Aus diesem Anlass werden hier einige jener Persönlichkeiten in kurzen Porträts gewürdigt, die in der Gründer- und in der Folgezeit den DSB bis zu seiner Auflösung bzw. Neugründung als Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB) im Jahre 2006 gestalterisch als ehren- oder hauptamtliche Persönlichkeiten geprägt haben.
Dabei handelt es sich nur um eine kleine Auswahl derjenigen Frauen und Männer, die über Jahre und Jahrzehnte dem DSB gedient und auf ihre Weise an der Entwicklung des organisierten Sports in Deutschland bedeutsam mitgewirkt haben. Damit soll in das breite Spektrum der Wirkungskreise dieser Persönlichkeiten des Sports verdeutlicht werden.
Die ausgewählten Persönlichkeiten stehen stellvertretend für viele andere, die zwischen 1950 und 2006 den DSB als Dachorganisation des (west-) deutschen Sports an unterschiedlichen Stellen (z.B. hauptberuflich als Führungskräfte oder ehrenamtlich im Präsidium) mitgearbeitet haben. Die Würdigung dieser ausgewählten Persönlichkeiten bezieht sich schwerpunktmäßig auf deren Wirken und ihr je besonderes Engagement im DSB bzw. für den DSB bis zur Gründung der Nachfolgeorganisation DOSB im Jahre 2006. Für die Nennung der Quellen steht der Autor auf Anfrage zur Verfügung. Die Präsentation der DSB-Persönlichkeiten erfolgt in zwei Teilen, und zwar in alphabetischer Reihenfolge des jeweiligen Nachnamens. Der erste Teil beginnt mit Willi Daume und endet bei Klaus Heinemann:
Willi Daume
Prof. h.c. Dr. h.c. Willi Daume wurde zum ersten Präsidenten des DSB gewählt, als dieser am 10. Dezember 1950 im Hodlersaal des Neuen Rathauses von Hannover gegründet wurde. Willi Daume erhielt 64 von 84 abgegebenen Stimmen und war zu diesem Zeitpunkt als Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB) Delegierter der Gründungversammlung in Hannover gewesen. Mit Willi Daume wurde eine junge Persönlichkeit zum DSB-Präsidenten gewählt, die zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen zu vermitteln wusste, um eine neue Einheit im organisierten Sport der Bundesrepublik Deutschland formal herzustellen und inhaltlich aufzubauen. Eine solche bundesweite Organisation hatte es bisher noch nicht in der Selbstverwaltung des Sports gegeben.
Daumes Wahl sollte sich als „ein Glücksfall für den deutschen Sport“ erweisen. Das resümiert Norbert Wolf in seinem Porträt über Willi Daume anlässlich des 40. Bestehens des DSB in dem dazu herausgegebenen Band über „Die Gründerjahre des Deutschen Sportbundes: Wege aus der Not zur Einheit“ (Schorndorf 1990: Verlag Hofmann). Willi Daume gelang es, auf der Basis der beiden ethischen Prinzipien der Toleranz und der Humanität die folgenden sechs Säulen im und für den deutschen Sport einzurichten. Norbert Wolf fasst diese in seinem Beitrag stichwortartig etwa so zusammen:
(1) Schaffung einer staatlichen und parteipolitischen Unabhängigkeit mit Zusammenführung aller bisher getrennten Sportorganisationen aus der bürgerlichen, konfessionellen und der Arbeitersportbewegung,
(2) Gewinnung von Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft und Politik für den Sport, um ihm damit höhere Anerkennung als „Kulturgut“ zu verschaffen,
(3) Initiativen zur Förderung des Schulsports, des Jugendsports, des Breitensports (Stichwort: „Zweiter Weg“) sowie Schaffung von Förderformaten für den Leistungs- und Spitzensport (Stichwort: Stiftung Deutsche Sporthilfe),
(4) Durchsetzung einer gesamtdeutschen Olympia-Mannschaft von 1956 bis 1964 sowie der Vergabe der Olympischen Sommerspiele 1972 nach München mit einem heiteren kulturellen Rahmenprogramm,
(5) Hilfestellung beim Aufbau einer Sportwissenschaft in der Bundesrepublik Deutschland (u.a. mit Gründung des Bundesinstituts für Sportwissenschaft),
(6) Schaffung einer ständigen Verbindung zwischen Kirche und Sport in „kritischer Solidarität“.
Willi Daume übergab sein Amt als DSB-Präsident nach 20-jähriger Amtszeit im Jahre 1970 an den Präsidenten des Deutschen Turner-Bundes, Wilhelm Kregel (1909-1994), um seine volle Arbeitskraft ganz der Vorbereitung der Olympischen Spiele 1972 in München in seiner Funktion als Präsident des Organisationskomitees zu widmen. Dabei war Will Daume längst als der „Multi-Funktionär“ auf der nationalen und internationalen Bühne des Sports angekommen und setzte sein Wirken für den Sport nach den Spielen von München weiter fort. Das Amt als Präsident des DHB hatte Willi Daume bereits im Jahre 1955 an den Gießener Ernst Feick (1911-2007) abgegeben. Mit all seinen Ehrenämtern im Sport seit den Anfängen im DHB 1949 und im DSB ab 1950 gilt Willi Daume bis heute als die zentralste Führungsfigur im deutschen Sport. Zu seinen wichtigsten Ämtern außerhalb der Präsidentschaft im DSB über zwei Jahrzehnte gehörten: Präsident des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland (1961-1992), Vorsitzender der Stiftung Deutsche Sporthilfe (1989-1991), Mitglied (1956-1991) und Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (1972-1976), Vorsitzender der Deutschen Olympischen Gesellschaft (1979-1988).
