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Paderborn 2022 - Die Spitze direkt nach dem Startschuss mit (von rechts) Sander Vercauteren, Amanal Petros, Tom Gröschel und Homiyu Tesfaye - Foto: Wilfried Raatz - wus-media

74. Paderborner Osterlauf 2022 – „Emotionalster Osterlauf ever“ – Wilfried Raatz berichtet

By GRR 0

Nach zweijähriger Corona bedingter Pause wird die 74. Auflage des Osterlaufes eine besondere Erfolgsgeschichte mit 6669 Meldungen. Katharina Steinruck, Laura Hottenrott und Homiyu Tesfaye setzten Glanzpunkte

„Für uns war es der emotionalste Osterlauf ever“ textete Osterlauf-Pressesprecher Thomas Lippe in einem, der Osterfeiertage geschuldeten Kurzstatement über den 74. Paderborner Osterlauf. Osterlauf-Chef Christian Stork gestand bei einem Presse-Opening im VIP-Zelt auf dem Maspernplatz Seite an Seite mit Bürgermeister Michael Dreier seine ausgesprochene Nervosität: „Ich bin total nervös, eigentlich wie nie zuvor in den letzten zwölf Jahren“.

In der Tat, es war in vielerlei Hinsicht spannend, wie der Restart nach zweijähriger Corona bedingten Zwangspause gelingen würde. Auch Paderborns Stadtoberhaupt unterstrich die „besondere Bedeutung“, denn mit strikt eingehaltener 2G-Regelung für bestimmte Bereiche und reduziertem Programm sei manches anders als in den Jahren zuvor. Natürlich fehle auch mit dem im vergangenen Jahr verstorbenen Wolf-Dieter Poschmann die „Stimme des Paderborner Osterlaufes“, der über viele Jahre hinweg mit seiner exzellenten Moderation Läufer wie Zuschauer begeisterte. Aber eigentlich konnte nichts schiefgehen, denn der neue Präsident des Veranstalters SC Grün-Weiß Paderborn, Martin Kaiser, hatte „Kaiserwetter“ bestellt und wusste ein hochmotiviertes Helferteam vor und hinter den Kulissen am Start.

Angesichts des deutlich schmaleren Etats musste das Feld der Spitzenläufer mit den stets in breiter Phalanx präsenten ausländischen Topläufern deutlich reduziert werden. Doch Athletenmanager Christoph Kopp hatte wieder einmal ein „goldenes Händchen“ mit einer Handvoll deutscher Asse der heimischen Laufelite! Von A wie Amanal Petros über H wie Hendrik Pfeiffer, K wie Katharina Steinruck oder L wie Laura Hottenrott bis hin zu T wie Tom Gröschel und Homiyu Tesfaye – die deutschen Topläufer zeigten zum Beginn des an Höhepunkten reichen nacholympischen Jahres 2022 mit Welt- und Europameisterschaften bemerkenswerte Leistungen.

Zumal Christoph Kopp im Spagat nach dem Generali Halbmarathon in Berlin und dem HAJ Hannover Marathon mit deutschen Meisterschaften und vor dem Haspa Marathon Hamburg nicht gerade ein leichtes Spiel bei der Verpflichtung der heimischen Elite hatte.

Die drei Strahlefrauen: Sabrina Mockenhaupt-Gregor (v.lks.), Katharina Steinbruck und Laura Hottenrott – Foto: Wilfried Raatz

Und zog mit Sabrina Mockenhaupt-Gregor ein weiteres Trumpfass aus dem Ärmel. Denn die 46fache deutsche Meisterin ist auch in den Abendstunden ihrer exzellenten Lauf-Karriere jeden Cent wert. Mit Ehemann und Tochter Ruby – und Let’s dance-Transpartner Erich Klann (scherzte: „Wenn die Wahnsinnige in meiner Stadt ist, dann muss ich natürlich auch hier sein!“) war nach dem Rennen in der wärmenden Frühlingssonne eine ausgelassene Stimmung unverkennbar. Kein Wunder, denn die inzwischen 42jährige Mocki, omnipräsent in Social Media und nun auch mit ihrer, zusammen mit Philipp Baar kreierten, neuen Laufkollektion Qolibry, lief mit 33:51 schon in Richtung „Dreiunddreißighalbe“, wie verkürzt eine 33:30er Endzeit durchaus auch schon einmal genannt wird. Und freut sich nun auf die deutschen 10.000 m-Meisterschaften in Pliezhausen, wo sie natürlich für ihren neuen Verein LV Pliezhausen als W40erin als erste Masterstitel-Anwärterin gilt.

Doch zurück nach Paderborn und ihrem vierten Rang in einem freilich prominenten Feld. „Wenn ich sehe, was ich mit meinen 60 Kilometern trainiere, dann muss ich echt zufrieden sein! Auf Quälen habe ich wirklich keine Lust mehr!“ Was allerdings mit gewissen Einschränkungen gelten dürfte, denn der Auftakt mit einer 3:09 für den Startkilometer geriet einfach um einiges zu schnell. „War natürlich zu schnell, deshalb in ich hinten heraus etwas gestorben!“  Sei’s drum, im Ziel freute sich Mocki inmitten des deutschen Trios mit Katharina Steinruck und Laura Hottenrott über den Laufcoup.

