Selemon Barega - 2021 Lausanne Diamond League Lausanne, Switzerland August 25, 2021 Photo: Giancarlo Colombo@PhotoRun Victah1111@aol.com www.photorun.NET #victahsailer
Sport in Eritrea: Warum der Rad-Profi Biniam Girmay aus dem Schatten der Läufer treten will – Von KLAUS BLUME
WEVELGEM – Dieser historische Sieg ist so wichtig für mich, vor allem für den afrikanischen Radsport! Seit meinem allerersten flämischen Klassiker habe ich mich ins Kopfsteinpflaster verliebt. Und deshalb keinen Moment gezögert, das Rennen Gent-Wevelgem zu bestreiten.“
Klare Worte des gerade 21jährigen Biniam Girmay aus Eritrea, dem historischen Überraschungsgewinner des klassischen Radrennens von Gent nach Wevelgem (248,8 Kilometer).
Eritrea und der Ausdauersport? Da denkt jeder zuerst an die großen Läufer aus diesem ostafrikanischem Land: an Selemon Barega (22), den Olympiasieger über 10 000 Meter 2021 in Tokio, an den Marathonläufer Tamirat Tola, der mit einer Bestzeit von 2:03,37 Stunden zu Buche steht. Um nur Einige zu nennen.
Aber an Radsport?
„Radfahren gehört zu den beliebtesten Sportarten in meinem Land“, rückt Biniam Girmay die europäischen Vorurteile zurecht. „Jeder liebt diesen Sport bei uns, auch ich.“ In Eritrea gäbe es an jedem Wochenende Radrennen „und alle zwei Monate eines rund um unsere Hauptstadt Asmara“, erzählt er. „Als ich mit dem Radfahren anfing, war ich ungefähr dreizehn Jahre alt. Mein Bruder hatte mir sein Fahrrad geschenkt. Mein Vater hat mir dann ein neues Rad gekauft. Ich erinnere mich, dass es sehr teuer war. Mein Vater besitzt eine kleine Tischlerei und ich bin manchmal zu ihm gefahren. Es waren nur zehn Kilometer zur Arbeit, aber das hat meine Motivation geweckt.“
Girmay verdient mit dem Radfahren inzwischen den Lebensunterhalt für seine kleine Tochter Liela, seine Frau und sich bei einem belgischen Team.
Dort war man jetzt so klug, Girmay nach dessen Sensations-Erfolg in Wevelgem nach Hause zu schicken und ihn nicht in die nächsten klassischen Eintagsrennen zu jagen. Am 4. Mai soll er sich dann wieder in Europa einfinden, in Budapest, wo der Start zum dreiwöchigen Giro d‘Italia erfolgt. Die Fahrt durch Italien gehört zwar nicht zu seinen großen Träumen, „aber ich weiß, woher ich komme. Es ist wichtig, das nie zu vergessen. Ich bin eigentlich ein ruhiger Mensch. Nur im Rennen bin ich total anders. Das ist der Job, den ich erledigen muss. Dann will ich nur gewinnen.“
Er träumt davon, irgendwann einmal – als erster Afrikaner – eine Etappe auf der Tour de France zu gewinnen – und irgendwann endlich am Start des berüchtigten Kopfstein-Klassikers Paris-Roubaix zu stehen.
Wenn er dort auch gewinnen könnte, würde man ihn daheim – im Lande der großen Läufer – in einem Atemzug mit Selemon Barega und Tamirat Tola nennen.
Da sei er gewiß.
Klaus Blume
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