Willi Daume wurde 2006 (posthum) in die Hall of Fame des deutschen Sports als „Gestalter & Denker“ aufgenommen. Darin werden auch seine beruflich-biografischen Verstrickungen während der NS-Zeit (u.a. NSDAP-Mitglied seit 1937, Beschäftigung von Zwangsarbeitern in der väterlichen Eisengießerei) und die „Ambivalenz des Schicksals“ als Wegbegleiter Daumes aufgezeigt – denn erst verhinderte das Attentat auf die israelische Olympiamannschaft 1972 in München die Sicht auf ein neues, weil besseres Deutschland, was Daume sich mit den heiteren Spielen so sehr gewünscht hatte. Danach wurde ihm der westdeutsche Olympia-Boykott für die Spiele von Moskau 1980 bei der (gescheiterten) Wahl als IOC-Präsident zum Verhängnis. Steffen Haffner, langjähriger Leiter der Sportredaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, schreibt dann in seiner Laudatio über Willi Daume u.a. wörtlich: „Den dunklen Stunden folgte ein Jahr später das Hoch des Olympischen Kongresses von Baden-Baden, wo sich die gespaltene Sportwelt wiedervereinte, als hätte es den Boykott nicht gegeben. Der charismatische Vater der Münchner Spiele hatte dieses bedeutendste Forum der Olympischen Bewegung mit dem Geist und dem Design von 1972 inspiriert. Es war seine Idee, den Athleten, an der Spitze Thomas Bach, seinem Nachfolger im IOC und Nachfahren beim Deutschen Olympischen Sportbund, erstmals Rederecht einzuräumen. Da wehte ein frischer, jugendlicher Wind durch die Konferenzräume. Aus dieser Initiative entstand dann die Athletenkommission des IOC.“
Willi Daume kam früh über seinen sportbegeisterten Vater zum TSC Eintracht Dortmund und wurde dort in der Leichtathletik (hier: u.a. 1,82 m mit der Schertechnik im Hochsprung) und im Handball (hier: als Torwart) aktiv. Bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin war Daume Mitglied der Basketballmannschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm Daume bald mehrere ehrenamtliche Funktionen auf lokaler und regionaler Ebene im Verein und Verband seiner Lieblingssportart Handball. Für sein Wirken wurde Willi Daume vielfach ausgezeichnet: Goldenes Band der Sportpresse (1967), Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband (1986), Verleihung des Olympischen Ordens in Gold des IOC (1992), dazu Ehrenmitgliedschaft im IOC (1991), ferner Ehrenpräsidentschaften im DSB (1970), im NOK (1992) und im DHB (1955), der heute seine Geschäftsstelle in Dortmund als „Willi-Daume-Haus“ bezeichnet. Am 4. Mai 2007 wurde in Frankfurt die Deutsche Olympische Akademie Willi Daume gegründet. Sie entstand als Förderverein durch die Zusammenlegung der Aufgaben und Mittel des Deutschen Olympischen Instituts und des Kuratoriums Olympische Akademie und Olympische Erziehung des früheren Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland sowie der Willi-Daume-Stiftung. Willi Daume erhielt mehrere Ehrendoktorwürden, die erste wurde ihm (lt. KI) 1967 von der Universität Dortmund verliehen. Die Medizinische Fakultät der Universität Freiburg verlieh ihm 1988 eine Ehrenprofessur.
Will Daume wurde am 24. Mai 1913 in Hückeswagen im Rheinland geboren und starb am 20. Mai 1996 in München.
Erika Dienstl
Erika Dienstl war von 1982 bis 2002 Vize-Präsidentin im DSB und hier insbesondere für die Ressorts „Internationales“ sowie „Sport und Umwelt“ zuständig; von 2018 bis 2022 wurde sie zum persönlichen Mitglied des Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gewählt. Erika Dienstl ist heute mit ihren 95 Jahren die älteste „multi-präsidiale“ Persönlichkeit des deutschen Sports. Sie hat mit ihren unterschiedlichen ehrenamtlichen Tätigkeiten die nationale und europäische Sportwelt weit über 50 Jahre mitgeprägt … und sie war die erste Frau als Präsidentin eines deutschen Sportverbandes:
Erika Dienstl stand als Präsidentin von 1986 bis 2000 an der Spitze des Deutschen Fechter-Bundes (DFB), anschließend wurde sie zur Ehrenpräsidentin ernannt. Ihr Talent für „höhere“ Aufgaben wurde im Frühjahr 1968 in der Sportschule des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen (LSB NRW) in Duisburg-Wedau entdeckt, als Erika Dienstl von der Sportjugend des LSB NRW zum Auswahlwettbewerb für den Betreuerstab der Deutschen Sportjugend (dsj) beim Olympischen Jugendlager in Mexiko nominiert wurde und sich auch prompt dafür qualifizieren konnte. Ihr Amt als Jugendwartin des Rheinischen Fechter-Bundes (1963-1965) hatte sie da schon abgelegt und war zur Jugendwartin im DFB (1965-1970) aufgestiegen.
