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04
11
2017

Die Laufgruppe vor dem Start ©Bernd Hübner

FUN-Lauf?!? Gedanken über den 500 Jahre – 95 Thesen – Funlauf vom LT Bernd Hübner Berlin am 31. Oktober 2017 – von Dr. Erdmute Nieke

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Was bedeutet die Bezeichnung Funlauf? Ich frage mal nach bei www.duden.de unter dem Begriff FUN: Fun, der; Herkunft: englisch; Bedeutungsübersicht: Spaß, den jemand bei bestimmten Tätigkeiten hat; Synonyme: Spaß, Vergnügen, Zeitvertreib, Zerstreuung.

Läufer*innen wissen, dass ein Funlauf, ein Lauf ohne Zeitmessung ist, bei dem die Langsamsten das Tempo bestimmen, man als Gruppe läuft und unterwegs noch miteinander quatschen und Besonderheiten an der Laufstrecke wahrnehmen kann. Der perfekte Funlauf wird mit einem gemeinsamen Essen und Trinken beendet. Wir haben also Spaß an der Tätigkeit des gemeinsamen Laufens.

Bernd Hübner organisiert jedes Jahr den Lichter-Fun-Lauf Anfang Oktober, wenn „Berlin leuchtet" und das „Festival of Light" statt finden. Dann laufen wir gemeinsam 11 km durch das nächtliche Berlin und erfreuen uns zwischendurch an den illuminierten Gebäuden. Danach essen wir immer im Restaurant „Giraffe" im Hansaviertel.

Da ist die Idee geboren: Bernd stellte fest, dass wir am 31. Oktober 2017 alle frei haben und wir zum Zeitvertreib einen Funlauf machen und dann in der „Giraffe" frühstücken könnten. Denn dieses Restaurant ist ausgesprochen läuferfreundlich mit netten und humorvollen Kellnerinnen und es ist immer möglich, dass wir auch mit 30 Leuten Platz finden – klar mit vorheriger Reservierung.

Zuerst hatten wir die Idee, die 95 Thesen unterwegs vorzulesen, doch dann vermischte sich bei mir Läuferinnen- und Theologinnenherz. Thesen vorlesen ist langweilig.

In den letzten 500 Jahren ist viel passiert, auch in religionshistorischer Hinsicht. Und der Berliner Tiergarten ist voll von Gedenkorten, die an diese Geschichte(n) erinnern. Mit modernsten Suchhilfen habe ich meine Erinnerungen aufgefrischt und hatte ziemlich schnell eine 10-km-Laufroute mit 12 Gedenkorten zusammen und im Forum vom Lauftreff Bernd Hübner angekündigt.

Rosa-Luxemburg-Gedenkstele – Karl-Liebknecht-Denkmal – Luiseninsel – Gedenkort „Euthanasie"-Morde – Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen – Denkmal für die ermordeten Juden Europas – Sinti- und Roma Denkmal – Lutherbrücke – Bellevue – Bismarckdenkmal – Evangelische Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Gemeinde – Kath. St.-Ansgar-Kirche mit Laurentiusgemeinde

Wow! 43 Läufer*innen wollten an diesem einmaligen Feiertag Zerstreuung beim 500 Jahre – 95 Thesen – Funlauf haben und waren pünktlich um 10 Uhr vor der „Giraffe".

In gemütlichen Tempo ging es zu Rosa Luxemburg, was unterscheidet ihren Freiheitsbegriff von dem von Martin Luther? – Bei Karl Liebknecht konnten wir erfahren, dass Karl Marx und Friedrich Engels Taufpaten waren, als er evangelisch-lutherisch getauft wurde. – Königin Luise betrachtete das Elend der napoleonischen Kriege 1808 als göttliche Vorsehung. – Nur wenige Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche kritisierten den Massenmord an Menschen mit Behinderungen in der Zeit des Nationalsozialismus. Bischof von Galen in Münster, Friedrich von Bodelschwingh in Bethel und Paul Braune in Lobetal waren so mutig. – Kirche und Homosexualität war das Thema am Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen. Seit 1. Juli 2016 werden homosexuelle Paare in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz gleichberechtigt getraut. – Martin Luther und die Juden war Thema am Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Erinnert haben wir uns auch an Dietrich Bonhoeffer, der als ziemlich Einziger den Mut hatte, sich bereits im Frühjahr 1933 öffentlich für die Juden einzusetzen. – Sinti und Roma, verfolgt auch als sogenannte Heiden oder Nichtchristen. – Auf der Lutherbrücke nochmal über Luthers Freiheitsbegriff nachgedacht. – Am Bellevue Gedanken von Frank-Walter Steinmeier über die Reformation gehört, die er gerade im Oktober in Rom ausgesprochen hat. – Bismarck und der Einfluss preußischer Pietisten auf ihn und seine Sozialpolitik. – Höhepunkt des Laufes war eine zehnminütige Kirchenführung in der Evangelischen Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche durch den ehrenamtlichen Küster Ernst W. Krüger, der extra für uns die Kirche geöffnet hat. DANKE dafür!

Den zwölften und letzten Ort mit der katholischen St. Ansgarkirche im Hansaviertel haben wir aus Zeitgründen nicht mehr gemeinsam besucht, denn die „Giraffe" war für 12 Uhr bestellt.

Am Ziel erhielten alle Läufer*innen die Gedanken der letzten zwei Stunden noch in schriftlicher Form als Erinnerungsgeschenk. Beim gemeinsamen Frühstücks-Vergnügen in der Giraffe gab es noch viele und auch persönliche Gespräche über Luther, Kirche, eigene Erfahrungen mit Religion und Glauben und – ganz klar – auch schöne Läufer*innengespräche.

Was bleibt: Trotz der Gedenkorte, die NICHT an Spaß und Fun erinnern, hatten wir gemeinsam eine gute Zeit und viel Gelegenheit zum Nachdenken über die Geschichte der letzten 500 Jahre.

Es ist gut und wichtig, dass es diese Gedenkorte im und um den Tiergarten gibt. Martin Luther hat vor 500 Jahren für christliche Freiheit gestritten, und „wir sollen nichts anderes tun als dem Nächsten zu helfen." (Von der Freiheit eines Christenmenschen, 1520, Art. 27). Dieser Aufforderung sind die Menschen in den letzten 500 Jahren nicht immer nachgekommen.

Machen wir es besser? Machen wir es besser!

Dr. Erdmute Nieke

Themengleich:

Funlauf am Dienstag – 500 Jahre – 95 Thesen – am 31. Oktober 2017 – Dr. Erdmute Nieke

500 Jahre – 95 Thesen – Funlauf am Dienstag, dem 31. Oktober 2017 – Dr. Erdmute Nieke

 

author: GRR

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