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10
2021

Nach 30 Jahren „nicht länger weiter wie bisher“ - Foto: Victah Sailer

Hurra, die Mauer ist weg – nach 30 Jahren „nicht länger weiter wie bisher“ – Ein Kommentar und Rückblick von Lothar Pöhlitz

By GRR 0

3.10.2021 Tag der deutschen Einheit – ein Rückblick nach mehr als 30 Jahren, nicht nur beim Regierungs-Festakt in Halle. Zunächst war da 1990 große Freude über den Abschied nicht nur vom Arbeiter- und Bauern-Staat, vom Klassenkampf gegen den Kapitalismus, der Lehre vom Marxismus-Leninismus. sondern auch von der Mangelwirtschaft.

Da war die große Abhängigkeit von den „Russen“, der Planwirtschaft, 14 Jahre warten auf einen Trabi. Dem Tal der Ahnungslosen ohne Westfern-sehzugang, der Massenflucht, auch der 6000 über die Prager Botschaft, dem besseren Leben durch Beziehungen, der „Bückware“ (von unter dem Ladentisch) oder den Westpaketen und der überwachten Abgrenzung der Leistungssportler von den West-Athleten.

Die Stasi war überall, bei EM, WM und OS und in den Wohnungen hinter den „Kulissen“ und in den Telefonen. Verwandte im Westen machten selbst den größten Talenten den Zugang zu einer KJS unmöglich. Verordnet wurde der intensivere Kampf um die DDR-Fahne und Hymne im Olympiazyklus vor den Olympischen Spielen 1972 in München. Siegen und Medaillen gegen die „Wessis“ war der Kampfauftrag.

„Streng geheim“ auch das Doping der Kader, die Doping-Forschung und die festgelegten Absetzzeiträume. Die Sportler nannten sie intern die „kleinen blauen Steaks“, mit denen sie die Belastung um bis zu 30% überhöhen konnten. Aber nicht nur s i e, wie inzwischen alle wissen, auch der „Klassenfeind hat geschluckt“.

Richtig ist aber auch das Talente, die nach Medaillen strebten, in der DDR für Spitzenleistungen die besten Bedingungen hatten.

Sicher haben viele vergessen das dafür 16 Leistungszentren/Sportclubs/Kinder- und Jugendsportschulen schon ab 1954 systematisch aufgebaut und straff geführt wurden. Ende der 60iger schon arbeiteten beispiels-wiese beim SC Chemie Halle 24 (!) hauptamtliche Trainer für die Spitzen- und Nachwuchs-Leichtathletik und es gab ein dafür zuständiges Haus der Sportmedizin. Ähnliche „Ausstattungen“ gab es in Rostock, Schwerin, Neubrandenburg, Magdeburg, TSC Berlin, ASK Potsdam, Cottbus, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Dresden, Halle, Jena, Erfurt und Dynamo Berlin.

Vergleichbar in etwa mit den gegenwärtigen Bedingungen bei Fußball-Bundesligavereinen wie Bayern München, RB Leipzig oder Bayer Leverkusen, allerdings darf man dabei über Geld nicht reden.

Mit der Doping-Keule wurde Anfang der 90iger der „Ost-Sport“ zerstört, sogar der Kindersport in den Vereinen. Dabei ist nachgewiesen das all-überall „Ana Bolika“ nicht nur eine Bekannte war.

Auch beim DLV ging es nach der Wende „weiter wie bisher“ (wie Frau Merkel für alle Bereiche in Halle formulierte), von ein paar wenigen Versuchen mit ehemaligen DDR-Erfolgstrainern als Bundestrainer abgesehen. Leider nicht mit dem Auftrag für sie zu Hause zu „erhalten was möglich ist“, wenigstens den Kinder- und Jugendsport, bzw. eines Neuaufbaus-Ost unter den neuen Vorgaben, der bis heute nicht gelungen ist.

Bei den Olympischen Spielen 1992 wurde Deutschland dann noch einmal stolzer Dritter, mit 82 Medaillen (33 x Gold – 21 x Silber – 28 x Bronze) mit den Besten „von drüben“, danach ging es bergab. Das West-Interesse am Ost-Erbe war nicht besonders groß, zumal man noch glaubte, mit den Möglichkeiten, die der Westen mit seinen damals noch großen Sponsoren hatte, das Erbe erhalten zu können.

Leider hat man bis heute diese „Ost-Reserven“ nicht in Angriff genom-men, s i e alleingelassen, nicht den Versuch zur Herstellung wenigstens einer gewissen Funktionsfähigkeit unternommen.

Und man hat das Gefühl, das es immer noch keine Konzepte für Veränderungen gibt.

So dass man Ende 2021 in der DLV-Bestenliste beispielsweise für die 12 Mittelstrecken-, Langstrecken-Disziplinen und den Marathon der Frauen und Männer (bei 36 Möglichkeiten) lediglich 3 Männer (Robert Farken Leipzig, Karl Bebendorf Dresden, Tom Gröschel Rostock) und 1 Frau (Rabea Schöneborn Berlin) findet.

Eigentlich waren doch der DLV und DOSB mit der Verkündung der Einheit für ganz Deutschland, also auch für den Osten zuständig, mehr noch verantwortlich. „Wir müssen zuhören und miteinander sprechen“ forderte unsere langjährige Bundeskanzlerin bei der Festrede am 3.10.2021 ihre Nachfolger auf. Das muss als Aufforderung auch für demnächst für die Leichtathletik gelten.

Für den Kinder-, Jugend- und Leistungssport hat sie leider in ihrer langen Regierungsverantwortung nur wenig getan. Diese Verantwortung hinter-lässt sie nun der neuen Regierung und was die Leichtathletik betrifft auch dem DLV. Da hilft nur sich vor Ort zu kümmern und miteinander zu reden.

Lothar Pöhlitz   

author: GRR