Race Director Carey Pinkowski mit den beiden aktuellen Weltrekordhaltern im Marathon: Paula Radcliffe (GBR, 2:15:25) und Dennis Kimetto (KEN, 2:03:57). ©Helmut Winter
40. Bank of America Chicago Marathon am 8. Oktober 2017: Hochklassige Elitefelder zum Jubiläum – Helmut Winter
In den letzten beiden Jahren machte der Chicago Marathon mehr durch den Verzicht von Tempomachern als durch die Leistungen bei den Männern von sich reden.
Nachdem in den Jahren 2012 bis 2014 die Siegerzeiten noch hochklassig waren – 2012: 2:04:38 Tsegaye Kebede, 2013: 2:03:45 Dennis Kimetto (CR), 2014: 2:04:11 Eliud Kipchoge – brachen die Siegerzeiten in den letzten beiden Jahren regelrecht ein. Im vorletzten Jahr siegte Dickson Chumba in 2:09:25, im letzten Jahr reichten 2:11:23 zum Sieg vom Ex-Weltmeister Abel Kirui.
Offiziell sind auch in diesem Jahr keine Tempomacher am Start, es wird aber vermutet, dass der erst kurzfristig nachverpflichtete Emmanuel Bett (KEN) als „versteckter“ Hase für das Tempo im ersten Teil verantwortlich sein könnte. Im letzten Jahr wurde der erste Kilometer in ungewöhnlich langsamen 3:18 Minuten angelaufen, womit sich alle Ambitionen auf schnelle Zeiten bereits erledigten. Das Rennen bei den Männern könnte man als Wettstreit des US-Topläufers Galen Rupp gegen die afrikanische Elite sehen, die zum Jubiläum – zumindest auf dem Papier – ausgesprochen hochkarätig besetz ist.
Galen Rupp gewann nach einer langen Bahnkarriere die Bronzemedaille beim Olympischen Marathon 2016 in Rio. In seinem vierten Marathon will er die Bedingungen in Chicago nutzen, um deutlich schneller zu laufen als bei seiner Bestzeit von 2:09:58 als Zweiter beim Boston Marathon im April 2017.
Während eine neue Bestzeit für Rupp ein Selbstläufer sein sollte, wird eine vordere Platzierung alles andere als einfach werden. Mit Dennis Kimetto (KEN) und Zersenay Tades (ERI) sind mit 2:02:57 bzw. 58:23 die aktuellen Weltrekordler im Marathon und im Halbmarathon am Start. Kimetto agierte nach dem Weltrekord auf der Berliner Strecke im September 2014 wenig glücklich und wurde von einer Serie von Verletzungen geplagt. Aktuell lief sein Training wieder viel versprechend.
Und Tadese konnte sich im Rahmen des „Breaking2“-Projekts auf angemessene 2:06 Stunden steigern, seine Regel konforme Bestzeit liegt derzeit allerdings bei nur 2:10:41.
Einige der Topläufer beim 40. Chicago Marathon: Estrada, Derrick, Tadese, Lelisa, Rupp, Chalanga (v.l.) (c) H. Winter
Stanley Biwott (KEN) lief 2016 in London 2:03:51, hatte danach allerdings eine Durststrecke, die es nun zu überwinden gilt. Im November 2015 gewann er den New York City Marathon. Feyisa Lelisa (ETH) gewann in Rio 2016 die Silbermedaille und lief seine Bestzeit in Chicago bereits im Jahr 2012 mit 2:04:52 auf Platz 2. Nach seinem Protest beim Zieleinlauf bei Olympia in Rio mit verschränkten Oberarmen, lebt der Äthiopier mit seiner Familie in den USA im Asyl. Mit Abel Kirui (KEN) ist der Vorjahressieger am Start, dem die langsame Fahrt im ersten Teil des Rennens in Chicago zu Gute kam. Bereits 2009 lief er beim Rotterdam Marathon in 2:05:04 seine Bestzeit. Im April wurde er in London mit 2:07:45 Vierter.
Zu beachten ist Sisay Lemma mit einem Hausrekord von 2:05:16 beim Dubai Marathon 2016. Beim Berlin Marathon 2016 schaffte er 2:06:56 und im Januar wurde er in Dubai Dritter in 2:08:04. Weitere Topläufer mit Bestzeiten unter 2:07 sind Ezekiel Chebii (KEN) mit 2:06:07 als Fünfter beim Amsterdam Marathon sowie Bernard Kipyego (KEN), der 2015 den Amsterdam Marathon in 2:06:19 gewann.
Bei den Frauen ist die Vorjahressiegerin Florence Kiplagat (KEN) wieder am Start, die das Rennen in schnellen 2:21:32 gewann und auch im Jahr 2015 in 2:23:33 vorne war. Ihre Bestzeit lief Kiplagat schon im Jahr 2011 beim Berlin Marathon bei ihrem Sieg in 2:19:44, auch 2013 war sie in Berlin 2:21:13 vorne. Mit 1:05:09 aus dem Jahr 2015 in Barcelona hatte sie einige Zeit den Weltrekord im Halbmarathon inne. Weniger überzeugend war ihr Auftritt beim London Marathon im April, wo sie in 2:26:25 nur Neunte wurde.
Einige der Eliteathletinnen beim 40. Chicago Marathon: Perez, Weightmann, Heckert, Crouch, Hasay, Dibaba (v.l.) (c) H. Winter
Ob allerdings Florence einen weiteren Erfolg in Chicago erringen kann, dürfte wenig sicher sein, denn mit Tirunesh Dibaba (ETH) ist eine der aktuell wohl besten Marathon-Läuferinnen am Start, die sich erst im April auf grandiose 2:17:56 beim London Marathon steigern konnte. Obwohl sie dabei wegen Magenkrämpfen sogar kurz stoppen musste, ist die äthiopische Ausnahmläuferin nach ihrem zweiten Marathon bereits die drittschnellste Marathon-Läuferin aller Zeiten; nur Weltrekordlerin Paula Radcliffe sowie Mary Keitany waren jemals schneller als die kleine Äthiopierin.
Dass Joan Benoit-Samuelson in der Liste der Eliteathleten erscheint, hat mit der Tatsache zu tun, dass ihre Bestzeit 2:21:21 beträgt. Dies ist aber lange und ihren Angriff auf den Master W60-Weltrekord musste sie vor wenigen Tagen wegen einer Verletzung absagen. Auch die Bestleistung von Madai Perez (MEX) mit 2:22:59 liegt mit dem Jahr 2006 lange zurück. Bei den Olmypischen Spielen in Rio landete sie in 2:34:42 auf Platz 32. Gespannt sein, darf man auf den Auftritt der US-Nachwuchshoffnung Jordan Hasay (USA), die mit 2:23:00 ein tolles Debüt beim Boston Marathon im April hinlegte. Ihr ist es durchaus zuzutrauen diese Zeit weiter zu steigern und auf das Podium vorzulaufen. Mit einer ählichen Bestzeit wie Hasay ist Valentine Kipketer (KEN) gelistet, die 2012 mit einer Zeit von 2:23:02 den Amsterdam Marathon gewann.
Helmut Winter
A collection of analyses of the Windy City 26-miler as prepared by Sean Hartnett, "Professor Marathon"…