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28
09
2013

Der Race Director des Berlin-Marathons, Mark Milde. ©Helmut Winter

40. Berlin-Marathon: Race Director Mark Milde – Der Mann hinter den Rekorden – Helmut Winter berichtet

By GRR 0

Ein Blick auf die Liste der Topathleten des 40. BMW Berlin Marathons am kommenden Sonntag lässt auch für das 40. Jubiläum Resultate erwarten, die sich im weltweiten Vergleich an vordersten Positionen einordnen werden. Insbesondere im Marathonlauf der Männer ist schon seit über einer Dekade die Veranstaltung durch die Straßen der deutschen Hauptstadt das Non-plus-ultra der internationalen Laufszene.

Dies lässt sich schon durch Zahlen wie 2:03:38 oder 2:04:37 eindrucksvoll belegen – dem aktuellen Weltrekord im Marathon sowie das noch aussagekräftigere Mittel der zehn schnellsten jemals auf einem Kurs erzielten Zeiten -, wo Berlin die globale Konkurrenz beeindruckend dominiert. Auch die Tatsache, dass es den Organisatoren des Berlin-Marathons alljährlich gelingt, einige der weltbesten Athleten an den Start für die Jagd auf neue Bestmarken zu bringen, besagt eigentlich alles.

Und diese Dominanz Berlin in der Marathonszene ist maßgeblich das Verdienst eines Mannes, der für das leistungssportliche Segment des Berlin-Marathons seit über 10 Jahren verantwortlich zeichnet: „Race Director" (oder: Renn-Direktor) Mark Milde.

Seiner Arbeit und seinem Können ist es vor allem zu verdanken, dass beim Thema „Marathon" Berlin auf der ganzen Welt hohes Ansehen genießt. Während viele Entwicklungen im Laufsport und vor allem auch im Marathon in der Öffentlichkeit und den Medien kaum Beachtung finden, beim Weltrekord im Marathon kann fast jeder mitreden. War das nicht in Berlin … ?

Doch was es in der heutigen schnelllebigen und global operierenden Welt bedeutet, einen solchen Status zu erringen, ist für einen Außenstehenden kaum zu ermessen. Der Marathon als leistungssportliche Disziplin hat in der Weltspitze ein derartiges Niveau erreicht, dass die Verbesserung von Rekorden nur noch mit detaillierter Planung und Organisation zu erreichen sind.

Die Verfügbarkeit von Topathleten, ein entsprechendes Streckenprofil und optimale äußere Bedingungen sind dabei Voraussetzungen, ohne die sowieso nichts „läuft". Und längst sind Rekorde keine Selbstläufer mehr, wie das jüngste Beispiel des diesjährigen London-Marathons zeigt, wo eine einmalige Ansammlung von Topläufern Jagd auf die Berliner Bestmarke machte und nur noch die Frage offen blieb, ob auch die 2:03-Barriere fallen würde. Was sich dann nach perfekten 1:01:34 für die erste Hälfte in London abspielte, gehört zu den Musterbeispielen, dass Rekorde in diesen Dimensionen nicht mehr zu erzwingen sind.

Somit kann die Arbeit, die beim Berlin-Marathon von einem großen Team alljährlich sehr erfolgreich geleistet wird, nicht hoch genug eingeschätzt werden. Es grenzt dabei schon fast an ein kleines Wunder, dass man sich an der Spree mit im Vergleich zu anderen Großen der Szene sehr limitierten Ressourcen so grandios behaupten kann.

Bei der Suche nach den Gründen stößt man unweigerlich auf den maßgeblichen Akteur, „Race Director" Mark Milde. Im Rahmen des Großevents Berlin-Marathon erscheint er für die Öffentlichkeit nur am Rande, wie zum Beispiel auf dem Fahrrad mit den Topläufern, als Interviewpartner zu leistungssportlichen Aspekten des Laufs oder als Gratulant der Sieger im Zielbereich.

Doch seine herausragende Stellung in der internationalen Laufszene hat er sich mit Leistungen erworben, die weniger im unmittelbaren Fokus des Laufspektakels in den Straßen Berlins stehen. Seine Fähigkeiten Felder von Athleten für absolute Höchstleistungen zu verpflichten, die Renntaktik mit den Läufern sowie deren Managern festzulegen und bei deren Umsetzung mit kreativen Ideen zu unterstützen, sind auch im internationalen Maßstab unerreicht.

Dabei sprechen die Fakten für sich: Seit Mildes Zuständigkeit für die Eliteathleten hält Berlin den Weltrekord für den Marathonlauf der Männer seit 2003 wie ein Monopol und der wurde bis heute dreimal auf mittlerweile 2:03:38 gesteigert.

In dieser Zeit hatte Berlin im weltweiten Ranking eines Jahres sechsmal die schnellste Zeit zu bieten, nur der Rotterdam-Marathon mit drei Zeiten kann da noch halbwegs mithalten (dort ist mit Eric Brommert ein gleichfalls sehr kompetenter Renndirektor aktiv).

