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2017

Der deutsche U20-Crossmeister Markus Görger (vorne) führt die Konkurrenz der männlichen Jugend an (dahinter der spätere Sieger Ilyas Yonis Osman) ©Wilfried Raatz/wus-media

Patrick Karl meldet sich nach „Seuchenjahr“ eindrucksvoll zurück und kommt zum Spurtsieg gegen Jannik Arbogast – Wilfried Raatz berichtet vom Crosslauf in Pforzheim

By GRR 0

Eine gute Portion Glück hatten die Veranstalter beim Sparkassen Cross in Pforzheim, zugleich auch dritter Wertungslauf im Deutschen Cross-Cup. Das Wetter zeigte sich just am 11. 11. keineswegs so närrisch wie angekündigt.

Eisregen und heftige Regenschauer fielen eher im Umland bzw. erst am späten Abend oder am Sonntagmorgen. Alleine der am weiteren Nachmittag aufkommende starke Wind machte den Langstreckenläufern auf der 9 000 m-Strecke zu schaffen, sodass eine clevere Renntaktik ein gewichtiges Wort im Kampf um den Sieg und den Titel bei den zugleich ausgetragenen Deutschen Studentenmeisterschaften spielten.

„Beim Cross muss es verschlammte Spikes geben“, gestand ein rundum zufriedener Sieger Patrick Karl nach Kräfte zehrenden 9000 m auf dem Wiesengelände im Stadtteil Huchenfeld. Und blickte auf die seine Spikes, die natürlich auf dem tiefen Geläuf verständlicher Weise nach 17 vorangegangenen Rennen ihr „Fett“ abbekommen hatten.

„Natürlich habe ich den anderen Windschatten gegeben“, gestand der hoch aufgeschossene 21jährige Hindernisläufer bei der Frage nach seiner Renntaktik, „aber ich bin gut drauf und wollte schon sehen, wo ich derzeit stehe!“

Und der zweimalige GRR-Nachwuchs-Preisträger (2014 und 2015) in Trikot des TV Ochsenfurt fügte ohne Umschweife hinzu: „Ich möchte zur Cross-EM. Deshalb ist dieses Rennen ein guter Test für die U23-Quali in vierzehn Tagen beim Darmstadt-Cross!“

Sein Hunger nach guten Ergebnisse und letztlich einer Bestätigung, dass er zu den hoffnungsvollen deutschen Langstreckenläufern zählt, ist durchaus verständlich, denn die zurückliegende Saison 2017 musste er wegen Verletzung mehr oder weniger abhaken. „Knochenödeme im Oberschenkel im Januar und April haben einfach keinen vernünftigen Saisonaufbau zugelassen. Jetzt gilt es, nach vorne zu schauen und da ist die Cross-EM in Samorin das erste Ziel!“

„Leidtragender“ des mutigen Auftritts von Patrick Karl war der vier Jahre ältere Jannik Arbogast, der dem Hindernis-Spezialisten wie eine Klette am Bein hing und im Spurt um drei Zehntelsekunden bei einer Siegerzeit von 33:16 unterlag. „Den Sieg gönne ich Dir auf jeden Fall“, gratulierte der eigentliche 10 000 m-Spezialist der LG Region Karlsruhe seinem Rivalen, „denn Du hast fast das gesamte Rennen über die Führungsarbeit gemacht. Das war schon ein starkes Ding!“ 

Aber auch Jannik Arbogast war mit dem Erreichten sehr zufrieden, schließlich war auch er über eine längere Phase wegen Verletzung ausgefallen. „Ich konnte einen guten Schritt laufen und praktisch das gesamte Rennen das vorgelegte Tempo mithalten!“

Für ihn gab es zum „Trost“ zudem den Titel des Allgemeinen Deutschen Hochschul-Sportverbandes (ADH).  

