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21
09
2021

Der Läufer Alexander Weber in seinem Element - Foto: privat

Laudatio für Prof. Dr. Alexander Weber anlässlich der Verleihung des Horst-Milde-Awards am Sonnabend, dem 18.9.2021 in Berlin

By GRR 0

Der Horst-Milde-Award wird heute zum vierten Mal vergeben. Nach Werner Sonntag (2014), Manfred Steffny (2016) und Dr. Hans-Georg Kremer (2018) zeichnen wir heute Prof. Dr. Alexander Weber mit dem Horst-Milde-Award aus.

Man könnte daraus schließen: Der Horst-Milde-Award ist etabliert, eine Laudatio auf den Preisträger zu halten reine Routine … das stimmt nicht so ganz: Wir sind mit der Verleihung wegen der Pandemie ein Jahr in Verzug, dürfen demnach im nächsten Jahr schon wieder hier zusammenkommen.

Und was die Laudatio angeht, stehe ich heute vor einer ganz besonderen Herausforderung. Für mich ist sie mehr eine Premiere als pure Routine: Ich fühle mich der zu ehrenden Person, also Dir, lieber Alexander, in einer Weise verbunden, die einen Vergleich zu den bisherigen Preisträgern ausschließt: Uns verbindet die gleiche ostwestfälische Heimat. Wir kennen uns seit fast 50 Jahren – nicht persönlich, obwohl Dein Arbeitsplatz in den 1970er Jahren nur rund 100 Meter von meinem Elternhaus in Bielefeld entfernt lag. Ich habe Dich zuerst als wissenschaftlichen Fachautor kennengelernt: Die Studie über „Verbales Verhalten im Schulunterricht“ von Weber 1972 ist Bestandteil meiner Dissertation über „Sprechen im Sportunterricht“ 1983 geworden. Alexander Weber gehört demnach zu meinen akademischen Lehrern.

Doch damit nicht genug: In den 1980er Jahren haben wir mehrfach beim Hermannslauf über 31,1 km von Detmold nach Bielefeld teilgenommen, wo wir dann auch tatsächlich irgendwann persönlich ins Gespräch gekommen sind. Das wiederum geschah freilich nur wegen besonderer Umstände, nicht unterwegs, denn: Alexander hat im Ziel auf mich gewartet. Ich breche hier ab und hoffe, es ist deutlich geworden, dass mein „Verbales Verhalten“ in dieser Laudatio unter besonders kritischer Beobachtung steht.

Zurück zum Horst-Milde-Award: Die Idee ist am 24. Oktober 2013 ganz hier in der Nähe im Olympiapark geboren, und zwar anlässlich des 75. Geburtstages von Horst Milde, den Du, lieber Horst, mit 75 geladenen Gästen im Haus des Deutschen Sports gefeiert hast. Mit der Auslobung des Horst-Milde-Awards soll das Lebenswerk von Horst Milde im kollektiven Gedächtnis unserer Zeit lebendig gehalten werden.

Horst Milde hat wie kein anderer die moderne Laufbewegung in Berlin mitbegründet und mit weltweiter Ausstrahlung in mittlerweile mehr als 60 Jahren aktiv mitgestaltet. Mit dem Horst-Milde-Award wird eine Plattform geschaffen, weitere Persönlichkeiten für ihr Lebenswerk zu ehren, die sich ähnlich, aber anders als Horst Milde in der modernen Laufbewegung verdient gemacht haben.

So steht es im Statut für den Horst-Milde-Award, das Horst Milde selbst als erster zusammen mit drei weiteren Personen unterzeichnet hat, die bis heute gleichzeitig als Jury fungieren. Die Geschäftsführung bei dem Award hat Gerd Steins, der Präsident des Forums Sportgeschichte, das ist der Fördererverein für das Sportmuseum Berlin. Zu der vierköpfigen Jury gehört ebenfalls Michael Reinsch, Sportredakteur bei der FAZ, neben meiner Person. Die Jury hat in diesem Jahr erstmals im elektronischen Umlaufverfahren getagt, aber dennoch einstimmig beschlossen, den Horst-Milde-Award 2021 an Prof. Dr. Alexander Weber zu verleihen.