Und damit wären wir natürlich bei den Tagesschnellsten.

Mit einem lächelnden „Schade“ kommentierte Katharina Steinruck die mit 31:53 Minuten (Nettozeit) um lediglich eine Sekunde verpasste Familienrekordzeit, die ihre Mutter Katrin Dörre-Heinig vor einer gefühlten Ewigkeit auch in Paderborn fixiert hatte. In der aktuellen Verfassung ist dies für die 32jährige freilich eher eine Frage der Zeit bzw. der Gelegenheit, schließlich steht bereits in der Folgewoche in Malaga ein Einladungsrennen ihres Ausrüsters asics über erneut 10 km auf dem Programm. „Heute wollte ich einfach vorne mitlaufen. Für mich ist der Sieg etwas Besonderes, denn vor 22 Jahren habe ich den Bambinilauf gewinnen können!“

Eine Woche nach ihrem Sprung auf 1:09:38 Stunden über die Halbmarathondistanz in Berlin folgte nun der nächste Knaller – und die erwartete Verbesserung der in Dresden im Vorjahr erreichten 31:59 Minuten. „Es war schon anstrengend, nach dem Halbmarathon bin ich schon etwas überrascht, dass ich so schnell laufen konnte. Die Zuschauer nämlich waren der Hammer! Das war heute vielleicht mit ausschlaggebend. Das Tempo habe ich gar nicht so realisiert. Jetzt fehlen noch die Bestzeiten über 5 km und Marathon“ blickt Katha mit einem Lächeln schon voraus. Mit dem Wiener Frauenlauf über 5 km steht Mitte Mai zumindest schon der Angriff auf die nächste Bestmarke fest. Und der Marathon? „Für eine Entscheidung verbleiben mir noch zwei Wochen, ob WM oder EM!“

Paderborner Osterlauf kurz nach dem Start – Foto: Wilfried Raatz

In der Schlussphase hatte sich die Eintracht-Läuferin von ihrer hartnäckigen Wegbegleiterin Laura Hottenrott lösen können, die zwar wie in Berlin (1:11:14) „nur“ zweitbeste Deutsche werden konnte, aber sichtlich zufrieden mit ihrem Auftritt und den 32:33 Minuten war. „Während die anderen in Trainingslagern an ihrer Frühjahrsform arbeiten konnten, musste ich im kalten Kassel trainieren, da ich mit meiner Promotion und einer Kongressvorbereitung in Baunatal beschäftigt war. Aber wie man nach Berlin und Paderborn erkennen kann, auch ich komme allmählich in Form. Das Jahr 2022 kann kommen…!“ Auch Laura, wie Katharina Heinig beim Sportausrüster asics unter Vertrag, wird in Malaga an den Start gehen. Wenn die Zeit stimmt, dann dürfte die 30jährige auch als wiederum zweitbeste Deutsche zufrieden sein.

Hinter der Kenianerin Pauline Eapan (33:13), Sabrina Mockenhaupt (33:51), der Belgierin Nina Lauwaert (33:56) folgte Esther Jacobitz als Sechste mit starken 34:04 Minuten. Sie jedenfalls war der Grund, weshalb eine Woche nach seinem überzeugenden Marathontitel-Gewinn in Hannover auch Hendrik Pfeiffer die Laufschuhe wieder schnürte. Als „Edelhase“ jedenfalls verhalf er seiner Freundin zu einem satten Leistungssprung. Christina Gerdes (34:47) und Agnes Gers (34:54) folgten mit sichtlichem Abstand hinter der für den ASV Köln startenden Esther, bevor als Neunte die mit Sicherheit prominenteste Starterin des Paderborner Osterlaufes ins Ziel nach 35:20 Minuten einlief: Die im Nachgang zur 1500 m-Olympiasiegerin aufgerückten Maryam Yusuf Jamal, nachdem die beiden für die Türkei startenden Asli Alptekin und Gamze Bulut wegen Dopings überführt wurden und im Nachhinein ihre Medaillen zurückgeben mussten. „Maryam ist nach erst sechs Monaten Lauftraining schon wieder bei einer 35er Zeit angekommen“, freute sich Ehemann Homiyu Tesfaye über den Erfolg seiner Gattin, mit ihr er inzwischen drei Kinder hat.

Und damit kommt der überragende Starter des 10 km-Laufes ins Blickfeld.

Mit seinem „Edelhasen“ Amanal Petros, der wegen Eisenmangels nach ärztlicher Empfehlung nur als Tempomacher zur Verfügung stand und diesen Job allerdings aber nur vier Kilometer lang durchhielt, sorgte Homiyu schon direkt nach dem Start für die Vorentscheidung, da die Männerspitze nicht so hochkarätig besetzt war als im Vergleich zu den Frauen. „Schade, bei entsprechender Konkurrenz wäre heute eine Zeit unter 28 Minuten möglich gewesen. Aber ich weiß, dass ich auf einem guten Weg bin!“ Der gebürtige Äthiopier ist gerade mit seiner Familie von einem mehrmonatigem Trainingsaufenthalt aus Addis Abeba zurück – und sucht nun im Verbund mit leistungsstarken Athleten nach dem Feinschliff für die internationalen Aufgaben. „Da gilt es zu pushen. Noch offen ist für mich, ob ich bei den Deutschen Meisterschaften über 10.000 m starte oder einen Tag später in Lissabon beim Halbmarathon!“ Im Plan jedenfalls stehen die 10.000 m bei den Europameisterschaften in München….