Das über insgesamt fünf Runden führende Langstreckenrennen gestaltete sich vom Start weg zu einem Ausscheidungskriterium, denn aus einer zunächst neunköpfigen Spitze vielen nach und nach einige heraus, bis letztlich das Duo Karl/ Arbogast übrig blieb.

Fünfzehn Sekunden hinter dem schnellen Duo kam der Schwede Amanuel Gergis ins Ziel, gefolgt vom wiederum stark laufenden Davor Aaron Bienenfeld, der im U23-Vergleich hinter Karl und Gergis den dritten Rang erreichte und dabei starke Konkurrenz wie Kidane Tewolde und den eigentlichen Mittelstreckler Felix Rüger auf die Plätze verweisen konnte. Erst mit der siebtschnellsten Endzeit erreichte mit Marco Müller der zweite der Männerklasse das Ziel.

Nach einem kurzen Intermezzo der Kenianerin Betty Chepkwony übernahm bei den Frauen, die zusammen mit den U20-Junioren auf die 6 600 m lange Strecke gingen, die eigentliche 1500 m-Spezialistin Elena Burkard die Führung – und baute diese kontinuierlich auf fast eineinhalb Minuten aus. Mit 26:04,8 Minuten lag sie im Feld in bester Gesellschaft der ambitionierten Jugendlichen wie dem U18-Crossmeister und 10 km-Rekordhalter Elias Schreml.

„Das war eigentlich seit langem mein erstes richtiges Crossrennen. Für mich war es natürlich ideal, mit starken U20-Läufern zu laufen. Jetzt werde ich einmal schauen, was in Tiburg geht!“

Und meint damit die vom DLV ins Niederländische verlagerte EM-Qualifikation der Männer und Frauen – und dies just zum Zeitpunkt des Darmstadt-Cross, alleine als Qualifikation für den Nachwuchs U20 und U23 gesetzt.

„Das ist eine Frechheit, was sich der DLV leistet“, so schimpften nicht wenige der Heimtrainer von leistungsstarken Langstrecklern. „Das geht alles zu Lasten der Vereinskasse, an irgendeinen Zuschuss ist nicht zu denken!“

Hinter Elena und Betty belegten übrigens Jannika John (27:59) und Vera Coutellier (28:05) die nächsten Plätze. Mit 23 Teilnehmerinnen war übrigens der Wettbewerb der Frauen und U23-Juniorinnen eher mäßig besetzt. Nur gut, dass die Läuferinnen gemeinsam mit den U20-Junioren auf die Strecke geschickt wurden.

Und hier dominierte mit Ilyas Yoris Osman ein 18jähriger Flüchtling aus Somalia im Trikot des TV Waldstraße Wiesbaden. Mit 23:39,1 Minuten lag er deutlich vor dem amtierenden deutschen U20-Crossmeister Markus Görger (24:15,4), der anfangs das Renngeschehen bestimmt hatte, dann aber die Überlegenheit des Ostafrikaners anerkennen musste.

Der Freiburger EM-Fünfte über 5000 m ist allerdings wie auch der drittplatzierte Nick Jaeger (24:33,9) für die Cross-EM qualifiziert. “Ich bin überhaupt nicht ins Laufen gekommen, dieses Geläuf bin ich überhaupt nicht gewohnt! Bis zur EM werde ich natürlich verstärkt auf Wiesengelände trainieren – dann sieht alles hoffentlich wieder anders aus!“ so Markus Görger, der übrigens 2016 auf der GRR-Jahrestagung in Paderborn mit dem Nachwuchs-Förderpreis ausgezeichnet wurde.