Michael Reinsch (von links), Detlef Kuhlmann, Alexander Weber, Horst Milde und Gerd Steins – Foto: Sabine Milde

Wir ehren damit eine einzigartige Persönlichkeit, die ihr großartiges, aber keineswegs schon abgeschlossenes Lebenswerk in der modernen Laufbewegung auf vielfältige Weise angesiedelt hat. Wer versucht, dieses umfassende Lebenswerk in einer (höchstens) zwölfminütigen Laudatio zu beschreiben und ein wenig zu erläutern, unterliegt prinzipiell der Gefahr, etwas von den zahlreichen Aktivitäten zu vergessen und einzelne Segmente nur unzureichend zu würdigen … ich begebe mich dennoch jetzt dorthin, wo wir Läufer nicht so gern unterwegs sind – nämlich aufs Glatteis und versuche schlaglichtartig einige wenige ausgewählte Bereiche kurz zu skizzieren, um die weitreichenden und vielschichtigen Verdienste von Alexander Weber für die moderne Laufbewegung herauszustellen, und zwar immer stellvertretend für viele andere Leistungen, auf die ich aus Gründen der rhetorischen Sparsamkeit verzichten bzw. sie unter den Tisch fallen lassen muss, wo wir sie hinterher im informellen Gespräch dann gern gemeinsam noch aufsammeln können …

 

Prof. Dr. Alexander Weber (r.) erhält seine Urkunde vom Laudator Prof. Dr. Kuhlmann – Foto: Gerd Steins

Alexander Weber gibt wie kein anderer der modernen Laufbewegung in Deutschland ein Gesicht – ein bis heute jugendliches Gesicht! Alexander Weber hat die moderne Laufbewegung hierzulande über viele Jahrzehnte mit seinen Ideen und Innovationen geprägt. Alexander Weber sorgt mit seiner unermüdlichen Schaffenskraft bis heute dafür, dass die Laufbewegung, die inzwischen auch schon ihr 50. Lebensjahr überschritten hat, selbst jugendlich frisch geblieben ist. Dank Alexander Weber finden immer noch und immer mehr Menschen zum regelmäßigen Laufen und integrieren diese einfache körperliche Aktivität laufend in ihren Lebensalltag. Alexander Weber lebt uns das vor – aber: Warum eigentlich?

Alexander Weber präsentiert uns das Laufen als ein starkes Stück Lebenshilfe. Alexander Weber hat einst den Weg freigemacht, um das Laufen neu zu denken und immer wieder für sich selbst neu zu empfinden – auch über eine wettkampfmäßige Ausübung hinaus. In seinem wissenschaftlichen Ertrag finden wir uns laufend wider.

Schlaglichtartig klingt das u.a. so:

  • Laufen als Bereicherung für ein sinnerfülltes Leben,
  • Laufen als ein fester Anker, der uns aber gleichsam in Bewegung hält,
  • Laufen als Erfahrungskontrast zu unserem ansonsten bewegungsarmen Alltag,
  • Laufen als psychisch-physische Therapie, um wieder stark zu werden bzw. stark zu bleiben,
  • Laufen als freie Zeit des Draußenseins, um hinterher ganz drinnen bei sich anzukommen,
  • Laufen als ein „Mehrwert“, den wir nur für uns selbst finden und in seinem Ertrag bemessen können.

Für das alles ist Alexander Weber seit mehreren Jahrzehnten und bis heute ein wichtiger Vordenker und Vorläufer in einer Person. Ich verrate jetzt nicht seine Bestzeiten … Viel wichtiger ist mir: Er nutzt seine wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Laufpraxis und generiert umgekehrt aus seinem (lauftherapeutischen) Praxisfeld neue Forschungsansätze – mehr noch: Der Laufbewegung hat er damit eine einzigartige Dimension geöffnet und diese fortlaufend etabliert.

Alexander Weber ist der Begründer der Lauftherapie in Deutschland.

Diese therapeutische Perspektive hat die Laufbewegung exklusiv: Eine solche Dimension ist in anderen Sportarten bzw. körperliche Betätigungsformen in dieser Form nicht vorhanden: Beim so verstandenen Laufen gibt es nur Gewinner, und das sind wir selbst! Der pädagogische Psychologe Alexander Weber versteht es, seine wissenschaftliche Expertise „laufend“ so in das Praxisfeld zu transferieren, dass dadurch immer wieder „neue Neulinge“ angesprochen werden und sich inspiriert fühlen. Aber selbst diejenigen, die schon länger aktiv dabei sind, können daraus immer wieder neue Bindungskräfte für ihre eigenen Laufaktivitäten schöpfen. Der Webersche Ansatz ist für die Laufbewegung unentbehrlich; er stellt sich quasi selbst auf Dauer.

