Therese Johaug: Gedopt, gesperrt - doch die Sponsoren stehen Schlange. ©Klaus Blume
SKILANGLAUF: Therese Johaug: Gedopt, gesperrt – doch die Sponsoren stehen Schlange. Von KLAUS BLUME
HAMBURG/Oslo – Selbst Gunnar-Martin Kjenner staunt. Und das will etwas heißen. Schließlich hat der renommierte Sport-Jurist aus Oslo Einiges erlebt.
„Aber wie Therese Johaug, trotz ihrer Dopingsperre von achtzehn Monaten, jetzt ihre Popularität und Anziehungskraft erfolgreich verkauft – das ist einmalig."
Ausgerechnet in Baerum, der reichsten Gemeinde im reichen Norwegen, stellte die bis Mitte April 2018 gesperrte Weltmeisterin ihre acht, teils weltweit operierenden Sponsoren, vor. Allen voran den chinesischen Telekommunikations-Konzern Huawei, der weltweit 170 000 Mitarbeiter beschäftigt. Gefolgt vom multinationalen Unternehmen Colgate aus New York, dessen Palette von der Zahnpasta bis zum Geschirrspülmittel reicht.
Mit der siebenmaligen Weltmeisterin will das altehrwürdige Schweizer Uhren-Haus TAG Heuer obendrein ebenso seine Geschäfte vorantreiben wie ein britischer Fabrikant für seine Luxus-Limousinen Jaguar aber auch der US-Brillenproduzent Oakley.
Das Verhalten der Sponsoren aus der Oberklasse, vermuten gleich mehrere internationale Rating-Agenturen, deute daraufhin, dass sich die Welt im letzten Jahrzehnt gründlich verändert habe. Noch nach den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin seien die gedopten österreichischen Skilangläufer Roland Diethart, Johannes Eder, Jürgen Pinter und Martin Tauber öffentlich geächtet und auf Lebenszeit von Olympia ausgeschlossen worden.
Doch heute spiele Doping keine allzu negative Rolle mehr.
Das unterstreiche auch die Begeisterung für Johaug in den Social-Media-Kanälen. Diese habe – rund um den Globus – geradezu extrem zugenommen. Aber auch die traditionellen Medien würden jeden Aspekt ihres Lebens genüsslich ausbreiten.
Das alles schätzen auch norwegische Unternehmen der Extraklasse. „Sie wurde von den Gerichten gesperrt, aber wir kennen sie als Person und haben sie genauso gern wie alle Norweger", begründet der Osloer Marketing-Manager Trond-Arve Nikolaisen seine Zusammenarbeit mit der Olympiasiegerin von 2010. Nikolaisen spricht für die Firma Saltdalshyttä, einem skandinavischen Vorzeige-Hersteller von Holzhäusern.
Zehn Jahre lang arbeite man nun schon mit der 29jährigen Skiläuferin zusammen, erinnert sich wiederum Torbjörn Johannson, der Vorstandsvorsitzende des Osloer Lebensmittelkonzerns ASKO, „deshalb tun wir auch mal etwas, wenn der Partner am Boden liegt. Also werden wir sie weiter unterstützen, mit 110 Prozent."
Und falls Therese Johaug wolle, könne sie mit ASKO auch einen Kontrakt bis zu den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking unterzeichnen. Ähnlich denken sie auch bei United Bakeries, einem norwegischen Unternehmen, das halbgebackene französische Erzeugnisse vertreibt. Doch Johaug muss bei einem – nach Steuerunterlagen – geschätzten Bankguthaben von 5,3 Millionen Euro und einem Marktwert von drei Millionen per annum eigentlich keine kleinen Brötchen backen.
Also rufen wir uns angesichts dessen noch einmal ihre Doping-Causa ins Gedächtnis: Der erfolgreichsten Skilangläuferin der letzten Jahre wurde am 16. September 2016 nachgewiesen, im Trainingscamp das verbotene Steroid Clostebol benutzt zu haben. Diese Substanz befand sich in der Lippensalbe Trofodermin, die ihr der zurückgetretene Mannschaftsarzt Fredrik Bendiksen in Italien angeblich wegen eines Sonnenbrands besorgt haben will.
Bei einer Anhörung vor dem norwegischen NOK sagte sie – verabredungsgemäß? – die Substanz unwissentlich benutzt zu haben, obwohl sich auf der Packung eine deutliche Warnung befindet. Aber die habe sie übersehen. 89mal, klagte Johaug, sei sie getestet worden – und 88mal sauber gewesen. Wahrscheinlich habe man sie jetzt reingelegt.
Wirklich?
Anwalt Kjenner, ebenso vertraut mit der norwegischen Sportszene wie mit der Causa Johaug, sagt dazu, er habe in seinem Anwaltsdasein erfahren, „dass man nicht alles als selbstverständlich ansehen sollte, was aus der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA kommt."
Klingt gewagt, doch die Jahresstatistiken der WADA stützen Kjenners Kritik: 2014 waren von rund 283 000 Tests weltweit gerademal 1,36 Prozent auffällig, 2015 sank diese Zahl auf 1,1 Prozent. Doch Analytiker rund um den Globus machen keinen Hehl daraus, dass die Dunkelziffer von Dopern im Spitzensport wesentlich höher ist.
Muss also der Fall Johaug womöglich auch unter diesrn Erkenntnissem zu sehen sein?
Womöglich auch ihre gestiegene Beliebtheit bei Fans und Sponsoren in aller Welt? Lediglich der österreichische Konzern Fischer-Ski hat den Super-Star der Langlauf-Szene – vertragsgemäß – vor die Tür gesetzt.
Wegen des formalen Passus‘ „Doping-Betrug".
Doch sogar beim gestrengen Weltmarktführer, so hört man‘s hinter vorgehaltener Hand, könne man sich bei den Weltmeisterschaften 2019 im heimischen Seefeld durchaus ein Johaug-Comeback vorstellen – auf den ihr vertrauten Brettern, versteht sich.
Nach Weihnachten, sagt sie, wolle sie ohnehin wieder wie ein Profi leben und trainieren. Und vielleicht taucht sie in den nächsten Tagen bei den internationalen Rennen in Finnland, Schweden und Norwegen schon mal inmitten der norwegischen Mannschaft auf.
Schon um ihre engste Freundin Marit Bjoergen anzufeuern, die erfolgreichste Skiläuferin aller Zeiten.
Und niemand, sagte man uns im Norges Skiforbund, würde Therese Johaug aus diesen Kreisen vertreiben.
Klaus Blume
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