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31
03
2022

Start - Symbolphoto - Photo: Horst Milde

4. Sportethischer Fachtag in Frankfurt: Über den Wert des Sports

By GRR 0

Sportethisches Forum der Evangelischen Kirche tagt unter dem Motto: „Zwischen Kultur und Kommerz. Was ist der Sport uns wert“

Um Werte des Sports und um deren Wertschätzung ging es beim 4. Sportethischen Fachtag des Sportethischen Forums der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Der Fachtag fand in der vergangenen Woche in der Evangelischen Akademie in Frankfurt statt und wurde im hybriden Format ausgestrahlt:

„Zwischen Kultur und Kommerz. Was ist der Sport uns wert“ hatten die Organisatoren als Thema gewählt und dazu zwei Referentinnen und fünf Referenten aus ganz unterschiedlichen Provenienzen eingeladen, um den Sport „zwischen Kultur und Kommerz“ zu vermessen.

In seiner Begrüßung verwies Kirchenpräsent Dr. Dr. h.c. Volker Jung (Darmstadt) als Sportbe-auftragter der EKD und Vorsitzender des 2017 von ihm mitgegründeten Sportethischen Forums der EKD auf die aktuelle weltpolitische Lage mit dem grausamen Schrecken des Krieges und den Flüchtlingswanderungen als Folge, wodurch die Frage nach dem Wert des Sports „mit all seinen Chancen und Gefährdungen“ neu zu justieren sei.

Prof. Dr. Volker Schürmann, Sportphilosoph an der Deutschen Sporthochschule Köln, ging in seinem Einführungsvortrag auch der Frage nach, wie denn der Sport zu schützen sei. Dieser Schutz beginnt im Grunde schon bei der permanenten Pflege dessen, was den Sport als Kulturgut ausmacht: Sport basiert auf einer eigenen Logik, wo besondere körperliche Leistungen im Wettstreit vielfältig miteinander verglichen werden. Dazu bedarf es innerer Normen (z.B. der Fairness) bei der Aufführung dieser Vergleiche: „Aber verglichen mit unserem sonstigen Leben ist der Sport eine Nebensache. Wir müssen ihn gerade deswegen schützen“, warnte Schürmann vor Instrumentalisierung durch sportfremde Kräfte (z.B. ökonomischen) und andere Mächte (z.B. politischen).

Die in den Vorjahren bewährte Tagungsdidaktik war auch diesmal darauf ausgerichtet, dass sechs „Impulse und Irritationen“ das Thema facettenreich beleuchten sollten, um hinterher in kleineren parallellaufenden Gesprächsrunden (sog. Dialogcafés) diese Statements mit weiteren Fragen und pointierten Positionen zu vertiefen. Darauf stimmten gleich zu Beginn Hanna-Lena Neuser als kommissarische Direktorin der Evangelischen Akademie Frankfurt und Pfarrer Eugen Eckert als Referent für Kirche und Sport der EKD in ihren Moderationen die versammelten Gäste vor Ort und die online Zugeschalteten ein.

Kirsten Bruhn (Eutin), mehrfache Olympiasiegerin im Para-Schwimmen und heute Botschafterin für das Unfallkrankenhaus Berlin, schilderte ihre biografischen (Sport-)Erfahrungen im Rollstuhl sitzend und bekannte sich voller Überzeugung nach ihrem tragischen Motorradunfall, den sie als junge Frau erlitten hatte: „Sport ist mir mein Leben wert. Sport hat aus mir herausgeholt, was noch da war“ – ein beeindruckender Rückblick auf eine große paralympische Karriere bis heute mit Strahlkraft!

Der Sportwissenschaftler Prof. Dr. Arne Güllich (TU Kaiserslautern), früher u.a. in hauptamtlichen Funktionen im (Nachwuchs-)Leistungssport beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) bzw. davor im DSB, referierte über die „Bedingungen für gelingende Talentförderung“ und bezog sich dabei auf Daten aus Studien, wonach Erfolge im Nachwuchsbereich keineswegs ein Garant für spätere als Erwachsene sind: „Weltklasse ist mit weniger spezialisiertem Training in der Hauptsportart eingestiegen“. Christina Gassner, die Geschäftsführerin der Deutschen Sport-jugend (dsj) im DOSB, stellte die grundsätzliche Frage, ob es im Sport Werte gibt, die es woanders nicht gibt, und reklamierte dabei auch die Autonomie des Sports, der seine Werte selbst definieren darf: „Sport ist mehr als Leistungssport“ lautete zugleich das ihr wichtige Credo für die Arbeit in der dsj als größter Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland.

Antworten auf die Frage: „Warum fördert der Staat den Sport?“ gab Jens-Uwe Münker (Wiesbaden), der Leiter der Abteilung Sport im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport. Er brachte dabei Artikel 26g der hessischen Verfassung in Anschlag, wonach der Sport „den Schutz und die Förderung des Staates, der Gemeinden und Gemeindeverbände“ genießt. Von den 66,53 Mio. Euro für den Sport fließen im Land Hessen 24,34 Mio. direkt an den Landesport-bund. Um konkrete Zahlen ging es auch Reinhard Brücker (Bochum), Vorstandsvorsitzender der VIACTIV Krankenkasse, der 0,2% des Jahresetats präventiv einsetzen kann und wofür der Sport ein wichtiger Baustein ist. Und was das Sport-Sponsoring der Krankenkasse angeht, betonte Brücker, dass damit nicht etwa die Athletinnen und Athleten selbst finanziert werden, sondern gezielte und mit den Verbänden und Vereinen abgestimmte Maßnahmen und Projekte zur Sportförderung.

Im sechsten und letzten Statement warnte Axel Hellmann, der Vorstandssprecher von Eintracht Frankfurt, dem weltweit größten Sportverein mit einer Profi-Fußballabteilung, vor Überfrachtung des Profifußballs, dessen originäre Aufgabe die Herstellung von Erfolgen auf dem Spielfeld ist. Wegen seiner hohen Anziehungskraft stellt der (Profi-)Fußball jedoch eine öffentliche „Projektionsfläche unterschiedlichster gesellschaftlicher Erwartungen“ dar, der er nicht entkommen kann und die es permanent auszubalancieren gilt.

Der 5. Sportethische Fachtag der EKD ist für Frühjahr 2023 zum Rahmenthema „Sport und Politik“ wiederum in der Evangelischen Akademie Frankfurt geplant.     

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann in der DOSB Presse

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