Der Flyer für den 1. Berliner Halbmarathon am Sonntag, dem 2. September 1984 - Foto: Horst Milde
40 Jahre Berliner Halbmarathon 2024 mit zwei Europarekorden durch Carsten Eich und Fabian Roncero (ESP) – Gründer Horst Milde blickt zurück …
Ingo Sensburg, als local hero, vierfacher Sieger
In diesem Jahr gibt es mehrere Berliner Lauf-Jubiläen. Diese Läufe spielen in der Leichtathletik- und Laufgeschichte Berlins bis heute eine herausragende Rolle. Das sind die „runden“ Jubiläen in diesem Jahr:
60 Jahre Berliner Cross-Country-Lauf (seit 1964)
50 Jahre BERLIN-MARATHON (seit 1974)
40 Jahre 10 km Lauf im Tiergarten (seit 1984)
40 Jahre AVON Frauenlauf (seit 1984)
40 Jahre Berliner Halbmarathon (seit 1984)
Engagierte Studenten der Freien Universität Berlin (FU Berlin) hoben am 8. November 1964 den Berliner Cross-Country-Lauf am Teufelsberg aus der Taufe und gelten damit als die Lauf-Pioniere für die weitere Entwicklung des Laufsports in Berlin. Der BERLIN-MARATHON wurde am 13. Oktober 1974 gegründet und feiert am 29. September 2024 sein 50-jähriges Jubiläum.
Ein weiterer Berliner Lauf-Jubilar ist der Berliner Halbmarathon (seit 1984)
Er fand erstmals am 2. September 1984 statt und hat eine wechselvolle Geschichte mit einer rasanten Entwicklung. Wie alle anderen großen Berliner Läufe wurde auch der Halbmarathon einst von Horst Milde gegründet. Heute ist der Berliner Halbmarathon der mit Abstand größte in Deutschland und gilt als einer der beliebtesten der Welt. Er war gedacht als die „Die Generalprobe“ 4 Wochen vor dem BERLIN-MARATHON, der in diesem Jahr am 7. April 2024 stattfindet. Inzwischen schliesst der „kleine Bruder“ des BERLIN-MARATHON mit 36.187 Teilnehmenden aus 131 Nationen (2023) langsam auf zum BERLIN-MARATHON.
Die 5 Jubilare und „Aushängeschilder“ des Berliner Laufsports sind nur ein Teil der „Medaille“, die es in den 60 Jahren brauchte, um den Laufsport in Berlin weiter zu entwickeln. Sie bilden die Spitze des „Eisbergs“ im Berliner Leichtathletik-Verband (BLV), der 75 Leichtathletik-Vereine umfasst und insgesamt 220 Laufveranstaltungen jährlich anbietet. Alle tragen dazu bei die lange Tradition Berlins als Laufhochburg (seit den 1890er Jahren!) hoch zu halten.
Weitere Etappen in Berlin zur Laufhochburg sind der:
- „Berliner Volksmarsch“ über 15 km (1966),
- der „Berliner Volkslauf“ über 10 km im Grunewald (1967),
- das „Berliner Volkswandern“ über 25 km mit der BZ (1971),
- der „Berliner 25 km Lauf“ (1976),
- der „Berliner Silvesterlauf“ (ab 1977),
- der „Berliner Neujahrslauf“ (ab 1990),
- die „City-Nacht auf dem Kurfürstendamm“ (15. August 1992),
- die „Berliner 5 x 5 km Team Staffel (24. Juni 2000), um nur die wichtigsten „Edelsteine“ in der Laufpalette des Veranstalters SCC zu nennen.
Ingo Sensburg: Vierfacher Sieger des Berliner Halbmarathon 1985/86/87 und 1988. Hier bei seinem Sieg 1985 im Mommsenstadion in 1:07:39 – Foto: privat
Der Berliner Halbmarathon war ursprünglich als „Die Generalprobe“ für den Marathon konzipiert, und zwar immer vier Wochen vor dem „richtigen“ BERLIN-MARATHON. Bis 1989 verlief die Entwicklung des Laufes relativ „normal“, zunächst mit Start und Ziel im heimischen Mommsen-Stadion, später erfolgte ein Wechsel des Starts auf den Messedamm (an der inzwischen abgerissenen) Deutschlandhalle. Nach dem Mauerfall ab 1990 gab es wechselnde Start- und Zielorte bzw. Streckenverläufe durch die Stadt.
Auch der Berliner Halbmarathon hatte – gerade nach seiner Verlegung in die Innenstadt – stets zu kämpfen mit den widerwilligen Genehmigungen der Ordnungsbehörden, die das Primat des Autos auf den Straßen immer noch hochhielten. Die Teilnehmerzahlen wuchsen nur sehr langsam. Insofern gibt es durchaus Parallelen zum BERLIN-MARATHON, dessen ursprüngliche Heimat ebenfalls das Mommsen-Stadion, die Heimstätte des SCC Berlin, mit Start und Ziel war – ganz genau etwa 400 m weiter auf der Waldschulallee 80. Dort fiel nämlich am 13. Oktober 1974 der Startschuss zum ersten BERLIN-MARATHON.
