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30
08
2021

The World Athletics Council has selected Tokyo, Japan, to host the 2025 World Athletics Championships. - 2020 Tokyo Olympic Games Tokyo, Japan July 29-August 8, 2021 Photo: Andrew McClanahan@PhotoRun Victah1111@aol.com www.photorun.NET

Großes Echo auf die GRR-Kommentare von Milde/Blödorn zum Abschneiden der deutschen Leichtathleten bei den Olympischen Spielen in Tokio 2020 – Eine Sichtung von Wilfried Raatz

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Die von Horst Milde und Dr. Wolfgang Blödorn verfassten und auf der GRR-Website am 17. August 2021 veröffentlichten Kommentare zum Abschneiden der deutschen Olympiamannschaft, insbesondere der deutschen Leichtathleten, bei den Olympischen Spielen in Tokio 2020, haben ein überraschend starkes Echo gefunden.

Nach einer ersten Sichtung veröffentlichen wir gerne einige Kommentare in Auszügen.

So schreibt Jürgen Mallow, früherer Cheftrainer und Sportdirektor beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV): „Ich selbst habe eine Analyse erstellt und komme, aus anderer Sichtweise, zu gleichen Schlussfolgerungen: Es muss erhebliche Veränderungen in der Struktur der Leistungssportförderung und natürlich im Training geben!“

Und legt die Finger auf die Schwachstellen: „Die Defizite sehe ich vor allem in der mangelhaften internationalen Konkurrenzfähigkeit unserer Trainer (interne/externe Wissensvermittlung, Weiterbildung, Austausch), in der Art und Weise, wie sie ihre Aufgaben wahrnehmen (Führung der Disziplin). In der ab 2010 weitgehend vernachlässigten Investition in die Nachwuchskader U18/U20 und in einer absoluten Vernachlässigung des Austausches mit Dritten (kompetenten Einzelnen, spitzensporttreibenden Vereine, Veranstalter etc.)“.

Jürgen Mallow fügt allerdings auch eine Korrektur hinsichtlich der Nominierung im Laufbereich an: „Es war, zumindest von 2005 bis 2009, nicht der DLV, der die Entsendung von Marathonläufern verhindert hat, es war der DOSB mit seiner unsinnigen Vorgabe der Endkampfchance. Immerhin konnten wir dennoch 2006 in Göteborg mit Jan Fitschen und Ulrike Maisch zwei EuropameisterInnen stellen“.

Rudi Thiel, der langjährige Chef des international hoch geschätzten ISTAF in Berlin, sieht als intimer Kenner der Leichtathletik die Kritik am deutschen Abschneiden deckungsgleich. „Ich beobachte seit nunmehr zwanzig Jahren mit großer Sorge den Rückschritt unserer Leichtathletik aus den Medien und damit der Gesellschaft!“ Und schlägt sogleich die bundesweite Belebung der Mannschaftswettkämpfe DSMM, DJMM und DMM vor, die mit finanziellen Anreizen die Vereine zusätzlich motivieren sollen. Als weitere Maßnahme sieht Thiel Partnerschaften mit Schulen und Universitäten.

Der frühere 800 m-Spezialist Gerhard Kopp vom SCC Berlin fokussiert seinen Blick vor allem auf das aktuelle Leistungsvermögen der deutschen 400 m-Läufer, die derzeit fernab jeglichen olympischen Niveaus ein Schattendasein fristen. „Man sollte sich lediglich einmal das Ergebnis der Deutschen Meisterschaften 1960 in Berlin anschauen, als auf der Aschenbahn im Olympiastadion Carl Kaufmann, Manfred Kinder und Johannes Kaiser um die 46 Sekunden und Jochen Reske knapp darüber liefen. Das war unsere 4 x 400 m-Staffel, die bei den Olympischen Spielen in Rom Silber gewann!“

Uli Hobeck, langjähriger Chef der German Meetings, sieht den derzeitigen Zustand der deutschen Leichtathletik aber auch in Verbindung mit dem Niedergang der deutschen Stadion-Leichtathletik. „Es fehlt an politischer Akzeptanz und gesellschaftlicher Anerkennung, nur so ist die Reduzierung der Meetings zu verstehen!“ Mit einher gingen somit die verringerten Chancen für deutsche Athleten, in hochkarätigen Startfeldern das eigene Leistungsniveau zu prüfen und Konsequenzen für das persönliche Training zu ergreifen.

Prof. Alexander Weber nennt für das Abschneiden der deutschen Leichtathleten nur die Begriffe „geradezu aufrüttelnd“ und „erschütternd“ und sieht im Niedergang der Leichtathletik unter anderem auch die Umorientierung an den Universitäten mit einem Fokus auf Gesundheitssport, Prävention, Entspannung und mehr anstelle der einst so ausgeprägten Ausbildung von qualifizierten Trainern für den Hochleistungssport.

Der frühere Ruder-Olympiasieger Wolfgang Maenning möchte die kritischen Worte allerdings nicht alleine in Richtung Leichtathletik gelten lassen, sondern bezieht diese auch auf andere Sportarten. „Wir haben nicht nur ein Problem in der Leichtathletik, auch im Rudersport gibt es ein ähnliches Problem. Der DRV ist der größte Ruderverband der Welt. Er konnte nur sieben Boote für die 14 Bootsgattungen qualifizieren. Davon haben lediglich drei das Finale erreicht, und es gab zwei Medaillen, darunter keine Goldmedaille. Keine Goldmedaille – das gab es nur 1952, 1956 und 2008“.

Die Kritik von Professor Wolfgang Maenning greift allerdings weiter, denn er bezieht auch andere Sportarten wie Schwimmen, Kanu und Fechten mit ähnlichen Problemen ein. Und kommt zur Forderung: „Ich denke, dass die Spitzensport-Förderung in Deutschland insgesamt auf den Prüfstand gehört. PotAS ist meines Erachtens ungeeignet, um bessere Erfolge zu generieren. Wir können uns es einfacher machen: Wir müssen nur die Systeme von Nationen untersuchen, die deutlich erfolgreicher sind: Großbritannien, Australien, und inzwischen sogar Frankreich und Italien.

Aus diesen Systemen sollten wir uns das Interessanteste herauspicken und bei uns umsetzen. Es wird vielleicht nicht so perfekt sein, die Dinge müssen sich entwickeln.

Es wird aber allemal besser sein, als wenn es nur ein „weiter so“ gibt!“

Zusammenstellung aus den umfangreichen Einsendungen von Wilfried Raatz

https://germanroadraces.de/?p=182213

 

author: GRR