TV Waldstraße-Trainer Günter Jung freute sich natürlich über den Erfolg seines Schützlings „Ilyas ist seit etwas mehr als zwei Jahren in Deutschland und ist wegen des laufenden Asylverfahrens natürlich noch nicht für Deutschland startberechtigt. Für den Jungen ist dies ein Riesenerfolg, denn man muss wissen, dass er erst vor 22 Monaten mit dem Laufen begonnen hat und in dieser doch recht kurzen Zeit enorme Fortschritte gemacht hat!“

Entsprechend der Nominierungsrichtlinien des DLV wurden in Pforzheim sowohl im männlichen als auch im weiblichen U20-Bereich jeweils zwei Plätze im EM-Aufgebot vergeben, die weiteren Plätze wie auch die komplette Nominierung der U23-Kategorien werden dann am 26. November beim Darmstadt-Cross vergeben.

Deshalb konnten auch bei den Mädchen Josina Papenfuß und Lisa Tertsch das Thema EM-Qualifikation mit Erfolg abhaken, denn diese konnten sich letztlich souverän durchsetzen.

Dies gilt besonders für die noch der U18-Klasse angehörende Josina Papenfuß, die sich aus einer Dreiergruppe, zu der zunächst noch Lisa und Linn Kleine gehörten, lösen und mit 19:54,8 Minuten und einem Dreißig-Sekunden-Vorsprung vor Lisa Tertsch ins Ziel einlaufen konnte. „Natürlich bin ich sehr zufrieden“, freute sich Josina.

Auch für Lisa Tertsch hat sich der Trip nach Pforzheim gelohnt, denn die Darmstädterin dürfte mit Studienort Boston die längste Anreise zur Cross-Ausscheidung in Kauf genommen haben.  Jetlag-geschädigt lief sie jedoch tapfer ihr Rennen zu Ende und lag dabei 18 Sekunden vor der drittplatzierten Selma Benfares. Die U20-EM in Grosseto hatte das Hindernistalent wegen einer Verletzung allerdings im letzten Moment verpasst und hofft natürlich jetzt auf ihren ersten DLV-Auftritt im Nationaldress.

Im Triathlon ist sie jedoch schon bei Welt- und Europameisterschaften mit Erfolg gestartet. Die anfangs noch mithaltende Linn Kleine bestritt lediglich das zeitgleich gestartete, allerdings mit 3000 m kürzere U18-Rennen und gewann dieses in 12:26,5 Minuten vor Karoline-Sophie Löffel (12:44,6).

Bleibt noch ein Blick auf den männlichen U18-Lauf, den mit Marius Abele ein Talent des SSC Hanau-Rodenbach ebenso souverän mit 15 Sekunden Vorsprung vor Tarje Mohrdieck gewinnen konnte. In den gut bestückten Teilnehmerfelder tauchten allerdings mit Baumann, Grommisch und Pingpank überaus bekannte Namen der deutschen Laufszene auf.

Während Dieter und Isabell Baumann, Werner Grommisch und Markus Pingpank am Rande das Geschehen mit Spannung verfolgten, tummelte sich die Nachfolgegeneration im Crossgelände mit durchaus gutem Erfolg. So schaffte Svenja Pingpank den dritten Rang der U23-Klasse, ihr Bruder Maximilian wurde Fünfter des U20-Laufes. Robert Baumann holte sich Rang acht bei den U20-Junioren, Till Grommisch wurde in diesem Lauf Zehnter.

„Bis in zwei Wochen in Darmstadt“, so verabschiedeten sich viele der Trainer und Übungsleiter, die quer durch die Bundesrepublik angereist waren.

Indiz für eine durchaus intakte Cross-Szene, die allerdings mit Pforzheim und Darmstadt nur zwei Highlights kennt – und mit Recht als Selektion für die Cross-Europameisterschaften am 10. Dezember in der Slowakei gelten.

Das zudem im deutschen Cross-Cup integrierte Rennen in Ohrdruf, dem Austragungsort der Deutschen Cross-Meisterschaften 2018, hatte gerade einmal eine Handvoll Starter außerhalb Thüringens an den Start gebracht, nicht zuletzt deshalb, weil der Termin Ende Oktober auch ausgesprochen früh angesetzt wurde.

Wilfried Raatz

author: GRR

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