Blog
17
05
2016

Vor dem gemeinsamen Start für Halbmarathon und Marathon weist ein ganz offizielles Straßenschild auf den Marathon hin. Ein beliebtes Souvenir-Fotomotiv für alle, das wahrscheinlich nur auf Föhr in der Form überhaupt möglich ist. ©Dr. Susanne Mahlstedt

5. Föhr-Marathon am 20. März 2016 – Die Lokalmatadorin Frauke Stahl siegte bei ihrem ersten Marathon – Dr. Susanne Mahlstedt

By GRR 0

Allein schon die Anreise nach Föhr lässt den Alltag vergessen. Nach fast einstündiger Fahrt durch die typische Marschlandschaft nach Verlassen der Autobahn wartet die Fähre hinterm Deich.

Die meisten Läufer ließen ihre Autos in Dagebüll stehen, schließlich sind sie ja gut zu Fuß und die Transporte zum Start und zurück waren vom Orga-Team gut geregelt. Sogar die Föhrer Ferienwohnungsvermieter unterstützten das Event und stellten ihre Wohnungen für nur eine oder zwei Nächte und zu zusätzlichen Sonderkonditionen zur Verfügung.

Der Mindestaufenthalt beträgt ansonsten eine Woche.

Laufen für zwei

Bereits die Startnummernausgabe auf drei Tischen in der Schulturnhalle in Midlum wirkte sehr überschaubar und familiär. Keine kommerziellen Sportartikelanbieter störten die Idylle. Die Läufer legten ihr Gepäck einfach in der kleinen Halle irgendwo auf dem Boden ab.

Vor dem gemeinsamen Start für Halbmarathon und Marathon weist ein ganz offizielles Straßenschild auf den Marathon hin. Ein beliebtes Souvenir-Fotomotiv für alle, das wahrscheinlich nur auf Föhr in der Form überhaupt möglich ist.

Anna Buzcek (W35) lief im Shirt „für Zwei“ daran vorbei.

Sie war im sechsten Monat schwanger und wollte deshalb nur Halbmarathon laufen. Zwei Wochen später sogar noch einmal, den Berliner Halbmarathon. Sie betonte, das Laufen tue ihrem Kind und ihr einfach nur gut und sie laufe natürlich ganz langsam und entspannt. Später kam sie in 2:18 h strahlend und sogar noch als zweite in ihrer Altersklasse ins Ziel.

Großzügige Windschattengeber vor Ort

Nach fünf Kilometern Straße, Ort und Wald führte die Strecke an die Promenade von Wyk. Sie lag windgeschützt und ließ die Läuferinnen und Läufer zunächst vermuten, dass es ein harmloser Marathon in Bezug auf Wind wird. Weit gefehlt. In Wyk war noch alles schön, zahlreiche interessierte Zuschauer säumten den Weg.

Aber schon nach dem Hafen ab Kilometer sieben mussten zusätzliche Kräfte aufgewendet werden, um gegen den Wind hinter dem Deich anzukämpfen. Männer stellten sich „allein reisenden“ Frauen als Windschattengeber zur Verfügung, darunter einige Mehrfachtäter, die alle fünf Marathons auf der Insel bereits mitgelaufen sind.

Der Blick auf das Naturschauspiel tosende Nordsee entschädigte natürlich für den zermürbenden Krafteinsatz. Einen kurzbeinigen Hund, der den gesamten Marathon mitlief und zusätzliche Kilometer in Form von Ausflügen über den Deich auf sich nahm, war durch nichts in seiner Lauffreude zu entmutigen.

Die 70-jährige Marion Rother aus Münster schlug sich wacker. Kraftvoll stellte sie sich dem Wind und kam für die widrigen Verhältnisse in sehr guten 2:08 ins Halbmarathonziel. Dabei war es nur ein gemütliches Trainingsläufchen für sie. Hier ist sie allein in ihrer Altersklasse. Bei den deutschen Meisterschaften will sie in diesem Jahr aber vor anderen ganz nach oben aufs Treppchen.

Zähe Frauen laufen weiter

Unterwegs im Binnenland lagen bergeweise Miesmuschelschalen am Streckenrand. Manch einer fragte sich, wie sie mitten auf die Insel gelangten. Nachdem die Halbmarathonis bereits im Ziel waren, wurde es noch härter auf der Strecke. Nicht nur wegen der besagten Einsamkeit des Langstreckenläufers, die wegen der wenigen Meldungen für den Marathon jetzt erfahrbar wurde, sondern wegen des Windes direkt von vorne.

Von Kilometer 22 bis 26 musste auf einer Schnurgeraden ohne Bäume und rein gar nichts am Wegesrande frontal gegen den Wind gekämpft werden. Danach sind einige Männer ausgestiegen. Die zähen Frauen sind hier allesamt weiter gelaufen. Dafür wurden sie belohnt. Plötzlich zeigte sich die Sonne zwischen den Wolken und innerhalb kürzester Zeit war der Himmel wie von Geisterhand strahlend blau.

Frühling, mit Sonne von vorn, und Rückenwind, der einen plötzlich fast fliegen ließ.

Wo lief es sich nach Kilometer 30 jemals so leicht wie getragen vom Wind? Dabei glitzerte hinter den Sandstränden das bewegte Meer in der Sonne. Ein wunderschönes Naturschauspiel. Reetdachhäuser säumten den Weg. Auf den letzten Kilometern drehte sich die Strecke hin und wieder noch mehrmals gegen Wind. Abwechslungsreich, das Ganze und auch absehbar von den Kurven her.

