Haile erhält bei einer Pressekonferenz des Berlin-Marathon von Klaus Weidt sein Buch "Der Wunderläufer" - Foto: Wolfgang Weising
„85“ und nicht müde! Klaus Weidt, Sportjournalist und Initiator vieler Laufveranstaltungen, begeht am 30. Dezember 2021 ein Jubiläum – Christel Schemel unterhielt sich mit ihm
Ich erinnere mich, dass du mal „Meilen-Weidt“ genannt wurdest…
Als zu DDR-Zeiten die Laufbewegung dem Leistungssport „hinterherlief“, kamen wir Sportjournalisten auf die Idee, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Wir begründeten damals, 1974, die Aktion „Eile mit Meile“. Eine Lauf-Meile war dementsprechend 1974 m lang. Daraus Initiative entstanden dann die vielfältigsten Laufinitiativen. Auch Veranstaltungen wie der Dübener Heidelauf bei Leipzig.
Eine Friedens-Meile gab es übrigens auch.
Vor allem aber: Es kam zusätzliche Bewegung in den Breitensport von 1974 bis 1989. Das Sportmuseum Berlin – Marathoneum – hat dankenswerterweise diese Geschichte in den „Historischen Blättern“ Nr. 23 festgehalten und damit auch gewürdigt.
Die Meile ließ dich irgendwie nicht mehr los?
Ich fand, dass zu vielen Läufen, auch Marathons, eine Einsteiger-Strecke gehört. Und da bietet sich eine Meile, gleich wie lang oder kurz, eben an. Allerdings fand ich dann diesen Begriff auch schon für Großveranstaltungen interessant. So schlug ich vor, eine neue Prignitzer Laufveranstaltung „Moor-Meile“ zu benennen. Und so heißt sie heute noch.
Das geschah im Jahre 2001 anlässlich unseres 5. Läuferwochenendes. Waldemar Cierpinski gab zur 1. Prignitzer Moor-Meile den Startschuss. Wie kam es denn zu dieser „Bad-Wilsnack-Idee“?
Die dortige Elbtalklinik hatte Waldemar Cierpinski, Heinz Florian Oertel und mich zu einer Talkrunde eingeladen. Da es in der Prignitz kaum noch Läufe gab, dachte ich, mit unserem neuen Läuferwochenende etwas Eigenständiges bewirken zu können. Wir bewarben diese alljährlichen Seminare, die wir 1997 mit Waldemar Cierpinski und dir ins Leben riefen, auch in der „Laufzeit“ und an vielen Ständen großer Laufveranstaltungen. Sie haben inzwischen vieles angestoßen und sind noch heute beliebt. Ende September, Anfang Oktober 2022 findet nun ein Laufwochenend-Jubiläum in Neubrandenburg statt. Immerhin das „25.“, was ja schon bemerkenswert ist. Inzwischen ist die Walker-Zahl unter den Teilnehmern gewachsen.
Es gab zwei mustergültige kleine Unternehmen – das Journal „Laufzeit“ und die Reiseagentur „Reisezeit“. Beide hattest du einst gegründet. Wie kamst du eigentlich darauf?
Nach der Wende wollte ich sofort ein Monatsheft für die Läufer und Läuferinnen im Osten Deutschlands und in Berlin herausgeben, da es so etwas noch nicht gab. Ich wandte mich damals an Horst Milde, der den BERLIN-MARATHON in guten Händen hatte, und erhielt sofort seine tatkräftige Unterstützung. So gründete ich, noch zu DDR-Zeit, eine GmbH, und die erste Ausgabe des „Laufzeit“-Journals kam schon im Mai 1990 auf den Markt. Die Nachfrage erwies sich als groß, das Interesse stieg und auch der Wunsch vieler Leser, mit unserer Unterstützung in die weite Lauf-Welt zu reisen. Der New York City Marathon 1990, dann der Syltlauf, der Göteborg-Halbmarathon und der Mitsommernachts-Marathon in Tromsö waren erste Leser-Fan- und Fernreisen.
