Michael Reinsch - Foto: Horst Milde
Athleten-Präsidentin Borger: „Wir sollten an erster Stelle stehen“ – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Karla Borger stellt nach ihrer Wahl erste Forderungen.
Beachvolleyballerin Karla Borger ist die neue Präsidentin von Athleten Deutschland. Nach ihrer Wahl stellt sie erste Forderungen zur Entwicklung des Spitzensports auf – lässt jedoch auch Fragen offen.
Karla Borger, eine der besten Beachvolleyballspielerinnen der Welt, hat am Sonntag den sportpolitischen Angriff verweigert, obwohl sie am Netz steht. Die 32-Jährige, Universiade-Siegerin und Weltmeisterschafts-Zweite von 2013 sowie Gewinnerin des World-Tour-Finales von 2021, ist mit 44 Stimmen der knapp hundert Teilnehmer der Vollversammlung von Athleten Deutschland zur Präsidentin der Organisation mit 1400 Mitgliedern gewählt worden.
Am Sonntag sprach sie vor Journalisten zwar davon, dass durch die Regierungsbildung und die bevorstehende Neuwahl der Führung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) die Weichen in Sport und Sportpolitik gestellt würden, spielte den Ball aber Johannes Herber zu, dem Geschäftsführer von Athleten Deutschland. Die Olympischen Winterspiele von Peking im Februar, das Zentrum für Safe Sport und die Gleichstellung von Athletinnen stünden als inhaltliche Schwerpunkte bis 2022 fest, sagte sie.
„Es muss eine Umstrukturierung geben“, hatte Borger nach den Olympischen Spielen in einer Diskussion des Deutschlandfunks gefordert: „So kann es nicht weitergehen.“ Dass sie damit nicht die für viele Sportfunktionäre enttäuschende Medaillenbilanz meinte und auch nicht eine Forcierung der Spitzensportreform forderte, dürfte deutlich sein. Schließlich hatte sie sich 2017 der vom Verband angeordneten Zentralisierung der deutschen Beachvolleyballspielerinnen verweigert und dabei so weit politisiert, dass sie Gründungsmitglied der unabhängigen Athleten Deutschlands wurde.
„Wir sollten an erster Stelle stehen“
Im Februar 2021 verzichteten sie und ihre Partnerin Julia Sude auf den Start beim Turnier in Doha, weil sie sich nicht vom qatarischen Staat vorschreiben lassen wollten, in langer Hose und mit langen Ärmeln statt im Sportbikini ihrer Arbeit nachzugehen. Spitzensportförderung solle nicht auf Medaillen allein ausgerichtet sein, sagte die Olympia-Teilnehmerin von Rio 2016 und Tokio 2021 nach ihrem frühen Ausscheiden in Japan, sondern auf ehrliches und soziales Sporttreiben mit Fokus auf der Freude daran.
Auf die einer Findungskommission übertragene Suche nach Kandidaten für die DOSB-Präsidentschaft angesprochen, sagte sie: „Es geht um uns, es geht um unsere Zukunft. Wir Athletinnen und Athleten sollten an erster Stelle stehen. Es geht um unser Leben, das wir in den Sport stecken. Es wäre durchaus sinnvoll, Athletinnen und Athleten einzubeziehen.“ Es fehle eine Unterhaltung aller Akteure im Sport darüber, sagte Herber, in welchem Ressort die Zuständigkeit für die Sportförderung des Bundes künftig angesiedelt werden solle, ob es mehr Geld bedürfe und welchen Spitzensport die Gesellschaft sich eigentlich wünsche.
Müssen sich deutsche Athleten, fragte er, an den Leistungen von Sportlerinnen und Sportlern messen lassen, in deren Heimat andere Werte gälten und Dopingkontrollen weniger wichtig seien als in Deutschland? Karla Borger sprach an, dass zu viele Talente zu früh aus dem Sport ausstiegen und dass es an einer breiten Masse von Sporttreibenden wie an Jugendarbeit der Verbände fehle.
Den Vorschlag der Nationalen Antidopingagentur, die Aufgaben des von Athleten Deutschland geforderten Zentrums für Safe Sport zu übernehmen, nahm Herber zum Anlass für den Hinweis, dass Beschwerden und Hinweise von Athleten nicht mit ausreichender Sorgfalt untersucht würden. Berichte versandeten, es gebe keine Resultate. In der Folge sähen sich Athleten gezwungen, ihre Fälle öffentlich zu machen: „Dies endet häufig nicht in der Lösung des Falles, sondern in Frustration.“ Er forderte eine neutrale Instanz, die unabhängig ermittle und Sanktionen verhänge.
Der frühere Wasserballspieler Tobias Preuß wurde zum Vizepräsidenten gewählt; die Marathonläuferin Fabienne Königstein, die Rollstuhlbasketballspielerin Mareike Miller und der Kunstradfahrer Lukas Kohl gehören dem Präsidium an.
Dieses kooptierte in seiner ersten Sitzung am Samstag die Rennrodlerin Dajana Eitberger und die Säbelfechterin Léa Krüger. Borger und Herber überraschten mit der Bekanntgabe, dass sie angeheiratete Stiefgeschwister seien.