Eine Woche nach seinem missglückten Marathonversuch in Hannover („Bei 33 km war ich total platt!“) zeigte Eyob Solomon als Vierter hinter dem Belgier Sander Vercauteren (29:10) und dem Kenianer Boniface Kiptarus (29:25) mit 29:28 Minuten eine starke Leistung, wobei der für das Ayyo Team Essen startende gebürtige Eritreer seinen Hausrekord um eine Sekunde verpasste, den er an gleicher Stelle vor sechs Jahren aufstellen konnte. Mit Fabian Clarkson und Tom Gröschel blieben mit 29:39 und 29:56 zwei weitere Deutsche unter der 30 Minuten-Marke, die Moritz Beinlich eine Woche nach seinem Marathonstart in Hannover mit 30:22 deutlich verpasste. Den Marathon spürte gewiss auch Markus Schöfisch als Neunter (30:24), der im spannenden Finale um die die Bronze-Medaille in Hannover knapp unterlag und mit 2:15:04 in der deutschen Wertung Vierter wurde.

Nach dem ausführlichen Blick auf die Tops im weitaus stärker besetzten Hotel Vivendi 10 km-Lauf knapp 2.500 Finishern noch ein Streifzug auf die weiteren Konkurrenzen. Im abschließenden Halbmarathon mit 796 Finishern liefen Jannik Ernst und Jonas Müller ein einsames Rennen an der Spitze, ehe sich in der Schlussphase Jannik mit persönlicher Bestzeit von 1:07:02 Stunden durchsetzen konnte. Der IT-Techniker mit Arbeitsplatz Stuttgart lief freilich in treuer Verbundenheit für seinen TV Waldstraße Wiesbaden und zeigte sich begeistert von der „Beet-Party“ in den vielen Vorgärten entlang der Strecke. Jonas Müller zeigte sich mit 1:07:26 als eigentlicher Triathlet sehr zufrieden – und freut sich nun auf den NRW-Auftakt in Gladbeck mit seinem KTT 01-Team aus Köln in drei Wochen.

Hinter dem Braunschweiger Pierre Danelak (1:12:10) duellierten sich Marian Bunte (1:14:00) und der M50-Sieger Markus Mey (1:14:00) um Rang fünf, ehe mit Markus Schraub (1:14:32) der nächste M50 bereits folgte.

Büßen musste hingegen die Berlinerin Emma Waldschmidt, die noch zur Streckenhälfte auf einer 1:20 Stunden-Endzeit war, mit Blasen an den Füßen jedoch erst nach 1:25:17 Stunden ins Ziel kam, nur knapp vor Carina Nienhaus (1:26:33).

Neben der Jagd auf schnelle Endzeiten überwog natürlich bei der großen Masse der OsterläuferInnen die Freude an der weitgehenden Normalität, die die vielen Osterlaufhelfer bei herrlicher Frühlingssonne gewährleisten durften. So wie Manuela und Thorsten aus Wiehl bei Gummersbach als Laufanfänger im 5 km-Lauf, den unter 1500 Startern die für den LC Paderborn startende Kiara Nahen nach 17:08 Minuten gewinnen konnte, während auf der männlichen Seite der Hamburger Max Schröter schon nch 15:29 im Ziel gefeiert werden konnte.

Dichtgedrängt – und in Feierlaune standen viele über Stunden hinweg auf dem weitläufigen Maspernplatz, der mit vielen Ständen eher einem Jahrmarkt glich und mit einem kindgerechten Bühnenprogramm am frühen Samstagmittag den jungen Laufnachwuchs begeisterte. Begeistert waren aber auch Dr. Hans-Peter Franken und Matthias Renner von den German Doctors, die mit berechtigtem Stolz von der großartigen Unterstützung der Paderborner Osterläufer berichten konnten, die innerhalb von 10 Jahren 140.000 Eur für medizinische Versorgung in Indien, Kenia, Bangladesh und den Philippinen sammeln konnten. Seit jüngster Zeit sind die ehrenamtlich arbeitenden „German Doctors“ aber auch in Griechenland und dem Mittelmeer und aktuell auch in der Ukraine tätig.

Der Paderborner Osterlauf hat mit der 74. Auflage nach zweijähriger Zwangspause einen begeisternden Restart hingelegt. Die Vorfreude auf die Jubiläumsausgabe im Jahr 2023 jedenfalls ist schon ein Jahr zuvor in reichlichem Maße vorhanden. Wetten, dass es dann wieder eine satte fünfstellige Teilnehmerzahl geben wird?    

Wilfried Raatz

 

 

 

 

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