Blog
24
09
2017

2017 Berlin Marathon Berlin, Germany September 24, 2017 Photo: Victah Sailer@PhotoRun Victah1111@aol.com 631-291-3409 www.photorun.NET

44. BERLIN MARATHON 2017 – Eliud Kipchoge verpasst den Weltrekord, doch ist auf dem Weg zum besten Läufer aller Zeiten – Von KLAUS BLUME

By GRR 0

BERLIN – Verrückt nach Zahlen? Nach Zwischenzeiten, Bestzeiten, nach Rekorden? Der Sieg allein genüge nicht, hatte der kenianische Olympiasieger Eliud Kipchoge an der Startlinie zum 44. Berlin Marathon orakelt, um dann froh über seinen Sieg in fantastischen 2:03:34 Stunden zu sein.

Schneller als Kipchoge im Regen von Berlin hat in diesem Jahr kein anderer Marathonläufer die 42,195 Kilometer durcheilt – aber den erhofften Weltrekord schaffte er auch in Berlin nicht. „Die Bedingungen waren nicht allzu gut, aber ich bin glücklich“, sagte Kipchoge im Ziel.

Und freute sich, in einem unerhofften Duell um den Sieg den äthiopischen Debutanten Guye Adola bezwungen zu haben. Der Halbmarathon-Spezialist erreichte mit 2:03:47 Stunden das beste Ergebnis eines Marathon-Anfängers.

Doch wer ist der schnellste Marathonläufer aller Zeiten?

Der Kenianer Dennis Kimetto, dessen 2:02:57 Stunden, gelaufen 2014 in Berlin, vom Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF) weiterhin als offizieller Weltrekord geführt werden oder doch dessen Landsmann Eliud Kipchoge? Er hatte am 4. Mai auf dem Formel-1-Kurs von Monza die klassischen 42,195 Kilometer bereits in 2:00:25 Stunden  geschafft, was jedoch nicht als Weltrekord anerkannt wurden.

Denn Kipchoge wurde dabei von sich ständig abwechselnden Tempomachern ins Schlepptau genommen, was den Regeln widerspricht. Überdies errechneten die niederländischen Wissenschaftler Hans van Dijk und Ron van Megen, Kipchoges Monza-Resultat entspräche allenfalls 2:02:18 Stunden in einem regulären Marathonlauf.

Wer hat also nun wirklich den schnellsten Marathonlauf aller Zeiten geschafft?

Kimetto oder am Sonntag im Regen von Berlin Kipchoge? Zwei amerikanische Wissenschaftler, die ob ihrer waghalsigen These tunlichst ungenannt bleiben wollen, nennen den Kenianer Geoffrey Mutai als Schnellsten. Dessen 2:03:02 Stunden, gelaufen am 18. April 2011 in Boston, wären, genau berechnet, einem Weltrekordlauf von knapp zwei Stunden nicht fern gewesen.

In Wirklichkeit aber wurde Mutais rasante Rekordjagd deshalb nicht anerkannt, weil der Bostoner Kurs ein regelwidriges Gefälle von 140 Metern aufweise; toleriert werden jedoch nur 42 Meter. Die nicht genannt werden wollenden amerikanischen Rechner halten dem entgegen, das talwärtige Laufen erschwere die Angelegenheit und müsse deshalb vielmehr als Handicap einberechnet werden. Ergo zu Gunsten von Mutai?

Wer also ist der schnellste Marathonläufer aller Zeiten? Es ist schwierig, darauf eine Antwort zu geben. Sind Zeiten im Marathonlauf überhaupt miteinander vergleichbar? Die Experten in aller Welt versuchen sich seit Jahrzehnten, vergeblich, an einer Rangliste der schnellsten Straßenkurse – doch wie man es auch dreht und wendet, es bleibt eine Mutmaßung. Allein in diesem Herbst stehen, von Warschau bis Singapur am 3. Dezember, noch 21 internationale Marathonläufe auf dem Programm.

Der Startort Berlin, wo vor Kipchoges Sturmlauf am Sonntag, bereits sechs Weltrekorde erzielt wurden, steht zweifellos an der Spitze.

Darüber ist sich die Fachwelt einig. Doch danach? Zumeist wird der Frühjahrs-Marathon von London an zweiter Stelle genannt; hauptsächlich aber wegen Paula Radcliffs Fabel-Weltrekord  von 2:15:25 Stunden, erzielt vor nunmehr 14 Jahren! Gewiss, Kipchoges 2:03:15 von 2016 zeugen weiterhin von einem schnellen Pflaster, doch die dreimalige Weltmeisterin Tegla Lourupe warnt aus eigener Erfahrung vor den böigen Winden auf den letzten Londonern Kilometern. Sie hätten vor allem Athletinnen mit einem Körpergewicht von gerademal 38 Kilo schon fast von der Straße geweht.

Und wie schaut es mit Rotterdam aus? In den 1980er Jahren galt das Rennen in der niederländischen Hafen-Metropole, veranstaltet vom früheren Stunden-Weltrekordler Jos Hermens, als vorbildlich. Straßen waren begradigt und spitzwinkelige Kurven ausholend umgebaut worden – da stürmten der Portugiese Carlos Lopez und der Äthiopier Belaney Densimo einst zu Weltrekorden. Stets geführt von ausgezeichneten Pacemakern. Doch, was in Rotterdam geboten wird, wurde inzwischen fast überall eingeführt.

Als Rekordpiste wurden bis vor zwei Jahren auch die Straßen von Chikago gerühmt, doch seit vor zwei Jahren in der windigen Stadt ohne Pacemaker gelaufen wird, hat dieser Marathon an Qualität eingebüßt. Dennoch will Galan Rupp, der amerikanische Olympiadritte von 2016 in Rio de Janeiro, im Oktober den Streckenrekord von Dennis Kimetto (2:03:45 Stunden) attackieren. Auch ohne im Windschatten eines Tempomachers laufen zu können.

Apropos, Pacemaker: Was gern als Verbeugung vor dem Zeitgeist angeprangert wird, gehört seit nunmehr 53 Jahren zum großen Laufgeschäft. Kein Geringerer, als der Brite Sir Chris Chataway, einst Weltrekordler über 5000 Meter (13:51,6 Minuten) und später Minister für industrielle Entwicklung, führte 1954 seinen englischen Landsmann Roger Bannister in Oxford zum ersten Meilenlauf unter vier Minuten: zu historischen 3:59,4 Minuten.

Zurück zum Berlin Marathon 2017, zu Eliud Kipchoge.

Womöglich reiht er sich schon jetzt, auch ohne Weltrekord, unter die besten Langstreckenläufer aller Zeiten ein. Man erinnere sich: Mit 19 Jahren gewann der Kenianer bereits den WM-Titel über 5000 Meter, im vorigen Jahr siegte er im olympischen Marathonlauf von Rio – eine Spannbreite, die ihresgleichen kaum hat.

Wer sollte ihn überholen?
 
Klaus Blume
Uhlenhorster Weg 2
22085 Hamburg
Tel: +49 (0) 40 229 7048
Mobil: +49 (0) 171 643 4018
klausblume@t-online.de

author: GRR

Comment
0

Leave a reply