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29
06
2022

Die Finals in Berlin mit wenigen Zuschauern - Foto: Horst Milde

Die Finals Berlin 2022: Leichtathletik im leeren Olympiastadion – „Chance verpasst“ – Ein Kommentar von Horst Milde

By GRR 0

Die  Finals 2022 der Leichtathletik fanden in Berlin nicht nur im Olympiastadion, sondern auch mit dem Kugelstoßen  der Frauen und Männer in der guten Stube Berlins, am Brandenburger Tor, schon am Donnerstag und Freitag statt. Mit annehmbaren Zuschauerzahlen, weil natürlich auch viele Touristen sich das gut organisierte Spektakel in der Mitte der Hauptstadt nicht entgehen liessen

„Wenig los bei den Finals im Olympiastadion“ schreibt aber die Berliner Tageszeitung „Der Tagesspiegel“ in ihrer  Ausgabe am Montag, dem 27. Juni 2022.  Und tatsächlich, es war schon erschreckend, wenn man die geringe Zuschauerzahl im Stadion sah und sich an die Finals von 2019 erinnert: Da war stolz die Zuschauerzahl von 60.000 (an zwei Tagen) auf der Videowand zu lesen, in diesem Jahr wurde die Zuschauerzahl überhaupt nirgendwo schamhaft erwähnt.

Um die Gründe für diese peinliche Schlappe bei den Zuschauern zu erfahren ruft der „Tagesspiegel“ ausgerechnet bei Frank Lebert an, der jahrelang für die Vermarktung des DLV gearbeitet und jetzt in Südafrika als Sport-Berater arbeitet und der sagt: „Die Leichtathletik hat in den vergangenen Jahren im Reagenzglas stattgefunden“. „Der unmittelbare Kontakt zu den Menschen ist abgebrochen, „es hat eine Entemotionalisierung“ stattgefunden schreibt der Tagesspiegel weiter.

Die „Entemotionalisierung“ der Leichtathletik scheint aber auch durch die Medien selbst statt zu finden. Ihr Thema ist zu fast 90 % der Fussball (in Berlin Hertha BSC) . Wenn der Tagesspiegel selbst NUR einen grösseren Beitrag über Gina Lückenkemper am Sonnabend, dem Wettkampftag, fertigbringt und veröffentlicht und nichts weiter über andere Wettbewerbe schreibt, dann braucht man sich nicht wundern.

Am Sonntag berichtete die Zeitung dann etwas ausführlicher über die 10.99 sec über 100 m von Gina Lückenkemper, dass sie Mitglied eines Berliner Vereins ist (SCC) ist, wurde vergessen, ebenso die Nennung  von Alina Reh (ebenso SCC), die am Sonntag gewann. Am Montag wurden überhaupt keine Ergebnisse der Leichtathleten/-innen in dieser Zeitung erwähnt, aber auch keine anderen Ergebnisse der anderen Sportarten der Finals!

Im Vorfeld der Meisterschaften hat der DLV aber auch reinweg gar nichts dazu getan für seine Meisterschaften zu werben, ausser Pressemitteilungen zu versenden, das Speerwerfer Johannes Vetter nicht wirft und Gesa Krause und Konstanze Klosterhalfen, die Aushängeschilder des DLV, wegen Verletzungen nicht laufen werden.

Auf die Idee mit einem der vielen Berliner  Radiosender oder Zeitungen  werblich zusammen zu arbeiten, ist man nicht gekommen. Man hätte dann erwarten können, daß die dann ständig von der Leichtathletik berichten würden und entsprechende Werbung machen. Innerhalb Berlins wurde Posterwerbung in U- und S-Bahn mit Ruderern und anderen Sportarten der Finals platziert, Leichtathletik war nicht zu finden.

Werbung für die Finals in S- und U-Bahnhöfen – Foto: Horst Milde

Die Leichtathletik ist leider kein Selbstläufer mehr und wohl auch nicht mehr die wichtigste der olympischen Sportarten, wie immer behauptet wird.  Man hat einfach seitens des Verbandes nichts getan im Vorfeld und sich auf den Lorbeeren ausgeruht.