6. Berliner Halbmarathon „Die Generalprobe“ am 3. September 1989 – Start auf dem Messedamm – Foto: Horst Milde
Ähnlich wie der BERLIN-MARATHON musste sich auch der Berliner Halbmarathon in seiner historischen Entwicklung mehrmals neu erfinden: mit den mehrfach wechselnde Start- und Zielorten innerhalb Berlins und den Zeitpunkten innerhalb des Kalenderjahres (mal im Frühling, mal im Herbst).
Die Teilnehmerzahl betrug zunächst knapp unter 1.000, stieg dann von Jahr zu Jahr kontinuierlich, aber dennoch langsam auf über 2.000. Der erste Sieger 1984 war Bernie Dowson, ein in Berlin stationierter britischer Soldat in 1:06:51; bei den Frauen gewann die Berlinerin Angelika Brandt in 1:22:45, sie war auch schon Siegerin beim BERLIN-MARATHON im Jahre 1977.
Ganz ähnlich wie der BERLIN-MARATHON war auch der Berliner Halbmarathon bis in das Jahr 1989 in der Spitze eine lokale Angelegenheit:
Ingo Sensburg von den Neuköllner Sportfreunden (NSF) gewann von 1985 bis 1988 die Rennen, seine Siegerzeit von 1986 in 1:06:33 war dann auch Streckenrekord bis 1989. Bekannteste Siegerin bei den Frauen war in den ersten Jahren Kerstin Preßler (ebenfalls NSF Berlin), die 1985 gewann. Ihre Siegerzeit von 1985 in 1:15:44 war Streckenrekord bis 1990. Kerstin Preßler gewann ebenfalls den BERLIN-MARATHON 1987.
Im Jahre 1990 firmierte der „Bezirksfachausschuss Leichtathletik Berlin des DTSB der DDR“ mit Stefan Senkel an der Spitze seinen bisherigen „Friedenslauf“ in einen Halbmarathon um und startete diesen am 1. September 1990 in der Karl-Marx-Allee mit Streckenteilen auch durch das vormalige Berlin (West). Das wiederum bedeutete, dass der SCC seinen Herbsttermin im September nicht mehr wahrnahm. Die „Friedenslauf“-Organisatoren sahen sich aber danach wirtschaftlich nicht in der Lage, diesen Lauf weiterhin zu organisieren, sodass der SCC mit Stefan Senkel – wie auch beim schon Berliner Neujahrslauf – vereinbarte, das „Friedenslauf“ Emblem einige Zeit bei seinem Halbmarathon weiterhin zu führen und dann am 1. September 1991 mit Start in der Karl-Marx-Allee (Kino International) der Halbmarathon unter der Regie des SCC „weiterlief“.
Ab 1992 wurde der Termin der Veranstaltung vom Herbst in das Frühjahr verlegt, da es sinnvoller schien, diese immer größer werdende Laufveranstaltung im Frühjahr zu organisieren und den BERLIN-MARATHON weiterhin im Herbst. Zwei kleine Anekdoten seien zwischendurch angemerkt: Beim Lauf im Jahre 1993 war es sehr stürmisch. Auf einem großen Parkplatz in der Alexanderstraße standen die Zelte für die Umkleiden und die Ausgabe der Startnummern. Plötzlich flogen durch einen starken Windstoß die Zelte für die Umkleiden und Organisation weg. Ein Anruf bei der Feuerwehr half: Albrecht Broemme, der damalige Landesbranddirektor, ließ die in kurzer Entfernung befindliche Feuerwache öffnen und die Läuferinnen und Läufer konnten die Wache zum Umziehen und für die Aufbewahrung der Bekleidung nutzen.
Im Jahr 1994 – so viel als zweite Anekdote – bestellte man zum Ziel 30 Kisten Bananen, es wurden aber versehentlich 230 Kisten geliefert. Das bedeutete Mehrarbeit für die Organisatoren und mehr Bananenkost für die Finisher im Ziel. Am Tag danach wurden die umliegenden Altenheime mit den übrig gebliebenen Bananen beliefert bzw. später sogar noch der Berliner Zoo. Alle haben sich über die frischen Früchte gefreut …
Berliner Halbmarathon mit Start in der Karl-Marx-Allee (Nähe Alexanderplatz) – Foto: Horst Milde
In den nächsten Jahren konnten wir die an der Ecke Alexanderstraße befindliche Kongresshalle für die Organisation nutzen. Start- und Zielorte mussten jedoch mehrfach wegen Bauarbeiten wechseln. 1992 meldeten sich 2.378 Teilnehmer und Teilnehmerinnen für den 9. Berliner Halbmarathon an. Der BERLIN-MARATHON hatte 1992 dagegen schon 13.350 Finisher. Die Teilnehmerzahlen entwickelten sich zur Enttäuschung der Veranstalter beim Berliner Halbmarathon weiterhin sehr langsam.