Ab 1970 wurde Erika Dienstl Vorstandsmitglied in der Deutschen Sportjugend (dsj) im DSB mit dem Zuständigkeitsbereich für internationale Aufgaben; von 1972 bis 1982 folgte sie dann dem Vorsitzenden Dieter Buchholtz (1932-2009) als die erste Frau in der Geschichte der dsj in diesem Amt und setze hier sowohl sportfachliche als auch soziale Akzente. Eines ihrer Lieblings-Projekte war der Deutsch-Japanische Jugendaustausch im Sport: „Damals wurde die Idee geboren, welche bis heute Bestand hat: Der Simultanaustausch zwischen der Japan Junior Sport Club Association und der Deutschen Sportjugend. Nicht nur alle vier Jahre zu den Olympischen Spielen, sondern jedes Jahr wollten wir Jugendlichen beider Länder ermöglichen, die Kultur des anderen zu erleben. Die gemeinsame Basis bildet bis heute immer der Sport und die Werte, die mit ihm verbunden sind», erinnert sich Erika Dienstl an diese («ihre») dsj-Initiative, an der inzwischen über 10.000 Jugendliche beider Länder teilgenommen haben.
Genau 20 Jahre war Erika Dienstl ab 1982 Vizepräsidentin des DSB, zunächst unter Präsident Hans Hansen (1926-2007), später mit dem Berliner Freiherr Manfred von Richthofen (1934-2014) als letzten DSB-Chef vor der Gründung des DSOB im Jahre 2006, der die Jubilarin anlässlich ihres 70. Geburtstages in einer Laudatio als die „engagierte Außenministerin des deutschen Sports“ bezeichnet hatte, um damit auch ihre großen Verdienste u.a. im Kuratorium des Deutsch-Französischen Jugendwerkes zu würdigen, aber ebenso ihre außerordentlichen Verdienste als eine Art „Umwelt- und Sozialministerin“ des Sports herauszustellen.
Ein weiteres erfolgreiches Leuchtturm-Projekt von Erika Dienstl in ihrer Präsidiumsamtszeit beim DSB ist die Errichtung des EU-Büros des Sports in Brüssel im Jahre 1993, für das sie den ideellen Grundstein und die diplomatischen Weichen gestellt hat. Im Jahre 2008 wurde Erika Dienstl in Istanbul dafür mit dem Laurel Awards der Vereinigung der Europäischen Olympischen Komitees ausgezeichnet. Stellvertretend für etliche andere seien noch diese Ehrungen genannt: 1977 Bundesverdienstkreuz am Bande, 1984 Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und 1996 das Große Bundesverdienstkreuz. Ihre jüngste Ehrung datiert aus dem Jahre 2023: Dabei wurde sie vom Internationalen Fair Play Komitee (CIPF) mit einer besonderen Fair Play Plakette für ihr lebenslanges Engagement und ihre Führungsqualitäten geehrt.
Diese hohe Auszeichnung wurde ihr in ihrem Zuhause in Stolberg bei Aachen von Sunil Sabharwal (USA), dem Generalsekretär des CIFP, überreicht. Als Repräsentantin des DOSB war die langjährige Vize-Präsidentin für Bildung und Olympische Erziehung, Prof. Dr. Gudrun Toll-Tepper, zugleich Ehrenpräsidentin des Weltrates der Sportwissenschaft (ICSSPE) und Mitgründerin des CIFP, mit dabei: „Erika Dienstl kann auf ein einzigartiges Lebenswerk zurückblicken. Für Ihr jahrzehntelanges Engagement in vielen unterschiedlichen Facetten des Sports – national und international – gebührt ihr unser großer Dank. Ihr ist es gelungen, den Grundstein für nachhaltige Entwicklungen im Sport zu legen, so wie beim deutsch-japanischen Jugendaustausch. Das ist ein Ansporn für uns alle“, mit diesen Worten gratulierte die Berliner Sportwissenschaftlerin Gudrun Doll-Tepper, seit Dezember letzten Jahres auch Ehrenmitglied im DOSB, Erika Dienstl anlässlich ihres 95. Geburtstages am 1. Februar 2025.
Erika Dienstl ist am 1. Februar 1930 in Aachen geboren und lebt in Stolberg in der Städteregion Aachen.
Heinz Fallak
Dr. h.c. Heinz Fallak war von 1974 bis 1988 Vorsitzender des (ehrenamtlich tätigen) Bundesausschusses Leistungssport (BAL) im DSB und damit gleichzeitig Präsidiumsmitglied im DSB; ebenso gehörte er in diesem Zeitraum dem Nationalen Olympischen Komitee (NOK) an. Heinz Fallak hat in dieser ehrenamtlichen Funktion den Leistungssport in der Bundesrepublik Deutschland wesentlich mitbestimmt und ihm im wahrsten Sinne des Wortes Stimme und Gesicht gegeben:
Vom NOK wurde Heinz Fallak bei den drei Olympischen Sommerspielen in Montreal (1976), Los Angeles (1984) und Seoul (1988) zum Chef de Mission berufen. Im Jahre 1980 kämpfe er an der Seite von Willi Daume gegen den westdeutschen Boykott der Spiele von Moskau. Zwischenzeitlich hatte Heinz Fallak auch den Vorsitz des Vereins der Trainerakademie Köln des heutigen DOSB übernommen und war Vorstandsmitglied der Stiftung Deutsche Sporthilfe.
