Chris Froome: Als würde es nur um Asthma gehen ... ©Christopher Busch
Chris Froome: Als würde es nur um Asthma gehen . . . Von KLAUS BLUME
Würde es nur um Asthma gehen, könnte man auch die Causa Froome ad acta legen. Doch bei dem verwendeten Präparat Salbutamol geht es schließlich um dessen höchst willkommene anabole Nebenwirkung – um den angestrebten Muskelauf- und Fettabbau während eines mehrwöchigen Radrennens.
Und so etwas lässt sich je nach Bedarf steuern. Am besten unter ärztlicher Aufsicht. Wie zuvor schon im Falle des italienischen Supersprinters Alessandro Petacchi, der deshalb 2008 für ein Jahr gesperrt wurde und dem man obendrein fünf Giro-Etappensiege aberkannt hat.
Nun soll Christopher Froome, der viermalige britische Sieger der Tour de France, seine – zuvor genehmigte – Dosierung während der Spanien-Rundfahrt im Spätsommer ebenfalls mit Hilfe des Teamarztes erhöht haben. Weil seine Asthma-Beschwerden während des Rennens zugenommen hätten; das behauptet gleich eine ganze Armada von Anwälten, die sein Team Sky beschützen soll.
Vor wem eigentlich?
Doch wohl nicht vor dem Weltradsport-Verband. Denn dort scheint man nicht gerade im Bilde zu sein. Dessen französischer Präsident David Lappartient äußerte sich nämlich am Mittwoch gegenüber der britischen Zeitung „The Guardian" völlig irritiert: „Es ist nicht meine Sache, mich in diesen Fall einzumischen. Das Verfahren ist geheim." Und dann: „ Ich habe keine Informationen darüber."
Und überhaupt sei ihm alles sehr unklar.
Also soll sich Froome erst mal erklären. Das kann dann wieder mal ausgehen, wie das Hornberger Schießen. Denn die Zahl der angeblich asthmakranken Ausdauersportler ist längst Legion geworden, und kaum jemals wird einer wegen Irreführung der Ärzteschaft und der Öffentlichkeit überführt.
Wie das alles begonnen hat? Wir erinnern uns an den späten Abend des 22. August 1997 in Brüssel.
Der Kenianer Paul Tergat hatte gerade mit 26:27,85 Minuten einen Weltrekord über 10 000 Meter aufgestellt, und danach im Überschwang des Glücksgefühls erzählt, er trainiere nicht regelmäßig, weil ihm zum einen als Ausbilder in der kenianischen Luftwaffe die Zeit dazu fehle, zum anderen, weil er unter Asthma leide – und entsprechende Präparate inhalieren müsse.
Wir waren baff. Erst recht sechs Jahre später in Berlin, wo der asthmakranke Luftwaffensoldat aus Nairobi dann mit fantastischen 2:04:55 Stunden einen überaus beachtlichen Marathon-Weltrekord erzielte.
Und heute? Der russische Eishockey-Star Alexander Owetschkin, Kapitän der Washington Capitals, wetterte dieser Tage, statt ständig seine Landsleute des Dopings zu verdächtigen, sollte die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) doch lieber mal prüfen, warum norwegische Nachwuchs-Skilangläufer seit über 25 Jahren im Sommertraining Asthma-Präparate verpasst bekämen.
Was der 13-malige Weltmeister Petter Northug im privaten norwegischen Fernsehen auch ohne Weiteres zugegeben hat. Dass ihn darauf der Verband wegen angeblicher Streitereien um Sponsoren vorerst nicht aufgestellt hat, scheint nur eine Finte zu sein. Denn Northug wird bei Olympia für Norwegen starten – das hat man hinter den Kulissen schon ausbaldowert.
Also dann, wenn im vor-olympischen Fieber niemand mehr über dessen öffentlichen Asthma-Ausrutscher spricht. Sondern, wenn sich alle Welt statt dessen wieder wundert, warum die niederländischen Eisschnellläufer alle, aber auch alle olympischen Goldmedaillen gewinnen.
Und warum fast jeder von ihnen ein Inhalier-Gerät bei sich trägt. Auch außerhalb der Eisbahn.
Aber vielleicht kann uns das Chris Froome erklären.
Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
22085 Hamburg
Tel: +49 (0) 40 229 7048
Mobil: +49 (0) 171 643 4018
klausblume@t-online.de
KBL- SPORTSNEWS & FEATURES Hamburg
https://www.laptopwerk.de/kolumnen/blume-unverblümt
www.laptopwerker.de
Weitere Beiträge zum Thema DOPING finden Sie auf der GRR-website: "DOPING"
"DOPING"
Weitere Beiträge von Klaus Blume:
Marathon-Europarekordhalter Moen: „Ich lebe unter der Armutsgrenze" – Von KLAUS BLUME
Das neue olympische Spiel: Wer ist der vierte Mann? – Von Klaus Blume
SKILANGLAUF: Therese Johaug: Gedopt, gesperrt – doch die Sponsoren stehen Schlange. Von KLAUS BLUME
Die seltsame Weltsicht des DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann – Von KLAUS BLUME
Trumps neue Haltung oder: „Unser Präsident ist ein Arschloch" – Von KLAUS BLUME
Der Kampf um Fairness in der Leichtathletik – Wann ist eine Frau eine Frau? Von KLAUS BLUME
Die Fußball-Bundesliga – nichts weiter, als aufgeblasener Zirkus? Von KLAUS BLUME
Konstanze Klosterhalfen und das Unbehagen über eine verrufene Laufstrecke – Von KLAUS BLUME
Tour de Suisse – Michael Woods – der Läufer und die Angst vor der Abfahrt – Von KLAUS BLUME
Das Olympiastadion in Berlin gehört Deutschland – nicht der Hertha – Von KLAUS BLUME
Soll das 2 Stunden Marathon-Spektakel vom Marathon-Doping ablenken? Von KLAUS BLUME
April 2017 – Geschichten um Marathon, Radklassiker und Tegla Loroupe – Von Klaus Blume
Deutschlands schnellster Irrläufer: Homiyu Tesfaye aus Äthiopien – Von KLAUS BLUME
Der nordische Ski-Krieg und die „Asthma-Medikamente“ – Von Klaus Blume
UNVERBLÜMT: Von der Doping-Front – Biathlon: Der Fall Taschler – Von Klaus Blume
Vier Jahre Sperre für Johaug? Doping in Norwegen – wer sich erwischen lässt… Von Klaus Blume
New York City Marathon 2016 – Das Millionending und seine neue Königin – Klaus Blume
New York Marathon 2016 – Was treibt Tegla, die schwarze Mutter Teresa zum Big Apple? Klaus Blume
Gesa Felicitas Krause – ein Portrait – Von KLAUS BLUME*
Jetzt zeigen die USA-Läufer auf breiter Front ihr Weltniveau – Von KLAUS BLUME