CLAUS-HENNING SCHULKE – Ein Held des Internets – „Bottle Claus“ ist Wasserträger – und entscheidend für die Marathon-Weltrekordhatz. Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Der Mann hat keine Scheu vor großen Aufgaben. Beruflich hat Claus-Henning Schulke den Bau des Kulturforums in der Mitte Berlins gemanagt, den Neubau des Berliner Schlosses.

In seiner Freizeit meistert er Herausforderungen wie den Ironman-Triathlon auf Hawaii und, in diesem Sommer, das 5000 Kilometer lange Radrennen Race Across America. An diesem Sonntag wird der 57 Jahre alte Berliner versuchen, seinen Teil dazu beizutragen, dass der Weltrekord im Marathon fällt. Zweimal hat Eliud Kipchoge ihn bereits verbessert: 2018 auf 2:01:39 Stunden und 2022 auf 2:01:09.

Beide Male ist Kipchoge, der zweimalige Olympiasieger aus Kenia, die 42,195 Kilometer vom Reichstagsgebäude bis zum Ziel hinter dem Brandenburger Tor gerannt. Schulke hat ihm, von Kilometer 17,5 an, vom Straßenrand aus Trinkflaschen gereicht. Sein Engagement dabei ist so mitreißend, dass Filme auf Youtube ihn zu einem Helden des Internets gemacht haben: Wie er am Straßenrand steht und aus voller Kehle schreit: „Eliuuuud! Eliuuud!“

Wie Kipchoge in vollem Lauf, mit Tempo 20 oder 21, die Flasche greift, trinkt und nach dreißig Metern wegwirft, während Schulke die Arme in die Luft reißt und jubelt. Wie er zu seinem Rad sprintet, in den Sattel springt und Kipchoge nachsetzt.

13 Mal wird das auch an diesem Sonntag wieder passieren, alle zweieinhalb Kilometer. Seit 1995 machen die Veranstalter den BERLIN-MARATHON  mit dieser Handreichung – unter den Marathon Majors einmalig – noch ein bisschen schneller. Nicht allein die flache Strecke mit weiten Kurven sorgt dafür, dass Siegerinnen und Sieger von Berlin acht offizielle Weltrekorde und drei inoffizielle gelaufen sind. Wer in Berlin antritt, hat beste Chancen, seine persönliche Bestzeit zu unterbieten.

 

 Flaschenübergabe 2003 – Karsten Milde übergab 2003 die Flasche an den weltrekordlaufenden Paul Tergat (heute in dieser Form nicht mehr zugelassen) – 2003 Real Berlin Marathon Berlin, Germany Sept 28, 2003 Photo: Victah@Photo Run – Victah1111@aol.com

Die fünfzig stärksten Läuferinnen und Läufer werden persönliche Flaschenanreicher haben. Diese bekommen, im Gegensatz zu denen, die rennen, zwei Startnummern: eine für die Brust und eine für den Arm, den sie ausstrecken. So finden sich Läufer und Helfer. An jeder Versorgungsstation sparen die Schnellsten dadurch, dass sie nicht suchen, nicht zögern, schon gar nicht stehen bleiben müssen, etwa zwei Sekunden. Macht für jemanden wie Kipchoge 26 Sekunden – fast die Hälfte der Zeit, die ihm zu einem Ergebnis von 2:00 Stunden fehlt.

Sein persönlicher Anreicher ist Schulke, genannt „Bottle Claus“. In Amerika erkannten ihn Sportfans auf der Straße, im Rennen steht der Name auf dessen Trikot.

„Jeder könnte Eliud die Flasche anreichen“, sagt Valentijn Trouw, der für die Managementgruppe Global Sports Kipchoge betreut und begleitet: „Aber es macht einen Riesenunterschied, ob dies jemand ist, der mit seinem ganzen Herzen dabei ist, ihn in einem Moment zu unterstützen, in dem er höchst verletzlich ist, der ihn am Flughafen erwartet hat, der ihn im Hotel begrüßt hat, der ihn seit Jahren kennt. Eliud nutzt die positive Energie, die von Claus ausgeht.“

Durch Zufall sind die beiden zusammengekommen. Am Morgen des Marathons lässt Schulke das Los entscheiden, welcher Helfer welchen Läufer unterstützt. 2017 zog er den Zettel mit dem Namen Kipchoge. Im strömenden Regen hatten sie ihre Feuerprobe. Seitdem sind beide nicht mehr in der Tombola.

Die Flaschen mit den Power Drinks hat Schulke nicht im Rucksack. Die Kunststoffbuddeln schließt der Veranstalter am Vorabend des Rennens weg. Unter strenger Bewachung verteilt er sie am Sonntagmorgen auf die Stationen. Schulke muss sie dort zunächst einmal suchen. Maximal dreißig Sekunden hat er, dann ist sein Läufer da. Schulke schüttelt den Inhalt auf, öffnet den Trinkverschluss und hält die Flasche, laut nach Eluid rufend, auf die Strecke. Vor dreißig Jahren noch rannten die Helfer einige Meter mit, um die Flasche sicher zu übergeben. Das ist inzwischen verboten.

Einer der Favoriten lief im vergangenen Jahr auf der linken Straßenseite – sein Helfer wartete rechts. Die Übergabe kann auch an der Technik scheitern. Deshalb hält Schulke die Flasche aufrecht am Boden, Kipchoge greift sie in der Mitte. Als einer der Tempomacher vor einem Jahr das Getränk des Favoriten schnappen wollte, zog Schulke geistesgegenwärtig zurück und brachte es mit einer schnellen Geraden zu Kipchoge.

Dann beginnt der Spurt auf dem Rad über 2500 Meter zur nächsten Station. An Schulke soll das Unternehmen Weltrekord nicht scheitern. Ihm und Kipchoge ist bisher jede einzelne Übergabe gelungen.

 Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagzeitung, Sonntag, dem 24. September 2023

Michael Reinsch

Korrespondent für Sport in Berlin.

https://germanroadraces.de/?p=221305

author: GRR