Im Fokus stand für die Lauf-Community nur der BERLIN-MARATHON. Erst im Jahre 2003 erreichte der Berliner Halbmarathon 10.998 Teilnehmer:innen, da hatte der BERLIN-MARATHON allerdings schon 30.709 Finisher.
Die Laufstrecke war attraktiv mit dem Boulevard „Unter den Linden“ mit Durchlauf des Brandenburger Tors, der Siegessäule bis zur Wende am Charlottenburger Schloss, zurück über den Kurfürstendamm, an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche vorbei zum „Checkpoint Charlie“ bis zum Ziel zunächst in der Alexanderstraße. Später zog der Lauf dann endgültig in die Karl-Marx-Allee mit Start und Ziel um.
Die Siegerzeiten beim Berliner Halbmarathon dagegen wurden – nach der Wiedervereinigung – immer schneller: Stephan Freigang (LC Cottbus) siegte 1990 mit 1:01:14. Am 4. April 1993 wurde es noch besser mit Rekorden: Carsten Eich (Leipzig) siegte mit 1:00:34 in neuer Europarekordzeit. Wäre er einen Tag eher gelaufen, hätte es sogar einen Weltrekord gegeben, denn am Vortag lief den Moses Tanui mit 59:47. Kathrin Weßel (SCC Berlin) lief 1994 eine Zeit unter 1:11:00 mit 1:10:47, Marleen Renders (BEL) verbesserte den Streckenrekord 1998 auf 1:10:04, bis Joyce Chepchumba (KEN) im Jahr 2000 ihn auf 1:08:22 stark verbesserte.
Der 19. Berliner Halbmarathon 1999 mit dem Europarekordler Carsten Eich (lks. oben in der Ecke) – Foto: Horst Milde
Nach Carsten Eich sorgte Fabian Roncero (ESP) 2001 für den zweiten Europarekord mit 59:52:00 beim Berliner Halbmarathon und schaffte damit auch medial den Durchbruch für den Berliner Halbmarathon in der internationalen Szene. Damit hatte der Veranstalter SCC Berlin neben dem BERLIN-MARATHON ein weiteres internationales Ass im Ärmel der Laufveranstaltungen. Erst 2006 verbesserte Paul Kosgei den Streckenrekord auf 59:07. 2009 gab es bei den Frauen einen deutschen Sieg durch Sabrina Mockenhaupt mit ansprechenden 1:08:45.
Der 23. Berliner Halbmarathon 2003 mit dem Europarekordler Fabian Roncero (r.oben in der Ecke) – Foto: Horst Milde
Im Jahre 2004 zog man einmalig mit Start und Ziel an die Schloßbrücke mit dem Lustgarten als dekorativem Zielgebiet. Die Lauf-Expo fand auf dem Messegelände statt. 1997 diente der Berliner Halbmarathon als „Versuchsobjekt“ für die Einführung des Inlineskating bei internationalen Laufveranstaltungen. Das Vorhaben gelang vorzüglich und es wurde dann auch im gleichen Jahr beim BERLIN-MARATHON mit großem Erfolg eingeführt: Berlin war damit wieder einmal Trendsetter mit dieser neuen Disziplin.
Der „Bezirksfachausschuss Leichtathletik Berlin des DTSB der DDR“ mit Stefan Senkel veränderte seinen „Friedenslauf“ 1990 in einen Halbmarathon und lief durch Teile des vormaligen Berlin (West) – Foto: Horst Milde
Start und Ziel befanden sich von 2011 bis 2018 auf der Karl-Marx-Allee, ab 2019 veränderte man sich wiederum wegen notwendiger Bauarbeiten auf ein ähnliches Start- und Zielgebiet wie beim BERLIN-MARATHON auf die Straße des 17. Juni mit dem Ziel kurz nach Durchlauf des Brandenburger Tores. Das ist auch im Jubiläumsjahr 2024 das Ziel und wird es mit Sicherheit in den folgenden Jahren bleiben!
Getümmel nach dem Ziel auf der Strasse des 17. Juni nach Durchlauf des Brandenburger Tors – Foto: Horst Milde
Der Berliner Halbmarathon über die exakt 21.0975 km ist ein Lauf für alle … für die Läufer:innen, die Inlineskater:innen, die Rollstuhlfahrer, die Handbiker und am Vortag auch für Kinder auf kürzeren Distanzen. Eric Kiptanui (KEN) verbesserte 2018 den Streckenrekord auf 58:42, bei den Frauen lief 2022 Sheila Chepkirui (KEN) mit 1:05:02 den aktuellsten Streckenrekord.
Wie die World Marathon Majors im Marathon ist der Berliner Halbmarathon jetzt auch Mitglied der europäischen SuperHalfs Serie 2024.
Horst Milde
Gründer BERLIN-MARATHON
Gründer Berliner Halbmarathon (u.v.a. Läufe in Berlin)
Zeitzeuge in Laufsport und Leichtathletik: Horst Milde – Berlin – Das Video von Prof. Dr. Helmut Winter:
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