In die Amtszeit von Heinz Fallak beim DSB gehörte auch die Entwicklung neuer Leitlinien für den Leistungssport, die bei der 17. Sitzung des Hauptausschusses des DSB 1976 in Baden-Baden als „Grundsatzerklärung für den Spitzensport“) verabschiedet wurden. An der Konzeption der Erklärung mit Forderungen an und Verpflichtungen für Athletinnen und Athleten war Heinz Fallak maßgeblich beteiligt. Ein anderer wichtiger Tätigkeitsschwerpunkt vor allem in den 1970er Jahren der Kampf gegen Doping. Hier war Heinz Fallak u.a. Mitinitiator zahlreicher Anti-Doping-Beschlüsse. Bei all seinem großen Engagement für den Leistungssport lag ihm in gleicher Weise die „Soziale Offensive im Sport“ am Herzen. In einem Porträt aus Anlass des 50-jährigen Bestehens des DSB hat Fritz Mevert Heinz Fallak als „Sportpolitiker mit Engagement und Weitblick“ zutreffend gewürdigt.
Schon während seiner Zeit als aktiver Sportler mit Schwerpunkt in der Leichtathletik (u.a. mit 7,39 m im Weitsprung und 13,71 m im Dreisprung für Schwarz-Weiß Hamborn und Rot-Weiß Oberhausen) übernahm Heinz Fallak ehrenamtliche Tätigkeiten in Vereinen und Verbänden (u.a. in der Sportjugend Oberhausen). Im Jahre 1958 wurde er ehrenamtlicher Trainer im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) mit Zuständigkeiten für die Weitspringerinnen und Fünfkämpferinnen. Zum Sportwart des DLV wurde Heinz Fallak 1965 gewählt – an den großen Erfolgen in der Leichtathletik bei den Olympischen Spielen 1972 in München gebührt ihm ein ganz wesentlicher Anteil.
Heinz Fallak hatte auf dem zweiten Bildungsweg am Abendgymnasium in seiner Heimatstadt Duisburg das Abitur nachgeholt und an der Universität Marburg die Fächer Sport, Deutsch und Geschichte studiert. Er fand zuerst eine Anstellung als Sportlehrer bei den Bergmännischen Berufsschulen in Duisburg-Hamborn, wurde danach Stadtsportlehrer von Oberhausen und leitete von 1958 bis 1964 das Sportamt der Stadt Münster. Die anschließende Berufskarriere in der Ministerialverwaltung des Landes Hessen beendete er bei Eintritt in den Ruhestand 1993 als Ministerialdirigent und stellvertretender Staatsekretär im Hessischen Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit.
Zu seiner eindrucksvollen Karriere im Ehrenamt gehört auch die siebenjährige Präsidentschaft im Landessportbund Hessen von 1990 bis 1997; anschließend wurde er zum Ehrenpräsidenten ernannt. Für seine Verdienste im Sport erhielt Heinz Fallak das Große Bundesverdienstkreuz und den Hessischen Verdienstorden. Die Universität Frankfurt verlieh ihm 1996 die Ehrendoktorwürde. Heinz Fallak war Ehrenmitglied im DSB und im NOK. Der Landessportbund Hessen hat das Wirken von Heinz Fallak in einer eigenen Publikation zusammengestellt (von Rolf Lutz): „Heinz Fallak 1928–1999. Sein Leben für Sport und Politik. Eine Dokumentation des Landessportbundes Hessen 2003.“ Zur Erinnerung an sein Wirken im LSB Hessen trägt die Sporthalle Jugendburg und Sportbildungsstätte Sensenstein den Namen „Heinz-Fallak-Halle“.
Heinz Fallak wurde am 24. Mai 1928 in Hamborn geboren und ist am 5. Mai 1999 in Wiesbaden gestorben.
Karlheinz Gieseler
Dr. h.c. Karlheinz Gieseler wurde 1959 von DSB-Präsident Willi Daume als hauptamtlicher Pressereferent des DSB eingestellt; sein Dienstort war zuerst Dortmund, wo Daume selbst residierte. Im Jahre 1964 wurde Karlheinz Gieseler Nachfolger von Guido von Mengden (1996-1982) als Hauptgeschäftsführer des DSB. Diese höchste hauptamtliche Position im DSB bekleidete Gieseler bis zu seinem altersbedingten Ausscheiden Ende 1989 als DSB-Generalsekretär. Ihm folgte Norbert Wolf nach der Wiedervereinigung Deutschlands.
Karlheinz Gieseler hat rund ein Vierteljahrhundert die Sportpolitik in der Bundesrepublik Deutschland „federführend“ mitgeprägt. Weggefährten beschreiben Gieseler als Vorbild in Bezug auf seinen Fleiß und seine Zielstrebigkeit, seine Einsatzbereitschaft und seine Belastbarkeit, aber nicht auch zuletzt wegen seiner Sportlichkeit – aber: Wenn es um die „gute Sache“ ging, hat Gieseler nie Auseinandersetzungen gescheut, seinen Standpunkt mit Leidenschaft zu vertreten, um schließlich seine Ideen durchzusetzen.
Den gesellschaftlichen Aufschwung des Sports in der Bundesrepublik Deutschland ab Mitte der 1960er Jahre (mit der Vergabe der Olympischen Spielen nach München 1972) hat Generalsekretär Gieseler (kurz auch: der „General“) aus der DSB-Zentrale in Frankfurt entscheidend mitgestaltet. In seiner Amtszeit hat sich die Zahl der Mitgliedschaften des DSB von 6,5 Millionen auf knapp 21 Millionen erhöht.
Dabei kam es für Karlheinz Gieseler immer darauf an, im DSB eine Balance zu wahren zwischen der Förderung des Leistungs- und Spitzensports auf der einen und der Zuwendung zum „Sport für alle“ als Breiten- und Freizeitsport der anderen Seite: Zusammen mit den beiden anderen hauptamtlichen Führungskräften Jürgen Palm und Helmut Meyer (1926-2001, auch bekannt als „Leistungs-Meyer“, bildete Gieseler auf hauptamtlicher Seite über mehrere Jahrzehnte „das“ DSB-Führungstrio. Mit besonderer Intensität widmete sich Karlheinz Gieseler dem deutsch-deutschen Sportverkehr und konzipierte Sportverträge mit allen damaligen Ostblockländern. Unter Gieselers Regie startete 1973 in Wien die Europäische Sportkonferenz.
