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20
06
2022

Strecke - Quelle: https://sportverein-dallgow.de/heidelauf/)

in the middle of nowhere – Eindrücke von einem top organisierten Wettkampf – 13. Sielmanns Heidelauf des SV Dallgow 37 e. V. am 18. Juni 2022 von Dr. Erdmute Nieke

By GRR 0

Hitzewochenende in Berlin und Brandenburg – in meinem Wettkampfkalender steht der Heidelauf. Bereits am Dienstag war eine Mail zur Erinnerung mit den letzten Infos vom Veranstalter gekommen.

Bereits morgens um sieben zeigt das Thermometer 28 Grad. Doch jetzt noch kneifen? Nein, ich lese nochmals alle Infos aus der Erinnerungsmail und hoffe, dass es gut gehen wird. Die Laufstrecke war ich vor zwei Jahren mit Lauffreundin Dina zu zweit gelaufen und ich ahne, was bei dieser Hitze auf mich zukommen wird.

Kurz nach acht komme ich in Dallgow an, am ausgewiesenen Parkplatz werde ich vom ersten Helfer – in leuchtend orange – ganz herzlich begrüßt.

Der Start befindet sich im Dallgower Artilleriepark. Der Name lässt etwas anderes vermuten, als es ist. Zwischen ALDI , Toi-Toi-Dixi und dem Küchenstudio Weiss befindet sich alles: Startnummern- und T-Shirtausgabe, perfekte Toilettencontainer, Kleiderbeutelaufbewahrung, Kuchen- und Bratwurststand.

Start in Dallgow – Foto: Erdmute Nieke

Dazu überall bestens gelaunte Helfer:innen aller Altersklassen. Ich habe das Gefühl, dass der SV Dallgow e.V. sämtliche Familien aus Dallgow und Falkensee aktiviert hat für diesen Lauf.

Allmählich füllt sich das Gelände mit Läufer:innen, alle suchen den wenigen Schatten. Unter dem Startbanner steht ein LKW mitten auf der Laufstrecke. Drei Startbereiche sind abgesperrt. Ganz vorn die Gelben für die 5-km-Strecke, in der Mitte wir Roten für die 22 Kilometer und hinter uns die Blauen für die zehn Kilometer. Die Startnummern sind in den entsprechenden Farben gestaltet.

Zwei Mädchen, wieder in leuchtend orange, bitten uns in die jeweiligen Startblöcke zu gehen und auf der Ladeklappe des LKW stehen jetzt drei junge Frauen in orange und machen ein Aufwärmprogramm für uns – total engagiert – und das bei gefühlten 35 Grad in der Sonne auf dem Asphalt.

 

 Startnummernausgabe und Toilettencontainer – Foto: Erdmute Nieke

Mit drei Frauen stehe ich ganz hinten im zweiten Startblock. Der Moderator begrüßt die besonders harten Läufer, die sich für die lange Strecke entschieden hätten. Protest, es sind auch Frauen dabei!

Wir schauen uns um uns stellen fest, dass wir nicht viele sind, die sich für die 22 Kilometer entschieden haben. Am Ende sind es 70 Finisher – davon acht Frauen. Doch das ist drei Stunden später!

Nach dem Startschuss um neun Uhr verlassen wir sofort das Industiegebiet „Artilleriepark“. Der Name erinnert daran, dass die Döberitzer Heide über 300 Jahre Militärgebiet war. Die Heide nimmt uns auf. 2004 hat das 3600 Hektar große Gebiet die Sielmann Stiftung zum Renaturieren übernommen.

Die Laufstrecke führt immer am Zaun des Wildniskerngebietes entlang. Schnell entzerrt sich das Läuferfeld und ich kann auf dem sandigen Weg den besten Untergrund suchen.

Die Sonne brennt, Schatten gibt es nur ab und zu, doch ein kleiner Luftzug streicht durch über die Heide und trocknet sofort den Schweiß.

Bei Kilometer vier sehe ich ihn! Auf einer schattenlosen Anhöhe im verbrannten Gras steht er – wie in einem Western! Als ich näher komme, hebt er den Kopf. Ich bin froh, dass der Zaun uns trennt: Ein Wisent, groß und stolz anzusehen. Schade, dass ich mein Handy in der Kleideraufbewahrung abgegeben habe. Doch dieses Bild trage ich so mit.

Dann in der Sonne zwei orange Punkte! Rettung! Wasserstelle eins! Wieder diese so freundlichen Helfer:innen: Melone aufgeschnitten, Äpfel und Bananen und Wasser, soviel ich mag. Während ich trinke, ist die Besenradfahrerin mit drei Läufer:innen angekommen. Ich mache mich wieder auf.

Weite Heide, vertrocknetes Gras, das Zirpen der Grillen und leises Vogelgezwitscher, Schmetterlinge und Erdhummeln begleiten mich. Ab und zu auch noch blühende Blumen: blaue Disteln und pinkfarbene Nelken behaupten sich im Sand. Es geht über die weite Sonnenfläche mit den letzten Bunkerresten, die an die militärische Nutzung erinnern.