Der letzte Kilometer von einem Dorf zum nächsten ging wieder schnell.

Im Ziel wartete eine schöne Medaille wie bei den großen Marathons und eine extrem heiße Dusche. Sie lief sich nicht regulieren und schreckte sogar einige geübte Heißduscherinnen ab. Das Einzige, was sich bei diesem kleinen, aber umso besondereren Marathon bemängeln lässt, waren die Preise im Festzelt hinterher. Das konnte die Freude über diesen Lauf aber bei niemandem trüben.

Am Nachmittag des 20. März, dem ersten offiziellen Frühlingstag, ließ es sich plötzlich windstill draußen auf Föhr wunderbar in der Sonne verweilen. Ein leiser Vorbote auf den Sommer.

Fachsimpeln beim Galadinner

Am Abend gab es im wohl einzigen großen Saal der Insel, im Midlumer Dorfkrug, ein Galadinner für die Läufer, das gut besucht war. Hier kamen Läufer aus ganz Deutschland zusammen und konnte in aller Ruhe beim ausgiebigen Mahl mit Rindfleisch, Rotkohl, Bohnen, Brokkoli und Kroketten ihrer zweitliebsten Beschäftigung nach dem Laufen nachgehen, nämlich dem Fachsimpeln darüber. Selbst eine Eistorte passte dabei noch in die ausgehungerten Mägen.

Der Friesengeist erfreute sich auch lebhaften Zuspruchs.

Bei 56 % muss man sich allerdings über das Wegbrennen der Speiseröhre gar nicht wundern. An einzelnen Tischen wurde von einem Sportevent der ganz besonderen Art im Juli geschwärmt.

Ein Triathlon auf drei Inseln.

Nach einer Wattwanderung von Föhr nach Amrum werden 2,5 km zurückgeschwommen, auf Föhr 40 Kilometer Rad gefahren. 18 kleine Speedboote bringen die Teilnehmer nach Sylt, wo dann abschließend 11 Kilometer zu laufen sind.

Frauke Stahl, die Siegerin

Nun aber zur Gewinnerin des Laufs, die zuvor nicht einmal kommen und sehen musste: Frauke Stahl von Föhr, sie war nämlich schon da, die Lokalmatadorin. Sie hat drei kleine Kinder und konnte sich nie konsequent auf den Marathon vorbereiten, obwohl sie schon gerne vorne mitlaufen wollte. Es sollte ihr erster Marathon werden. Bis vor 10 Jahren hatte sich allerdings auch schon 3 Langdistanzen im Triathlon absolviert, zwei davon in Australien, einen in Roth.

Auf der zweiten Hälfte machte ihr ihr treuster Trainingspartner, der Wind, aber doch sehr zu schaffen. Sie dachte unterwegs immer, dass bestimmt noch ein paar Frauen vor ihr lagen. Umso erstaunter war sie, als „Moritz“ sie am Mikrofon des Zieleinlaufs plötzlich als erste Frau ankündigte. So eine Überraschung. Den ersten Marathon überhaupt und dann noch zu Hause gewonnen.

Ihre Kinder und die 6-jährige Nichte, die sie unterwegs ein Stück des Weges begleiteten, erzählten nach dem Marathon in der Sonne, dass sie mit Friesisch als Muttersprache auf Föhr aufwachsen und die Sprache auch in der Grundschule für alle unterrichtet wird. Ein kleines selbstbewusstes Mädchen ist sich auf Föhr bereits ihrer zu pflegenden Tradition bewusst, eine große starke Frau gewinnt den Marathon.

Beim Blick in die übersichtliche Marathonergebnisliste  der Frauen wird auf einen Blick deutlich, dass alle Altersklassen von Seniorinnen 35 bis 65 vertreten, aber weniger als die Hälfte der Frauen in Vereinen organisiert sind.

Der 6. Föhr-Marathon findet am 09. April 2017 statt

Dr. phil. Susanne Mahlstedt
Heilpraktikerin für Psychotherapie
Hypnosetherapeutin (ICHP)
Kreatives und biografisches Schreiben M.A.
Forstmeisterweg 64
23568 Lübeck
Tel.: 0451/5061631

www.schreibtherapie-und-coaching.de

Föhr-Marathon

Alle Ergebnisse unter: foehr-marathon.de

Weitere Beiträge von Dr. Susanne Mahlstedt:

Der legendäre italienische 100-km-Lauf “Il Passatore” von Florenz nach Faenza – ein Volksfest bei Nacht – Susanne Mahlstedt in LAUFZEIT&CONDITION

Die Kommissarin, die Männer zum Laufen bringt – Dr. Susanne Mahlstedt

Auf leisen Sohlen weg vom Alkohol hin zum gesunden Leben – Dr. Susanne Mahlstedt

Frauenfeld am Holstentor – Lucy Diakovska von den No Angels betreut die Ladies Run Serie – Dr. Susanne Mahlstedt

Der legendäre italienische 100-km-Lauf “Il Passatore” von Florenz nach Faenza – ein Volksfest bei Nacht – Susanne Mahlstedt berichtet

Zehn Kilometer hinter Mauern – Marlenes erster Lauf im Freien – Dr. Susanne Mahlstedt

Ohne SABINE wäre nichts gelaufen – Sie hat zwei Race-Direktoren des Berlin-Marathon in der Familie – Dr. Susanne Mahlstedt in LAUFZEIT

 

author: GRR

Comment
0

Leave a reply