Karlheinz Gieseler war als Jugendlicher in der Leichtathletik aktiv, wo er über 1.500 m zur nationalen Spitze gehörte. Während des Zweiten Weltkrieges trat er 1943 der Waffen-SS bei; als Stoßtruppführer im Unteroffiziersrang wurde er kurz vor Kriegsende mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet. Nach Internierungslager und Kriegsgefangenschaft aus der er 1948 entlassen wurde, arbeitete Gieseler zunächst in handwerklichen Berufen und als Buchhändler, bevor er Anfang der 1950er Jahre begann, Volkswirtschaft zu studieren. Gleichzeitig betätigte sich Gieseler als Sportjournalist vorzugsweise im Rhein-Main-Gebiet, bis er zum DSB wechselte.
Als Karlheinz Gieseler Ende Dezember 1989 beim DSB in den Ruhestand ging, würdigte Hans Hansen (1926-2007) als DSB-Präsident Gieselers Verdienste für den DSB u.a. mit den Worten: „Der Vor- und Querdenker, der Ankurbler, der Ideenlieferant, der rastlose Sportpolitiker und nicht selten für alle seine Partner auch unbequeme Zeitgenosse hat dem DSB in mehr als zweieinhalb Jahrzehnen seinen unverwechselbaren Stempel aufgedrückt“. Hebert Fischer-Solms (1946-2022) hat Gieseler in einem Nachruf für den Deutschlandfunk als den „Architekten des deutschen Sports“ bezeichnet. Karlheinz Gieseler wurde mit zahlreichen nationalen und internationalen Auszeichnungen für sein unermüdliches Schaffen im deutschen Sport bedacht, darunter das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Die Fakultät für Sportwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum hat Karlheinz Giesler zum Ehrendoktor (Dr. h.c.) ernannt.
Karlheinz Gieseler wurde am 20. Juli 1925 in Schweez im Landkreis Rostock geboren und ist am 17. Oktober 2010 in Neu-Isenburg bei Frankfurt gestorben.
Hans Gmelin
Hans Georg Oskar (kurz: Hans) Gmelin wurde im Jahr 1970 zum Vizepräsidenten des DSB gewählt. Seine Amtszeit dauerte bis in das Jahr 1982 und war geprägt von vielen Expansionen und unterschiedlichen Ereignissen – eines sei besonders hervorgehoben und auf Hans Gmelin personalisiert: Als Interimspräsident des DSB (nach dem Rücktritt von Wilhelm Kregel im April 1974 und bis zur Wahl von Willi Weyer Ende Mai 1974) unterzeichnete Hans Gmelin „federführend“ für den DSB das (erste) Abkommen für den deutsch-deutschen Sportverkehr mit dem Deutschen Turn- und Sportverband (DTSB) der DDR. Damit wurde die formale Grundlage geschaffen, dass in der Folgezeit bis zum Fall der Mauer im November 1989 ein regelmäßiger Austausch von Sportbegegnungen mit Sportvereinen aus den Mitgliedsverbänden des DSB und Vereinen aus der DDR stattfinden konnte.
Hans Gmelin reüssierte häufig als Tagungspräsident bei den alle vier Jahre stattfindenden „Bundestagen“ des DSB sowie bei den jährlichen Sitzungen des Hauptausschusses. Dabei verband er seine juristische Kompetenz mit einem straffen Führungsstil sowie mit schwäbischem Charme. Während seiner Zeit als Vizepräsident des DSB hatte Hans Gmelin noch weitere Ehrenämter auf Bundesebene inne: im Präsidium der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG), im Direktorium des Bundesinstituts für Sportwissenschaft, als Beauftragter des DSB half er, die Stiftung Deutsche Sporthilfe als Sozialwerk des Sports aufzubauen. Als Hans Gmelin 1982 mit 70 Jahren aus dem Präsidium des DSB ausschied, wurde er zum Ehrenmitglied ernannt.
Hans Gmelin brachte eine Sportbiografie als Leichtathlet und Handballer in seinem SV 03 Tübingen in seine Funktionärskarriere im organisierten Sport auf regionaler und nationaler Ebene mit ein. Im Jahre 1951 wurde er mit 50 Jahren zum Vorsitzenden des Württembergischen Landessportbundes gewählt. Dieses Ehrenamt übte er bis 1975 aus. Nach der Gründung des Landessportverbandes Baden-Württemberg als „Landes-Dach“ führte er diesen bis in das Jahr 1982 als (erster) Präsident weiter. Für sein politisches und ehrenamtliches Wirken im Sport wurde Hans Gmelin mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern ausgezeichnet.
Der Jurist Gmelin und Vater der späteren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin arbeitete im Hauptberuf zunächst als Referent im Wirtschaftsministerium der baden-württembergischen Landesregierung. Im Oktober 1954 wurde er als parteiloser Kandidat über die Liste der Freien Wähler zum Oberbürgermeister der Stadt Tübingen gewählt und übte dieses Hauptamt 20 Jahre lang aus. Eine ganz andere „Laufbahn“ lag da schon hinter ihm:
Gleich nach der Regierungsübernahme der Nationalsozialisten trat Hans Gmelin im Oktober 1933 der Sturmabteilung (SA) bei; im Mai 1937 wurde er Mitglied der NSDAP und war u.a. von 1941 bis 1945 Gesandtschaftsrat in der Slowakei. Gmelin wurde später als „Mitläufer“ eingestuft. Erst in höherem Alter bezeichnete er sich öffentlich als Mitglied der „Tätergeneration“ in der NS-Zeit.