Dann sehe ich vor mir auf meinem Laufweg ein großes Feuerwehrauto mit Blaulicht. Mein erster Gedanke: Die Heide brennt. Als ich näher komme, höre ich, wie der Motor des Autos angeht, dann sehe ich zwei Feuerwehrleute mit einem Schlauch in der Hand und — ??? Eine riesige Wasserfontäne geht direkt vor mir an!!! Wie genial ist das denn!?!?! Ein weiterer Läufer hinter mir kommt dazu und wir drehen uns mehrmals im künstlichen Regen! Die Feuerwehrleute der Freiwilligen Feuerwehr Dallgow-Döberitz sind die Allerbesten!! Nassfröhlich laufen wir weiter. Gefühlte fünf Minuten später bin ich schon wieder volkommen getrocknet. Und wieder orange Punkte in der Landschaft. Wieder Wasser, soviel ich will, und Obst und Wasserkübel mit Schwämmen. Es wird für uns Läufer:innen bestens gesorgt.

Immer am Zaun entlang geht es hügelab- und aufwärts (insgesamt 152 Höhenmeter), der Sand ist inzwischen in meinen Schuhen und Socken angekommen. Ein Peeling der besonderen Art. Ausschütten wäre sinnlos.

Appetitlicher Kuchenbasar – Foto: Erdmute Nieke

Dann am nächsten Hügel höre ich ein Uauaua, während ich mich durch den Sand arbeite. Es sind eindeutig humanide Rufe! Um die Ecke hinter dem Hügel, zwei Frauen in Orange. Ich bin richtig und wieder gibt es Wasser und Obst. Die Melonenstücken tun jetzt richtig gut!

Und weiter zur nächsten Wasserstelle, die Helferinnen sagen, dass es bis dahin nur vier Kilometer sind. Dann wird die Stille der Heide von einem Motorengeräusch unterbrochen. Über den holprigen Weg kommt das Feuerwehrauto. Ich lasse es vorbei und die Staubwolke, die es hinterlässt, verziehen und trabe weiter.

Am nächsten Wasserpunkt treffe ich sie alle wieder: Die Feuerwehrleute, die Uauaua-Frauen und weitere Helfer:innen. Einem Läufer war schlecht geworden, deshalb haben die Feuerwehrleute die Sanitäter gefahren. Der Läufer sitzt im Schatten auf einem Klappstuhl und lächelt schon wieder. Zwei Sanitärer vom ASB fragen mich, wie es mir geht und sind froh, dass ich ihnen sage, dass ich nur nach Puls laufe und mir Zeit lasse.

Weiter Heide-Stille und Hitze, die Sonne ist jetzt fast am Zenit angekommen. Ich sehe schon lange keine Läufer:innen mehr vor oder hinter mir. So fühlt sich „in the middle of nowhere“ an. Ich laufe durch einen niedrigen Kiefernwald, es duftet nach dem Harz der Kiefern und irgendwie nach Sommerurlaub.

Dann noch ein ein wunderbares Tierbild: Wieder eine Anhöhe, in der Mittagssonne sonnen sich fünf Wildpferde. Mit ihren hellbraunen Fellen liegen sie träge da und wedeln ab und zu mit ihren schwarze Mähnen und Schweifen. Warum liege ich da eigentlich nicht dazwischen, sondern arbeite mich hier durch den Wüstensand?!?

Auch dieses wunderschöne Naturbild nehme ich mit und freue mich über ein schattiges Stück und die nächsten orangen Punkte.

Diesmal steht ein Feuerwehrmann neben den Helfer:innen und fordert mich freundlich, aber bestimmt auf, mindestens zwei Becher Wasser zu trinken, wahrscheinlich sehe ich bei Kilometer 18 schlimmer aus, als ich mich fühle.

Und wieder geht es durch Sand und Sonne hoch und runter und bei Kilometer 20 stehen die letzten und sechsten orangen Punkte mit Wasser und Melone in der Heidelandschaft.

Dann Kurve links und Kurve recht und vorbei ist die Heide-Stille und ich sehe das Zielbanner und höre den Moderator mit den lustigen Worten: „Die Heide hat den nächsten Läufer (Läuferin?) ausgespuckt. Du bist der Hölle entkommen!“ Der Zieleinlauf geht bergab und auf Asphalt – Erholung pur!

Als ich die Ziellinie überquere, singt Peter Fox gerade „Schüttel Deinen Speck“ – passt irgendwie, denn zu Himmelfahrt waren wir auf einem SEEED-Konzert und haben dieses Lied mitgegrölt.

Ich bekomme eine schöne Medaille umgehangen und alle Helfer:innen freuen sich, mich wieder zu sehen. Die beiden Uauaua-Frauen sind schon wieder vor mir da. Hase und Igel – dank der Feuerwehr – stellen wir gemeinsam fest.

              Geschafft (r.) – stolz mit Medaille – Foto: Erdmute Nieke

Ein wunderbares und anspruchsvolles Laufevent für 101 Läufer:innen auf der 5-km-Strecke, für 102 Läufer:innen auf der 10-km-Strecke und 70 Läufer:innen auf der 22-km-Strecke ist zuende. Das alles DANK der supertollen Organisation vom SV Dallgow e.V. unter dem Hut von Thomas Peters. Während ich den Text schreibe, kommt eine Mail mit einem Dank für die Teilnahme und einer Bitte um Verbesserungsvorschläge von Thomas. Ich habe keine und wünsche Euch allen: Weiter so und bleibt gesund!

Das ist Sielmanns Heidelauf in der Döberitzer Heide des SV Dallgow 47 e. V. – direkt vor den Toren Berlins.

Probiert es aus, denn auf der Straße laufen kann Jede:r!

Dr. Erdmute Nieke

 

https://germanroadraces.de/?p=197679

 

 

 

author: GRR