Laufen mit den äthiopischen Kindern der Schule „Marathon“, einer Dorfschule in der Gurage-Region.- Foto: Klaus Weidt
Und so war die Firma „Reisezeit“eine logische Folge?
Ja, aber den Anstoß gaben eigentlich die Pyramiden in Ägypten. 1993 reiste ich mit 25 Lesern nach Kairo, um an einem ausgeschriebenen Marathon einer amerikanischen Fernsehproduzentin teilzunehmen. Die Läufe waren katastrophal organisiert, keiner hatte irgendwelche Erfahrungen. Da befragte ich die uns betreuende Agentur kühn, ob wir nicht im nächsten Jahr mit deutscher Hilfe einen neuen „Egyptian Marathon“ auf die Beine stellen könnten. Diese war sofort begeistert, betonte aber, dass es nicht am Geld, sondern am Know-how liegen würde. In Berlin fand ich mit dem damaligen Chef des Team-Marathons, Roland Winkler, einen Verbündeten und mit der Fluggesellschaft Egyptair einen Sponsor. So wurde am 4. Februar 1994 an den Pyramiden der 1. Ägypten-Marathon gestartet. Mit 20 kostenfrei eingeflogenen deutschen Organisatoren und 380 „Laufzeit“-Lesern. Danach ließ ich in Berlin eine eigene Gesellschaft namens Reisezeit Tourismus GmbH eintragen. Die recht erfolgreiche Geschichte dieser Agentur kennst du seit 1997 als Mitarbeiterin und spätere Geschäftsführerin selbst.
Es blieb nicht beim Ägypten-Marathon, der 2023 seine 30. Auflage am Tempel der Pharaonin Hatschepsut feiern wird. Es gab immer wieder neue Ideen…
Start zum 1. Ägypten-Marathon 1994 an der Pyramiden. – Foto: Klaus Weidt
Noch im selben Jahr wurde ich mit dem Stendaler Lauforganisator Gerd Engel nach Zypern eingeladen. Ein deutscher Leichtathletik-Trainer in Paphos hörte vom Ägypten-Marathon und stellte sich auch so etwas auf dieser Insel vor. Wir flogen hin und fanden in Paphos am Meer eine tolle Strecke und in dem Health Runners Club von Nikosia engagierte Organisatoren. So wird es auch auf Zypern 2023 ein Jubiläum geben, den 30. Aphrodite-Halbmarathon. Ein von uns ins Leben gerufenen Karthago-Marathon und später noch ein San Marino-Marathon existierten dagegen nur einige Male. Eine Erfahrung erwies sich mal mehr: Wer nicht wirbt und nur auf deutsche Lauftouristen baut, kann nicht bestehen.
Der BERLIN-MARATHON und der Rennsteiglauf schafften für uns beste Bedingungen: Lauforganisatoren weltweit kennenzulernen und uns der Läuferwelt vorzustellen. Beide Großveranstalter möchten wir auch aus heutiger Sicht nie missen. Ebenso den Rennsteiglauf, den ich 17mal bestritt und darüber hinaus mit Hans-Georg Kremer zwei Gruppenläufe organisierte.
Manches wurde beim neuen Mongolia-Marathon 2010 anders. Warum eigentlich dort?
Du warst ja selbst von Anfang an dabei und hast erlebt, wie engagiert die Mongolen sind. Obwohl sie eigentlich als Reiter seit Dschingis Khan und nicht als Laufende von sich reden machten. Doch hier stellte sich mit der Hauptstadt Ulan-Bator, dem kleinen Leichtathletik-Verband und einer Reiseagentur sofort eine Mannschaft hinter unsere Idee, auch mal einen Marathon und eine Mongolia-Meile anzubieten. Mit über 100 Lauftouristen flogen wir zur Premiere, darunter zwei helfende Stendaler Lauforganisatoren, das Ehepaar Engel. Inzwischen hat sich der Mongolia-Marathon alljährlich im Mai zu einem großen Asien-Lauf mit dem Namen „Ulan-Bator-Marathon“ entwickelt.
