Verleihung des ersten Horst-Milde-Awards am 18. Oktober 2014 an Werner Sonntag. Links: Horst Milde, rechts: Werner Sonntag. - Foto: Forum für Sportgeschichte / Jürgen Engler, Berlin.
Werner Sonntag mit 95 Jahren gestorben – „Vater und Vorläufer“ der Laufbewegung
Werner Sonntag lebt nicht mehr. Der „Vater und Vorläufer“ der westdeutschen Laufbewegung ist am Sonntag, dem 24. Oktober 2021, an seinem Wohnort in Ostfildern bei Stuttgart gestorben.
Im Juni hatte er seinen 95. Geburtstag gefeiert. Da war es schon lange still um ihn geworden. Mit dem Laufen hatte er aufhören müssen, seine Hausrunde ist er zuletzt gewandert. Doch mit der Altersdemenz war er immer mehr allein, nachdem seine Frau Marianne (geb. 1928) im Frühjahr 2021 verstorben war.
Als Werner Sonntag bei seinem vorletzten Besuch am 14. August 2014 die Marathon-Ausstellung „Keep on Running“ besichtigte, macht er ausgiebig Fotos von den ausgestellten Raritäten. – Foto: Gerd Steins
Wir dürfen Werner Sonntag in Erinnerung behalten als einen treuen Freund und vielfachen Förderer der modernen Laufbewegung in Deutschland. Er war in mehrfacher Hinsicht ein Protagonist – die Zuschreibung „Pionier der Laufbewegung“ – würde ihm, dem gebürtigen Görlitzer, der sich wegen des DDR-Regimes in die Bundesrepublik absetzte, sicher nicht gefallen.
Werner Sonntag war ein aktiver (Wettkampf-)Läufer der ersten Stunde. Und er war (zusammen mit Günter Herburger und Manfred Steffny) der Nestor des laufliterarischen Genres im deutschsprachigen Raum. Bei den Lesungen des Berliner Literatur-Marathons war mehrfach dabei und ein stets gern gesehener Gast und eloquenter Gesprächspartner, nicht nur, aber gerade wenn es um „seine“ Laufphilosophie ging …
Blenden wir kurz auf einige wichtige Stationen im Läuferleben von Werner Sonntag zurück: Im Jahre 1974 gründete Sonntag in Stuttgart einen der ersten Lauftreffs in Deutschland. Sein Buch „Spaß am Laufen. Jogging für die Gesundheit“ aus dem Jahre 1979 war eines der ersten populärwissenschaftlichen Laufbücher in deutscher Sprache überhaupt und zugleich eine „laufpädagogische Anleitung“, andere Menschen zum regelmäßigen Laufen zu bewegen und dafür womöglich einen Lauftreff aufzusuchen.
Das war in der Zeit der großen Breitensportkampagnen des Deutschen Sportbundes.
Werner Sonntag war im Hauptberuf Journalist für Automobilsport, schrieb bis ins hohe Alter für mehrere Laufmagazine (u.a. Runner’s World, Laufreport im Internet online) und war Mitarbeiter der ersten Stunde bei „spiridon“. Während seiner breitensportlichen Läuferkarriere hat u.a. an über 300 Ultraläufen teilgenommen und dem 100km-Lauf in Biel (Schweiz) mit seinen „Irgendwann musst du nach Biel (erstmals erschienen 1978) und „Bieler Juni-Nächte“ (2008) zwei laufliterarische Denkmäler gesetzt; dazu ist von ihm die illustre Textsammlung mit dem Titel „Laufende Vorgänge“ (1996) erschienen. In Biel war er 33mal am Start und im Ziel.
Werner Sonntag hatte sich auch in musealer Hinsicht der modernen Laufbewegung verschrieben – nicht nur als Sammler zur Fach- und Alltagsgeschichte des Laufens in Deutschland. Werner Sonntag hat als einer der ersten dazu angeregt, ein Laufmuseum zu gründen. Insofern war er auch Ideengeber für das auf Initiative von Horst Milde 1994 im Sportmuseum Berlin eingerichtete „AIMS Marathon-Museum of Running“, dem Werner Sonntag schon zu Lebzeiten so gut wie alle seiner laufbezogenen Preise, T-Shirts und Zeitschriften geschenkt hatte.
Mit seinem Beitrag “Brauchen wir ein Laufmuseum“ in der Septemberausgabe 1994 von Runners World regte Werner Sonntag an, die Kulturgeschichte des Laufens museologisch zu verorten. Sein Rufen wurde gehört, denn am 8. Dezember 1994 berief die AIMS auf Vorschlag von Horst Milde das Sportmuseum Berlin zum „AIMS Marathon – Museum of Running. – Foto: Gerd Steins
Werner Sonntag erhielt für seine großen Verdienste in der modernen Laufbewegung im Oktober 2014 in Berlin den erstmals vergebenen Horst-Milde-Award, mit dem gleichsam die Lebensleistung des Begründers und langjährigen Direktors des BERLIN-MARATHONS, dem heutigen Ehren-Race-Direktor Horst Milde (geb. 1938), für den Laufsport im kollektiven Gedächtnis unserer Zeit lebendig erhalten werden soll.
Ein kleiner Teil der von Werner Sonntag errungenen Preise, der er dem Sportmuseum Berlin zu Lebzeiten schenkte. –
Foto: Gerd Steins
Mit dem Lebenswerk von Werner Sonntag dürfen wir jetzt weiterlaufen …
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
Die Schenkungsliste von Werner Sonntag:
Medaillen, Pokale, Ehrenpreise, T-shirts und Sonderinventar
Werner Sonntag nahm dreimal am Spartathlon teil: 1989 Finisher des Spartathlons in 35:21:19 Stunden, 1990 in 35:37:14. Beide Male war er ältester Teilnehmer. 1992 beendete er den Spartathlon mit Verspätung und wurde daher nicht gewertet. Das Singlet trug er bei einem seiner Starts. – Foto: Gerd Steins
Werner Sonntag schenkte bei seinem letzten Besuch des Berliner Sportmuseums am 14. August 2015 dem Sportmuseum Berlin seine historische Schreibmaschine „Adler 7“. Diese Rarität hatte Werner Sonntag von seinem Vater geerbt und Werner schieb mit der „Adler 7“ in seinen Anfangsjahren als Journalist viele Beiträge. Die „Adler 7“ war um 1900 die erste Schreibmaschine deutscher Produktion, die national und international zum Verkaufsschlager wurde. Ende 1905 waren bereits 20.000 „Adler 7“ verkauft und die Schreibmaschine avancierte zum neuen Massenartikel. Gründe für den großen Erfolg waren sicher die für damalige Verhältnisse technische Brillanz, Zuverlässigkeit und Robustheit der Büromaschine, weniger das beachtliche Gewicht von 10,8 kg. Es handelte es sich um eine mechanische Stoßstangenschreibmaschine. Mittels Vorderaufschlag und doppelter Umschaltung war es erstmals möglich, 90 verschiedene Zeichen mit den 30 Tasten zu schreiben. Auffällig war vor allem die Verzierung durch das in Goldschrift gehaltene Firmendekor auf der Abdeckhaube. Dort prangte die Aufschrift „ADLER“ sowie „Adlerwerke vorm. Heinrich Kleyer Aktiengesellschaft Frankfurt a/M.“. Um den Ursprung als Fahrradwerke zu betonen, wurde über dieser Schrift ein goldfarbiger Adler mit einem Rad abgebildet. – Foto: Gerd Steins
Werner Sonntag, der Läufer – Foto: privat
Werner Sonntag mit seinem Buch „Mehr als Marathon“ – Foto. privat
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