Bei den Frauen ist Berlin gleichfalls in der internationalen Spitze vertreten, wenn auch nicht so dominant.

Bei der Verpflichtung im Jahr 1998 des ersten Weltrekordlers in Berlin, des Brasilianers Ronaldo da Costa (2:06:05), assistierte er bei Christoph Kopp und begann dann seine eigenständige Karriere als sportlicher Leiter mit Tegla Loroupe (KEN) und ihrem Weltrekord von 2:20:43 ein Jahr später.

Mit der Japanerin Naoko Takahashi 2001, die auf dem schnellen Berliner Kurs als erste Frau in 2:19:46 die Schallmauer von 2:20 Stunden durchbrach gelang Mark Milde nicht nur der Schachzug sie zu verpflichten, sondern auch die Finanzierung zu sichern. Dies wurde nur durch das Einwerben zusätzlicher Finanzen durch einen Fernsehvertrag mit Japan möglich. Der Weltrekord und die traumhaften Einschaltquoten in Fernost waren der Lohn eines großartigen Managements.

Und das leistete zu dieser Zeit vor allem noch Vater Horst Milde, der 1974 im Grunewald den Berlin-Marathon aus der Taufe hob. Da war Sohn Mark erst ein Jahr alt, an den Marathon war für ihn sicher noch nicht zu denken. Aber entziehen konnte er sich im Lauf-verrückten Hause Milde diesem Event sicher nicht. Schon mit 8 Jahren war er zusammen mit Bruder Karsten als Helfer bei der Startnummernausgabe dabei, danach betreute er Verpflegungspunkte auf der Strecke und wuchs zunehmend stärker in das Organisationsteam hinein.

Dabei tat er sich schon früh durch innovative Ideen hervor, die maßgeblich seinen späteren Erfolg in der Funktion als sportlicher Leiter begründeten. Das begann bereits 1995, wo er die sehr wichtige Getränkeversorgung der Topathleten insofern optimierte, als er jedem Athleten einen eigenen Helfer zuordnete, der auf dem Fahrrad an jedem Verpflegungspunkt gezielt die Flasche überreichte und damit das Chaos beim Auffinden der spezifischen Getränke im Spitzenbereich der Vergangenheit angehörte. Dabei rannte sogar ein Helfer im Notfall seinem Athleten noch hinterher, falls die Übergabe der Flasche gescheitert war.

Und eine besondere Rolle bei dieser Prozedur spielte Mark Mildes älterer Bruder Karsten, der da Costa (1998), Loroupe (1999), Takahashi (2001), Tergat (2003) und Haile (2007, 2008) die Trinkflaschen reichte und es jeweils einen (von ihm schon im Vorfeld vorhergesagten) Weltrekord in Berlin gab.

Die andere Innovation die Mark Milde mit großem Erfolg realisierte war der fast schon verschwenderische Einsatz von Tempomacher für den/die Topläufer. Ihm war früh klar, dass sich das Leistungsniveau im Marathonlauf in der letzten Dekade auf ein so hohes Niveau entwickelt hatte, dass Spitzenzeiten im Bereich von unter 2:05 Stunden nur noch durch ein hoch effizientes Pacing zu erzielen waren.

Spätestens seit der historischen Verpflichtung des Superstars der Laufszene, dem Äthiopier Haile Gebrselassie, praktizierte Milde mit Unterstützung des holländischen Managers Valentijn Trouw den Einsatz einer ganzen Armada hochkarätiger Tempomacher, die man auch als das „Berliner Modell" bezeichnen könnte und bei anderen großen Läufen mittlerweile mit ebenfalls großem Erfolg kopiert wird.

Wesentliche Idee hinter dieser Konzeption ist das Ausbilden einer Formation von „Hasen", die in Gestalt eines Keils die Topläufer abschirmen und ein kontrolliertes, hohes Tempo vorgeben. Bei den heutigen Ansprüchen im Bereich der Weltklasse bedeutet das Durchgangszeiten beim Halbmarathon von unter 62 Minuten. Und damit das auch sicher gelingt, gibt es Absprachen, welcher Tempomacher zu welchem Zeitpunkt ganz vorne agiert und wer seine Rolle übernimmt, wenn dieser schwächelt.

Dazu stellen sich die Tempomacher im Vorfeld des Laufs in Formation auf und spielen die Prozeduren durch. Der Erfolg dieses Modells war nahezu sensationell, wie Hailes einmaligen Weltrekorde belegten. Auch der aktuelle Weltrekord bei den Männern von 2:03:38 durch Patrick Makau wurde so erzielt.

Wie dicht Milde dabei – in der Regel auf dem Fahrrad – am Geschehen ist, zeigte sich auch bei den Problemen, die Haile beim direkten Duell in Berlin gegen Makau im Jahr 2011 hatte. Milde war sofort zur Stelle, munterte den Altstar auf und dirigierte sofort einen Tempomacher an Hailes Seite, der mit diesem auch noch 5 km bis zur 35 km-Marke unterstützte.