Hans Gmelin wurde am 17. Oktober 1911 in Tübingen geboren und ist am 23. Juli 1991 in Tübingen gestorben.
Ommo Grupe
Prof. Dr. Dr. h.c. Ommo Grupes erste Station während seiner langjährigen ehrenamtlichen Zugehörigkeit zum DSB war 1962 die Berufung als Mitglied in den Deutschen Sportbeirat des DSB. Im Jahre 1974 wurde Ommo Grupe als Vorsitzender des Bundesausschusses für Wissenschaft und Bildung in das Präsidium des DSB gewählt. Von 1986 bis 1994 war er auch Vizepräsident des DSB, von 1990 bis 1994 dazu Vorsitzender des Beirats für Grundsatzfragen im DSB und von 1990 bis 2006 Vorsitzender des Kuratoriums für die Verleihung der Carl-Diem-Plakette des DSB (heute Wissenschaftspreis des Deutschen Olympischen Sportbundes). Damit sind lediglich die wichtigsten formalen Funktionen genannt, die Ommo Grupe im DSB in mehr als vier Jahrzehnten bekleidet hat. Ommo Grupe hat wie kein anderer Sportwissenschaftler in Deutschland mit seinem Wirken im und für den DSB dafür gesorgt, die Sportwissenschaft als kritischen Begleiter des organisierten Sports beim DSB zu etablieren.
Das akademische Schaffen von Ommo Grupe war stets geprägt von der Maxime „Für einen besseren Sport …“. Unter diesem auffordernden Titel legten 30 Kollegen und Weggefährten zum 60. Geburtstag von Ommo Grupe 1990 eine anspruchsvolle Sammlung von „Themen, Entwicklungen und Perspektiven aus Sport und Sportwissenschaft“ (Hrsg. Hartmut Gabler & Ulrich Göhner) vor. Dieses Werk knüpft zum einen an Grupes breites und vielfältiges Wirken an und sollte zum anderen sein besonderes humanes Interesse am Sport verdeutlichen: „Für einen besseren Sport“ – darüber lohnt es sich auch heute noch nachzudenken und immer wieder neue Wegmarken zu setzen! Grupes Anliegen bestand ebenso darin, die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Sports herauszustellen und damit die Notwendigkeit der wissenschaftlichen Erforschung eines humanen Sports zu begründen: Seine vertretenen Positionen, seine angedachten Projekte und seine zahlreichen Publikationen waren prägend für die Sportentwicklung; vieles davon hat bis heute nichts an Aktualität eingebüßt.
Stellvertretend für jene Aktivitäten, die Grupe als Funktionär im DSB mit initiiert hat, sei an den bundesweiten Kongress „Menschen im Sport 2000“ erinnert, den er federführend als Vorsitzender des Organisationskomitees im November 1987 in Berlin leitete und dessen drei Bände seitdem eine Fundgrube für Sportgestaltung geblieben sind. Im gleichen Atemzug kann aber auch das zweibändige Buchprojekt über die Gründerjahre des DSB („Wege aus der Not zur Einheit“) genannt werden, welches Ommo Grupe als Vorsitzender des Projektbeirates im Jahre 1990 anlässlich des 40. Geburtstages des DSB entscheidend vorangetrieben hatte.
Eine Woche vor den Olympischen Spielen 1972 gab es erstmals ebenfalls in München einen wissenschaftlichen Weltkongress unter dem Titel „Sport in unserer Welt – Chancen und Probleme“. Grupe war von Willi Daume (1913-1996), damals Organisationschef der Spiele, als Leiter der Wissenschaftlichen Kommission eingesetzt worden und damit hauptverantwortlich für das wissenschaftliche Programm und die Redaktion einer fast 1000 Seiten umfassenden Kongresspublikation. Mit diesem einzigartigen Kongress mit 2200 Teilnehmern aus 72 Ländern und Referenten aus 30 Ländern wurde (im Deutschen Museum!) eine öffentliche Bühne geschaffen, auf der sich erstmals auch die junge Sportwissenschaft weltweit profilbildend zeigen konnte. Ommo Grupe war ihr umsichtiger Regisseur. Er sollte es mit seiner Weitsicht als Ideengeber noch mehrere Jahrzehnte bleiben.