Die Teilnehmer am 10. Läuferwochenende in Bad Düben mit Waldemar Cierpinski. – Foto: Klaus Weidt
Du warst ja in der ganzen Welt unterwegs. Gibt es ein Land, das dich besonders bewegt hat?
Nach Ägypten, wo es mich immer wieder hinzieht, ist das Äthiopien. Daran ist kein Geringerer als Haile Gebrselassie schuld. Da ich den Weltklasseläufer unbedingt persönlich kennenlernen wollte, organisierte ich mit „Reisezeit“ 2005 eine Laufreise zum Abebe Bikila Marathon. Als Haile davon hörte, lud er uns als erste deutsche Laufgruppe, wir waren 20, zu sich nach Hause ein. Wir erlebten einen unglaublichen Empfang mit einer liebevollen Bewirtung, die von der gesamten Familie vorbereitet worden war. Zu dem Zeitpunkt hatten wir bereits eine Rundreise durch das schöne, aber oft gebeutelte Äthiopien erlebt und das einfache Leben der Menschen gesehen. Auf die Frage einer Läuferin, wie wir helfen könnten, antwortete damals Haile zur allgemeinen Verblüffung: „Baut in einer abgelegenen Gegend eine Schule!“ Und zum Erstaunen vieler in den Folgejahren – wir taten es tatsächlich. Mit Spendensammlungen unter Läufern, Sportveranstaltern und Laufgruppen. In der Gurage-Region, 230 km von Addis Abeba entfernt, fanden wir einen Ort namens Shafamu, wo es weder Elektrizität, Wasser, noch befestigte Straßen gab. Dort gelang es uns, in zehn Jahren aus einer Baracke für knapp 20 Schüler und 2 Lehrern eine Anlage mit fünf flachen Gebäuden entstehen zu lassen, in denen heute mehr als 450 Kinder lernen und von 21 Lehrern betreut werden.
Wir beide organisieren ja heute noch in jedem Jahr eine „Weltreise“. So waren wir im vorigen Jahr an einem Ende der Welt, im argentinischen Ushuaia in Feuerland, und haben auch selbst dort einen Lauf angeboten.
Ja, und in diesem Jahr reisten wir an das Ende des russischen Fernen Ostens mit der Transsibirischen Bahn vom Baikalsee bis nach Wladiwostok, wo wir am dortigen Marathon teilnahmen und danach einige Tage in der Taiga verbrachten. Übrigens wären der BERLIN-MARATHON und der Wladiwostok-Marathon eine gute Partnerschaft, wenn sie nicht am gleichen Sonntag im September stattfinden würden.
Im nächsten Jahr, 2022, findet im Mai eine Vierländer-Balkan-Lauf-Tour statt. Möchtest du in den kommenden Jahren danach noch irgendeine besondere Reiseidee umsetzen?
Wenn ich noch weitere fünf Jahre fit und auf dem Laufenden bleiben sollte, wäre die Südseeinsel Samoa ein interessantes Ziel. Dort könnten wir z.B. zwei Silvesterläufe ausrichten, da genau durch diese Inselgruppe die Datumsgrenze verläuft…
Klaus Weidt, geb. 30.12. 1936, ist als Sportjournalist und Läufer u.a. bei German Road Races aktiv. Erschienene Bücher von ihm u.a.: „Der Wunderläufer Haile Gebrselassie“, „Weltweit laufend unterwegs“ und „Laufen in Ägypten“ (mit Christel Schemel); „Nennt Eure Söhne Waldemar“ und „42,195“ (mit Waldemar Cierpinski). Christel Schemel, Reisezeit Tourismus GmbH von 1997 bis 2015, von 2007 an Geschäftsführerin. Sie ist Protagonistin des Nicaragua-Marathons und reist seit 2010 jährlich in dieses exotische Land und hält so eine lebendige Lauf- und Kultur-Brücke der Freundschaft Berlin-Monimbó.
Beide organisieren neben der alljährlichen weltweiten Lauf-Reise außerdem ein Lauf- und Walker-Wochenende mit stets neuem Standort.
Christel Schemel