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01
09
2021

Malaika Mihambo mit Gold: Das Ziel einer Reform ist es, mehr Medaillen nach Deutschland zu holen. - Malaika Mihambo in Tokyo 2020 - 2020 Tokyo Olympic Games Tokyo, Japan July 29-August 8, 2021 Photo: Jiro Mochizui@PhotoRun Victah1111@aol.com 631-291-3409 www.photorun.NET

Malaika Mihambo bleibt – Made in Germany – Kommentar von Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Uli Knapp schlägt Carl Lewis. Malaika Mihambo, Olympiasiegerin und Weltmeisterin im Weitsprung, hat sich entschieden, beim Altmeister unter den Bundestrainern am Leistungszentrum Saarbrücken zu bleiben, statt im Team des neunmaligen Olympiasiegers in Houston (Texas) ihren Traum von Amerika wahr zu machen.

Das Duo strahlt aber auch eine bemerkenswerte Harmonie aus. Mihambo, 27 Jahre alt, hat vor Jahren mit dem Klavierspielen begonnen, Knapp spielt so gut Gitarre, dass er davon leben könnte. Im Trainingslager, vor dem großen Sprung von Tokio, animierten die beiden große Teile der deutschen Auswahl, am Abend mit ihnen gemeinsam Oldies und Evergreens zu singen.

Nur das Lagerfeuer habe gefehlt, berichtete Mihambo über die stimmungsvollen Abende von Miyazaki.

Der Wechsel zu Knapp schien wie eine Notlösung, als sich die Weitspringerin und ihr Entdecker und Trainer Ralf Weber nach sechzehn Jahren trennten, der Umzug in die Vereinigten Staaten aber an der Corona-Krise scheiterte. Dann wirkte die Magie zwischenmenschlicher Beziehung und überwand mühelos 35 Jahre Altersunterschied. Knapp ist schon so lange im Geschäft, dass er seinen Kollegen Boris Obergföll, Chefbundestrainer der Speerwerfer, betreute, als dieser noch, in kurzen Hosen, beim Nachwuchs startete.

Zu der großen Erfahrung des bald 62 Jahre alten Saarländers, die auch die Arbeit mit den Weitspringern Bianca Kappler und Christian Reif umfasst, kommen mitreißende Lebensfreude und ansteckender Humor. Auf die von Natur aus neugierige, Neuem gegenüber aufgeschlossene Mihambo wirkte dieser Umgang entspannend. Gerade in der Zeit war das hilfreich und wichtig, in der Olympia verschoben wurde, Trainingsstätten geschlossen waren und Wettkämpfe ausfielen. Und er wirkte beruhigend, als es galt, zurückzukommen aus dem erzwungenen Winterschlaf und sich nicht aufzureiben zwischen unrundem Anlauf und allergrößtem Ehrgeiz.

Entscheidend sein dürfte die Goldmedaille, die Mihambo dank ihrer Nervenstärke im letzten Versuch gewann, doch gewiss nicht dank dieser Nervenstärke allein. Knapp und das von ihm gesteuerte Team drum herum, von der Physiotherapie über die ärztliche und psychologische Betreuung bis zur Ernährungsberatung sowie Bewegungs- und Leistungsanalyse, erwiesen sich als erstklassig. Dies bestätigt Mihambo mit ihrem Bleiben. Ihre Siege bei Europameisterschaft, Weltmeisterschaft und Olympischen Spielen widersprechen dem Eindruck, den die Wechsel des langläuferischen Wunderkindes Konstanze Klosterhalfen nach Portland (Oregon) und der Sprinterin Gina Lückenkemper nach Clermont (Florida) geweckt haben: dass leichtathletische Begabung und Ambition sich in Deutschland nicht angemessen entwickeln könnten.

Immerhin für Mihambo gilt das nicht. Die Solistin hat, im Ensemble des deutschen Verbandes, auf der Weltbühne eine herausragende Leistung erbracht.

Kommentar von Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Dienstag, dem 24. August 2021

Michael Reinsch

Korrespondent für Sport in Berlin.

 

author: GRR