Ohne Frage werden dieser Einsatz und hohe Kompetenz Mildes weltweit von Athleten sowie Managern hoch geschätzt, dabei ist er aber trotz seines großen Erfolges stets „auf dem Boden geblieben".

Dazu gehört ferner seine Fähigkeit, das Potenzial junger Athleten zu erkennen und diese schon früh zu fördern. Diesbezüglich hat er in den letzten Jahren Neuland beschritten, indem er junge Athleten, die auf den Unterdistanzen Topleistungen erzielten, als Tempomacher für den Marathon rekrutierte, um diesen „Appetit" auf den vollen Marathon zu machen und diese an Berlin zu binden.

Der erst 20jährige Geoffrey Kipsang (wird übrigens in dem aktuellen Film „The Unknown Runner" vorgestellt) ist ein Musterbeispiel für dieses Konzept. Und was für eines! Im April 2011 gewann Geoffrey als 18Jähriger den Berliner Halbmarathon in 60:38, fungierte dann im Herbst als einer der Tempomacher für Haile und Makau und lief im letzten Jahr bereits sehr gute 2:06:12 als Dritter beim Berlin-Marathon. Dieses Jahr gehört er auch nach seinem Halbmarathon im Februar in Ras Al Khaimah in 58:54 zum erweiterten Favoritenkreis.

Bei seiner Arbeit kommt Mark Milde sicher zugute, dass er selbst sportlich aktiv war und damit ein gutes Gespür für leistungssportliche Belange entwickeln konnte. Immerhin 2:50:36 ist seine Bestzeit im Marathon, womit er bis auf Carey Pinkowski in Chicago (unter 2:20) zu den schnellsten Renndirektoren gehören dürfte. Auch einen Ironman-Triathlon hat er in Roth hinter sich gebracht, und seine Liebe für die Inlineskater führte auf sein Betreiben zur Integration dieser Sportart in die Berliner Veranstaltung. Und auch das mit durchschlagendem Erfolg, der Berlin Skating-Marathon ist die größte Veranstaltung dieser Art auf dem Globus.

2004 übernahm Mark Milde die Funktion des Race-Directors als Nachfolger seines Vaters Horst und konnte anschließend die hohen Erwartungen in allen Belangen erfüllen. Im Marathon der Männer ist Berlin der „Nabel der Welt". Das zeigte sich an der Aufnahme des Berlin-Marathons in „World Marathon Majors" (eine vermeintliche Eliteliga internationaler Marathonläufe), wo Mark Milde ein gesuchter und anerkannter Ratgeber und Gesprächspartner ist.

Berlins leistungssportliche Führungsposition in diesem Eliteclub, ist zu großen Teilen das Verdienst Mark Mildes. Auch in Wien profitiert man von seiner Expertise, wo er mit großem Erfolg seit einigen Jahren für die Eliteathleten beim dortigen Marathon verantwortlich zeichnet.

Dass er und das Berliner Team alles daran setzen werden, diese Position zu halten, steht außer Frage. Das Feld der Eliteathleten (und der Tempomacher!) verspricht zusammen mit guten Wetterprognosen für Sonntag wieder ein schnelles Rennen bei den Männern im Bereich des Weltrekordes.

Und wie in den Vorjahren wird Mark Milde maßgeblich dazu beitragen, dass dieses Unterfangen von Erfolg gekrönt wird, ganz nach dem Motto, das ihm sein Vater Horst bei der Übergabe seiner Verantwortlichkeit an den Sohn mit auf dem Weg gab:

 

         „Mit gutem Beispiel vorangehen und cool bleiben."

 

Helmut Winter

 

   Die Weltrekorde (Weltbestzeiten) im Marathonlauf in Berlin seit 1990

 

  Ort

     Name

  Zeit

   Datum

Race Director

Berlin

Ronaldo da Costa (BRA)

2:06:05

20.09.1998

H. Milde

  

Tegla Loroupe (KEN)

2:20:43

26.09.1999

H. u .M. Milde

  

Naoko Takahashi (JPN)

2:19:46

30.09.2001

H. u. M. Milde

  

Paul Tergat (KEN)

2:04:55

28.09.2003

H. u. M. Milde

  

Haile Gebrselassie (ETH)

2:04:26

30.09.2007

M. Milde

  

Haile Gebrselassie (ETH)

2:03:59

28.09.2008

M. Milde

  

Patrick Makau (KEN)

2:03:38

25.09:2011

M. Milde

Rotterdam

Tegla Loroupe (KEN)

2:20:47

19.04.1998

M. Kadics

London

Khalid Khannouchi (MAR)

2:05:38

14.04.2002

C. Brasher

  

Paula Radcliffe (GBR)

2:15:25

13.04.2003

C. Brasher

Chicago

Khalid Khannouchi (MAR)

2:05:42

24.10.1999

C. Pinkowski

 

Catherine Ndereba (KEN)

2:18:47

7.10.2001

C. Pinkowski

 

Paula Radcliffe (GBR)

2:17:18

13.10.2002

C. Pinkowski

author: GRR

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