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24
04
2023

Richard Ringer unterbietet die Olympianorm.  hier auf den den letzten Kilometer vor dem Ziel - Foto: Live-stream - Horst Milde

Hamburg-Marathon: Doch kein alter Hase: Ringer unterbietet Olympianorm – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Richard Ringer läuft der aufstrebenden Konkurrenz beim Sieg des Kenianers Bernard Koech davon. Dem Favoriten gelingt ein Rekord in der Hansestadt. Der Deutsche Haftom Welday will nicht enttäuscht sein.

Einen alten Hasen ist man versucht Richard Ringer zu nennen. Wenn Hasen nicht die Tempomacher wären beim Marathon, diejenigen, die dreißig Kilometer lang vorneweg laufen und es den Favoriten ermöglichen, ihre Ziele zu erreichen. Der 34 Jahre alte Ringer spielte seine Erfahrung als Wettkämpfer auf der Bahn, im Cross und nicht zuletzt auf der Straße aus und machte sich erst auf den letzten Kilometern des Hamburg-Marathons am Sonntag auf die Jagd

Souverän erreichte er, was er anvisiert hatte: In 2:08:08 Stunden wurde er Sechster, unterbot die Olympianorm um zwei Sekunden und ließ den aufstrebenden deutschen Konkurrenten Haftom Welday, dem er zwei Minuten Vorsprung gewährt hatte, erschüttert hinter sich. Der 33 Jahre alte unerfahrene Welday, vom Start weg mit den Favoriten unterwegs, um herauszufinden, ob er eine Zeit unter 2:06 Stunden würde laufen können, schleppte sich als Achter ins Ziel – nach 2:09:40 Stunden.

Der kenianische Favorit Bernard Koech brach bei seinem Sieg in 2:04:09 Stunden den Streckenrekord. „Mein erster Sieg“, freute er sich, und vermutlich ist dieser auch sein letzter in Hamburg. Bei kühlem, trockenem Wetter profitierte er von der flachen, am Sonntag kaum von Wind beeinträchtigten Strecke und machte sich einen Namen in der Laufwelt. Im Ziel wählte er den falschen Einlaufkanal, sodass ihm das Zielband mit dem Namen des Sponsors nachgereicht wurde. 24 Sekunden nahm seinem Landsmann Joshua Belet ab, der wiederum 1:45 Minuten vor dem Dritten Martin Kosgei im Ziel war.

Welday wollte nicht enttäuscht sein

Er habe sich auf den ersten Kilometern erst mal orientieren müssen, scherzte Ringer: „Es war ziemlich dunkel nach dem Start.“ Wegen der strahlenden Sonne am Vortag hatte er sich eine Sonnenbrille aufgesetzt – und behielt sie auf, obwohl er bei bedecktem Himmel kaum etwas sah. Bei Kilometer 41 zog er an Welday vorbei, der nach den Worten von Bundestrainer Matthias Kohls „auf des Messers Schneide“ lief. „Wäre Haftom bei uns geblieben“, kommentierte Ringer, „wären wir beide schneller gelaufen.“

Der erst vor wenigen Jahren zum Langlauf gekommene Welday wollte nicht enttäuscht sein, zumal seine Tempomacher unregelmäßig beschleunigten und einer anderen Zielzeit nachliefen als der verabredeten. „Ich habe nicht verloren, sondern etwas gelernt“, sagte er: „Heute bin ich am Limit gelaufen. Nun weiß ich, was ich leisten kann mit einer vernünftigen Gruppe und vernünftigen Pacemakers.“

Der Schnellste aller rund 11.800 Teilnehmer: Bernard Koech – Foto: Haspa Hamburg Marathon – Hochzwei  

Bei den Frauen siegte die Kenianerin Dorcas Tuitoek (2:20:09) vor der Äthiopierin Tiruye Mesfin (2:20:18), die vom Start weg geführt hatte und etwa 150 Meter vor dem Ziel, offenbar vor Erschöpfung, gestürzt war. Fünfeinhalb Minuten nach der Siegerin kam die Mannheimerin Fabienne Königstein ins Ziel. Sie überraschte Publikum und sich selbst damit, dass sie neun Monate nachdem sie Mutter geworden war ihre Bestzeit auf 2:25:48 Stunden verbesserte und damit die Norm für die Olympischen Spiele unterbot.

Fabienne Königstein – Foto: Live-stream – Horst Milde

„Die Geburt hat sie stärker gemacht, das muss man wohl daraus schließen“, kommentierte Ehemann und Trainer Karsten Königstein das Glück seiner Frau: „Sie hat mental einen Riesenschritt gemacht, und davon profitiert sie im Rennen.“

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Sonntag, dem 23. April 2023

Michael Reinsch

Korrespondent für Sport in Berlin.

 

author: GRR