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10
02
2022

Die Mittel- und Langstrecken-Läufer Siegfried Valentin (l.) und Hans Grodotzki (beide ASK Vorwärts Berlin) freuen sich am 24.07.1960 nach dem 1.500-m-Finale bei den DDR-Leichtathletik-Meisterschaften im Leipziger Zentralstadion. Valentin gewinnt vor Grodotzki. Foto: dpa picture alliance - Ernst-Ludwig Bach

Zum Tode von Siegfried Valentin: 21 deutsche Rekorde, doch keine olympische Medaille – Von KLAUS BLUME

By GRR 0

Damals, Ende der 1950er Jahre, hatte ich immer den Eindruck, als würden die von Ewald Mertens und später von Rolf Donath betreuten Läufer in Halle und Erfurt der Potsdamer Gruppe um Siegfried Valentin, Hans Grodotzki und Friedrich Janke aus dem Weg gehen.

Längere Gespräche zwischen den Potsdamern und uns gab es jedenfalls so gut wie niemals. Warum? Vielleicht, weil deren Art, Rennen zu bestreiten, uns ganz und gar fremd zu sein schien. Und auch fremd blieb.

Ich erinnere mich, zum Beispiel, an einen Länderkampf Norwegen gegen die DDR 1959 in Oslo. Es muss wohl im ehrwürdigen Bislett-Stadion gewesen sein.

Dort gewann Siegfried Valentin, in seiner betont lockeren Art, die 1500 Meter – was von ihm auch erwartet war. Dass er dabei jedoch die letzten 800 Meter – nachweisbar – in sagenhaften 1:46,9 Minuten durchraste, bleibt auch heute noch ungewöhnlich. Aber das lag seinerzeit wohl in erster Linie daran, dass sein kongenialer Trainer Curt Eins eine lebenslange Schwäche für bekömmliche, sprich: langsame Anfangszeiten entwickelt hatte. Was ganz im Widerspruch zu dem stand, was seinerzeit Mertens und Donath in Halle und Erfurt entwickelten und forderten.

Aber, wie auch immer – ich erinnere mich im Falle Siegfried Valentin vor allem an einen Läufer, dem zwar ein großes Talent in die Wiege gelegt worden war, der jedoch nicht immer damit um zu gehen verstand. Zum Beispiel bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom. Er war damals nach einer Verletzung gerade noch rechtzeitig in Form gekommen, und galt als einer der Favoriten über 1500 Meter. Doch Valentin, dieser Naturbursche, unterschätzte die römische Vormittagssonne ganz und gar. Er lief sich als Einziger in der prallen Sonne ein, ohne eine Kopfbedeckung zu tragen, erlitt im Vorlauf einen Hitzschlag und schied frühzeitig aus.

Dessen ungeachtet, gehörte Siegfried Valentin zweifellos zu den begabtesten Mittelstreckenläufern Deutschlands. Was seine persönlichen Bestzeiten noch heute beweisen: 800 Meter in 1:46,8 Minuten (1960), 1000 Meter in 2:16,7 Minuten und die 1500 Meter in 3:38,7 Minuten (ebenfalls 1960). Die 2:16,7 Minuten über 1000 Meter – gelaufen am 19. Juli im Potsdamer Luftschiffhafen-Stadion – wurden übrigens 1960 auch als Weltrekord protokolliert. Womit Siegfried der erste DDR-Leichtathlet mit einem Einzel-Weltrekord war.

Und wenn wir schon dabei sind:

Insgesamt stellte der gelernte Klempner 21 deutsche, einen Europa- und vier Weltrekorde auf. Er lief als erster Deutscher die klassische englische Meile (1609,35 Meter) unter vier Minuten (1959: 3:56,5 Minuten; Europarekord).

Vieles, was Valentin anpacke, war durchaus großartig.

Er entstammte übrigens einer Tuchmacher-Familie, und hatte uns erzählt, was man später immer nur aus Kenia und Äthiopien hörte, er habe schon in frühen Jahren den fünf Kilometer langen Schulweg laufender Weise zurück gelegt. Bei einem Schulsportfest sei er dann – ohne Vorbereitung – die 3000 Meter in 9:20 Minuten gelaufen, was der Beginn einer geradezu unglaublichen Leichtathletik-Karriere war.

1961 war er dann der beste 1500-Meter-Spezialist der Welt; über 800 Meter schlug er sogar den damals für unschlagbar gehaltenen australischen Olympiasieger Herb Elliot.

Am 11. Januar ist Siegfried Valentin im Alter von 86 Jahren in seiner Wahlheimat Potsdam gestorben.

Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
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