Berlin kann „Leichtathletik“, das hat die Stadt oft bewiesen, wie auch bei der EM 2018  und WM 2009. Das jährliche ISTAF bringt viel mehr Zuschauer „auf die Beine“, als die Deutschen Meisterschaften. Der DLV hat dem ISTAF mit seinem Versagen einen „Bärendienst“ erwiesen. Für das ISTAF 2022 wird es jetzt schwer nach dieser „Nullmummer“ das Interesse für die Leichtathletik wieder aufzubauen. Vielleicht helfen die EM-Finals in München 2022 und die Weltmeisterschaften 2022 in Oregon/USA die angeschlagene Reputation einigermaßen „zu reparieren“!

 

Das Olympiastadion mit dem „Handy“-  ein besseres Foto war nicht erlaubt – Foto: Horst Milde

Warum wurden die Schulen in Berlin nicht angesprochen? Die Jugendlichen wären sicherlich zu Tausenden gekommen (mit ihren Eltern!) – auch zu den Vormittags-Sessions. Der Verband hat sein wichtigstes Potential der Zukunft – die Jugend – einfach vergessen.

Der Laufsport macht es doch mit seinen vielen Veranstaltungen vor: Die Kinder- und Jugendläufe der Laufveranstalter werden mit großer Begeisterung angenommen. Deutsche Meisterschaften im Olympisstadion waren für die Berliner LA-Vereine immer mit einem späteren  großen Zugewinn an jugendlichen Mitgliedern verbunden. Eine grosse Chance wurde leichtsinnig vertan!

In Berlin herrschten am Sonntag zwischen 10.00 – 15.00 Uhr etwa 35/36 Grad Hitze, da überlegen sich viele, ob sie sich der Hitze im Stadion aussetzen, insofern ist das mangelnde Interesse am Sonntag der Berliner und Berlinerinnen wohl zu verstehen. Trotz des fast leeren Stadions hörte sich der Beifall der wenigen Zuschauer nach einem gut gefüllten Stadion an. Die Reaktionen der Athleten und Athletinnen bei ihren Statements war jedenfalls positiv über die Resonanz beim Publikum

Eine persönliche Anmerkung sei noch erlaubt. Auf den Eintrittskarten war erwähnt, dass „Fotografieren erlaubt“ sei. Aber nach Eintritt auf das Stadion-Gelände, wurde man vom Personal aufgefordert, den mitgeführten Fotoapparat abzugeben – Fotografieren nur mit dem „Handy“ – und das in dem riesigen Stadion. Eine Beschwerde bei offiziellen DLV-Medien-Mitarbeitern rief Erstaunen hervor, führte aber leider – wie erwartet – nicht zu positiven Änderungen am nächsten Tag.

Apropos Tickets: 40.00 € für eine Nachmittags-Session Block A ist auch nicht von ohne, wenn man weiß – nach der GfK (Gesellschaft für Konsumforschung), daß die „Konsumstimmung der Verbraucher ein neues Rekordtief“ in Deutschland erreicht hat. Da überlegt man sich doch dreimal, ob man das Geld lieber fürs Olympische Schwimmbad nutzt – oder kostenlos beim gleichzeitigen gut besuchten und kostenlosen „Familienfest im Olympiapark des LSB Berlin“ mit Zehntausen anderen teilnimmt!

Andrang der Jugendlichen am Sprungturm des Schwimmbades im Olympiapark – Foto: Horst Milde

Alles in allem, trotz der guten Leistungen der Aktiven auf der berühmten blauen Bahn, waren die Finals 2022 Berlin für alle der Beteiligten – und für die Organisatoren – wohl mehr als eine Enttäuschung. Aber das hat man sich selbst zuzuschreiben, wenn man die Zeichen der Zeit nicht erkennt.

Den Deutschen Meisterschaften in Kassel 2023 wünscht man bessere Kommentare.

Horst Milde

author: GRR