Anlässlich seines Todes im Alter von 84 Jahren im Februar 2015 hat Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper (Berlin) als damals amtierende DOSB-Vizepräsidentin für Bildung und Olympische Erziehung und DOA-Vorsitzende die Lebensleistung für den Sport und die Sportwissenschaft des Nestors der Sportwissenschaft und der Sportpädagogik in Deutschland so auf den Punkt gebracht: „Ommo Grupe hat mich und viele andere Sportwissenschaftlerinnen und Sportwissenschaftler mit seinen werteorientierten Arbeiten zu Themen des Sports, des Schulsports und der Olympischen Erziehung stark geprägt. Für viele von uns war er ein Freund und kritischer Wegbegleiter, den wir dankbar in Erinnerung behalten werden.“
Ommo Grupe verfügte wie kein anderer Sportwissenschaftler über ein vielgliedriges Netzwerk in der Wissenschaft und im Sport, welches er für seine Tätigkeiten im DSB nutzen und von dem der DSB wechselseitig profitieren konnte: Ommo Grupe war z.B. von 1970 bis 1997 ehrenamtlicher Vorsitzender des Direktoriums des gerade neu errichteten Bundesinstituts für Sportwissenschaft (in Köln, heute Bonn), ferner stellvertretender Vorsitzender (ab 1990) und von 1994 bis 2005 Vorsitzender des Deutschen Olympischen Instituts in Berlin. Im Jahre 1971 hat er die wegweisende Zeitschrift „Sportwissenschaft“ (heute „German Journal of Exercise und Sport Research“) als geschäftsführender Herausgeber begründet und mehr als drei Jahrzehnte bis 2005 als geschäftsführender Herausgeber in dieser Funktion gewirkt; Grupe war auch Mitherausgeber der Wissenschaftlichen Schriftenreihe des DSB und Begründer mehrerer Buchreihen im Verlag Hofmann Schorndorf (u.a. „Reihe Sportwissenschaft – Ansätze und Ergebnisse“, hier vornehmlich mit bei ihm angefertigten Dissertationen).
An der Universität Tübingen wurde Grupe 1960 zunächst Direktor des Instituts für Leibesübungen und dann 1968 auf den erstmals eingerichteten Lehrstuhl für Sportwissenschaft berufen. Diesen hatte er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1999 inne. Ommo Grupe hatte 1953 ein Studium als Diplom-Sportlehrer an der Deutschen Sporthochschule Köln abgeschlossen und 1957 an der Universität Münster in Pädagogik promoviert. Seine erste hauptberufliche Station war die eines Bundes-Jugendsekretärs bei der Deutschen Turnerjugend im Deutschen Turner-Bund, ab 1958 war Grupe u.a. auch ehrenamtlich aktiv in der Deutschen Sportjugend im DSB.
Grupes früherer Tübinger Mitarbeiter, der Bielefelder Sportwissenschaftler Prof. Dr. Dietrich Kurz (1942-2023), der ihm als Vorsitzender des Kuratoriums zur Verleihung des DOSB-Wissenschaftspreises folgte, hat in einem sehr persönlichen Nachruf für die Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs), deren erstes Ehrenmitglied Ommo Grupe ist, dessen Lebensleistung für den Sport an einer Stelle so gewürdigt: „Wenn Ommo Grupe heute mit großer Übereinstimmung als Begründer der deutschen Sportwissenschaft gewürdigt wird, sollte dabei immer mit bedacht werden, dass er die Sportwissenschaft, für die er sich einsetzte, als eine Wissenschaft in praktischer, im weiteren Sinn pädagogischer Verantwortung gesehen hat. Nicht nur technologische Optimierungswissenschaft, aber auch nicht nur interpretierende Kulturwissenschaft solle die Sportwissenschaft sein, sondern eine Wissenschaft, die dazu beiträgt, das humane Potential des Sports zu verstehen, zu entfalten und gegen Gefährdungen zu verteidigen.“ Seit 2007 vergibt die Sektion Sportpädagogik der dvs den Ommo-Grupe-Preis, mit dem Qualifikationsarbeiten des sportpädagogischen Nachwuchses ausgezeichnet werden. Die Universität Bayreuth hat Ommo Grupe den Doktortitel ehrenhalber (Dr. h.c.) verliehen.
In dem Band über „Gelebte Sportpädagogik“ (Hrsg. Eckart Balz & Detlef Kuhlmann) mit Porträts der bedeutendsten Persönlichkeiten der Sportpädagogik der Gegenwart in Deutschland schreibt Grupes langjähriger Tübinger Mitarbeiter Prof. Dr. Michael Krüger (Uni Münster), der Grupe als geschäftsführender Herausgeber der Zeitschrift „Sportwissenschaft“ folgte, in seinem Fazit über „Ein Leben für Sport und Sportwissenschaft in der Bonner Republik“: „Ommo Grupe war ein Glücksfall für die Entwicklung der Sportwissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Ausgestattet mit einem besonderen Charisma, das jeder spürte, der mit ihm zu tun hatte, gelang es ihm, die Weichen für die Anerkennung der Sportwissenschaft als akademisches Fach an den Universitäten zu stellen. Er hat Sport, Sportpädagogik und Sportwissenschaft in der alten Bundesrepublik Deutschland gelebt und geprägt. Er war der richtige Mann zur rechten Zeit, um die Sportbewegung und speziell die Sportwissenschaft in der Bundesrepublik Deutschland nach 1945 auf neue ethische, wissenschaftliche und strukturell-konzeptionelle Grundlagen zu stellen.“
Ommo Grupe ist am 4. November 1930 in Warsingfehn bei Leer in Ostfriesland geboren und am 26. Februar 2015 in Tübingen gestorben.
Klaus Heinemann
Prof. Dr. Klaus Heinemann würden wir in heutigem Sprachgebrauch als einen „Quereinsteiger“ im DSB bzw. in der Sportwissenschaft bezeichnen. Der renommierte Hamburger Soziologe Prof. Dr. Klaus Heinemann war von 1973 bis 1989 u.a. Mitglied des wissenschaftlichen Beirates im DSB, ab 1978 dessen Vorsitzender. Er hat den wissenschaftlichen Beirat geprägt und dafür gesorgt, dass die Stimmen und Positionen aus der Wissenschaft im DSB kontinuierlich gehört wurden. Viele Mitgliedsverbände des DSB haben daraufhin solche Gremien mit beratener Funktion geschaffen. Im DOSB gibt es bis heute keine vergleichbare Einrichtung mit wissenschaftlicher Expertise. Klaus Heinemann gehörte über mehrere Jahrzehnte ebenfalls dem Kuratorium zur Verleihung des Wissenschaftspreises des DSB („Carl-Diem-Plakette“) an.