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann bei seiner Laudatio – Foto: Gerd Steins

Was ich hier mit wenigen Worten angedeutet habe, kann man sehr viel gehaltvoller bei Weber selbst nachlesen in seinen Veröffentlichungen. Und wenn ich hier und heute eine Empfehlung aussprechen darf, dann nenne ich gern den Band, den seine Freunde ihm zum 80. Geburtstag gewidmet haben. Das Buch trägt den Titel „Lebensschule Laufen“. Darin sind wesentliche Teile seiner „gedruckten“ Lebensleistung ganz bescheiden neu zwischen zwei Buchdeckel in 27 Beiträgen von und mit Alexander Weber als Autor gepresst.

Allein der Titel „Lebensschule Laufen“ klingt programmatisch. Er ist pädagogisch gesättigt und zielt doch markant darauf ab, das mit jenen zwei einschlägigen Begriffen auszudrücken, was die Lebensleistung von Alexander Weber prägnant umreißt und so einzigartig macht: Wir können das Laufen als eine Lebensschule begreifen! Es würde zu weit führen, im Rahmen dieser kleinen Laudatio auf einzelne Beiträge aus dem Buch einzugehen, auch wenn ich schon während der Vorbereitung auf diese Laudatio große Lust verspürt habe, hier zwischen den Gängen in einen Seminardiskurs einzusteigen – aber egal. Ich konzentriere mich bei der abschließenden Würdigung der Lebensleistung von Alexander Weber für die Laufbewegung auf die folgenden hervorstechenden Fakten:

Der Psychologe und emeritierte Professor im Fachbereich Erziehungswissenschaft, Psychologie, Sport an der Universität Paderborn, Alexander Weber, hat 1988 das erste und bisher einzige Deutsche Lauftherapiezentrum (das „DLZ“) gegründet und bis vor wenigen Monaten als Vorstandsvorsitzender geleitet. Inzwischen sind dort rund 1.000 Erwachsene zu Lauftherapeuten, Laufpädagogen und Laufgruppenleitern ausgebildet worden. Zu seinem Werk gehören über 300 Publikationen, sein Wissen hat er in über 500 Vorträgen und Seminaren weitergegeben. Dornumersiel an der Nordsee ist der Wallfahrtsort und das Markenzeichen der von ihm ins Leben gerufenen Lauf-Workshops.

Ebenso sei vermerkt, dass Alexander Weber z.B. als Berater bei Fachzeitschriften genauso gefragt ist wie seit mehreren Jahrzehnten als Experte für Laufschuhe bei „Spiridon“. Die von ihm eingeführten Tests mit funktioneller Einteilung und Bewertung von Laufschuhen nach Kategorien sind bis heute richtungsweisend. Dass er wegen seines vielfältigen Engagements für das gesundheitsorientierte Laufen von der Presse als „Laufprofessor“ betitelt worden ist, erwähne ich allein deswegen, weil dieser Titel m.W. in Deutschland bisher nur einmal, nämlich an ihn vergeben worden ist …

Und deswegen wollen wir jetzt zusammen mit Alexander Weber einen Moment innehalten und Dich, lieber Alexander, mit dem Horst-Milde-Award auszeichnen. Du sollst diese Auszeichnung mit einem herzlichen Dank entgegennehmen, nämlich von all den Menschen, die über Dich zum Laufen gefunden haben und für die das Laufen zu einer Lebensbereicherung geworden ist. Deswegen, lieber Alexander, soll diese Auszeichnung für Dich auch ein erneuter Ansporn sein, uns mit Deiner hohen Kompetenz und mit Deiner unermüdlichen Schaffenskraft noch viele Jahre weiter zu begleiten. Die moderne Laufbewegung braucht Deine Ideen und Impulse – sie braucht Dich als Freund und als Förderer, aber mehr noch als Vorausläufer.

Lieber Alexander, Du bist jetzt in sehr guter Gesellschaft – mit Horst Milde als Namensgeber für diesen Award und mit Werner Sonntag aus Ostfildern, mit Manfred Steffny aus Erkrath und mit Hans-Georg Kremer aus Jena.

Wir alle gratulieren sehr herzlich Alexander Weber aus Bad Lippspringe zur Verleihung des Horst-Milde-Awards 2021!   

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann 

author: GRR