In die Amtszeit von Klaus Heinemann als Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats fiel u.a. die Konzeption und Durchführung des richtungsweisenden Kongresses „Menschen im Sport 2000“ im November 1987 in Berlin, den Heinemann wesentlich mitgeprägt hat. Er selbst war hier im Plenum mit einem sog. „Problemreferat“ zu der Frage: „Sind Einheit und Selbstbestimmung des Sports in Gefahr?“ vertreten. Norbert Wolf, langjähriger Leiter der Abteilung Wissenschaft und Bildung im DSB und später u.a. DSB-Generalsekretär, war im DSB der direkte Ansprechpartner von Klaus Heinemann. Wolf erinnert sich gern an die Zeit mit Heinemann und die wertschätzende Zusammenarbeit mit ihm: „In all seinen Funktionen beim DSB war es Klaus Heinemann stets vordringlichstes Anliegen, seine soziologischen Erkenntnisse auf alle Bereiche des Sports zu übertragen. Dadurch hat er auch vielen Kooperationen des DSB mit den außersportlichen Institutionen unserer Gesellschaft den Weg bereitet.“
Klaus Heinemann hat sich einen ausgezeichneten Ruf in den Sportorganisationen und in der Sportwissenschaft erworben: „Der Sportverein“ lautet im Jahre 1994 der Titel einer 452-seitigen Buchpublikation zusammen mit seinem Mitarbeiter Manfred Schubert. In dieser empirischen Studie mit der repräsentativen Befragung von rund 5.500 Sportvereinen (1994 erstmals in Ost- und Westdeutschland!) setzte er die Reihe der vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft (damals Köln, heute Bonn) in Auftrag gegebene sog. „Finanz- und Strukturanalyse der deutschen Sportvereine“ (FISAS) fort, die später mit der Reihe der Sportentwicklungsberichte der Kölner Forschergruppe um Prof. Dr. Christoph Breuer fortgeführt wurde. Sie hatte ihren Ursprung in der 1977 von Karl Schlagenhauf erstellten Studie „Der Sportverein in der Bundesrepublik Deutschland“. Darin ging es um „Strukturelemente und Verhaltensdeterminanten im organisierten Freizeitbereich“ (Untertitel).
Der Sport insgesamt war das Hauptarbeitsfeld in organisationssoziologischer Betrachtung des passionierten Segelsportlers Heinemann, der zunächst an der Universität Karlsruhe Wirtschaftsingenieurwesen studiert und mit einer Arbeit über Produktionseffekte und ihre Bedeutung für die Wirtschaftspolitik promoviert hatte. Seine Habilitation handelte über die „Grundzüge einer Soziologie des Geldes“. Heinemann nahm 1970 eine Professur für Soziologie an der Universität Trier an und war von 1981 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2001 Hochschullehrer für Soziologie an der Universität Hamburg.
Generationen von Sportstudierenden haben sich mit Heinemanns „Einführung in die Soziologie des Sports“ (1980 und gleichzeitig Band 1 der von Ommo Grupe herausgegebenen Reihe „Sport und Sportunterricht“) auseinandergesetzt; allen, die im fortgeschrittenen Studium oder danach selbst empirisch arbeiten, für die wird teilweise bis heute noch Heinemanns Werk „Einführung in Methoden und Techniken empirischer Forschung im Sport“ (Schorndorf 1998) als Standardlektüre empfohlen. Heinemann war auch einer der ersten, der die in den 1980er Jahren in der Bundesrepublik aufkommende Arbeitslosigkeit von Akademikern – auch im Sport – zum Thema machte und über neue Formen der Erwerbstätigkeit (z.B. ABM im Sportverein) forschte. Einer der von ihm herausgegebenen Sammelbände (zusammen mit Knut Dietrich) trägt den Titel „Der nicht-sportliche Sport“ (Schorndorf 1989) und beschäftigt sich mit jenen „sportiven“ Entwicklungen und Angeboten außerhalb von Sportorganisationen.
Neben seinen Funktionen und Aufgaben im DSB war Klaus Heinemann u.a. auch stellvertretender Vorsitzender des Direktoriums des Bundesinstituts für Sportwissenschaft. Anlässlich des 10. Geburtstages der 1976 gegründeten Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft hielt Heinemann einen von vier Festvorträgen – hier über: „Die Zukunft des Sports – Herausforderung für die Sportwissenschaft. Zur Konzeption einer offenen, innovativen Sportwissenschaft“. Darin entfaltete er Vorstellungen von einer Sportwissenschaft als ein offenes System, bei dem die „Sportwissenschaftler bestrebt sind, ihrem Fach Anerkennung und Einfluss zu verschaffen“ -anderenfalls bestünde die Gefahr zu „einem zwar liebenswerten, aber wenig beachteten Orchideenfach“ zu verkommen. Indirekt empfahl er damit auch, „Öffnungsschneisen“ zu suchen: Für die Sportwissenschaft sah er nicht zuletzt in den Vereinen und Verbänden ein Terrain, wo sie sich mit ihren Leistungen zeigen kann.
Klaus Heinemann wurde am 15. Oktober 1937 in Hamburg geboren. Er ist am 23. Januar 2022 verstorben.
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
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