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29
03
2014

Warmup in Ogori ©Helmut Winter

36. Ogori Road Race (Japan): Yuki Kawauchi mit Kurs auf den Hamburg-Marathon – Helmut Winter berichtet

By GRR 0

Die 36. Ausgabe der Laufveranstaltung im südjapanischen Ogori stand ganz im Zeichen der Teilnahme des Lauf-Unikums und Vielstarters Yuki Kawauchi. Beim Lauf in der kleinen Gemeinde südlich der Metropole Fukuoka/Hakata absolvierte einer der besten Marathonläufer Japans einen weiteren Leistungstest über die Halbmarathondistanz, war erwartungsgemäß ohne jede Konkurrenz und lag am Ende fast vier Minuten vor den Verfolgern.

Die Veranstalter trugen dieser zu erwartenden Dominanz Rechnung und nahmen Yuki aus der Wertung, um auch den Hobbyläufern eine Chance auf den Sieg zu eröffnen. Denn Ogori ist ein Fest des Breitensports mit mehreren 1000 Teilnehmern, die Starts über 5 km, 10 km sowie den Halbmarathon absolvieren können, für den sehr zahlreich besetzten Lauf der Jüngsten geht es über 1,5 km, die die Besten in 4:55 Minuten absolvierten.

Der Start Kawauchis war eine sehr einseitige Sache, unmittelbar nach dem Start zog der Selfmade-Mann, der sich selbst trainiert und einer vollen (!) Berufstätigkeit an einer High School im Großraum Tokyos nachgeht, davon, hatte nach 10 km bereits einen Vorsprung von gut einer Minute, den er dann im zweiten Teil mit km-Splits unweit der 3 Minuten deutlich ausbaute und in 1:05:21 den Halbmarathon gewann. Ungleich der Meisterschaftsläufe und den Qualifikationsrennen in Japan (wie z.B. in Ageo City) war das Leistungsniveau für einen Veranstaltung des Breitensports „normal". Nach den nächsten Plätzen in 1:09:18, 1:09:19, 1:09:21 wurde es dann doch wieder etwas dünner, und das Gros der Teilnehmer erreichte das Ziel jenseits von 1 ½ Stunden.

Die Veranstaltung in Ogori ähnelt in vielen Belangen der Laufserie im Frühjahr im westfälischen Hamm, wo auch im Stadion gestartet und eingelaufen wird, dazwischen geht es weitgehend durch ländliche Gebiete. Unübersehbar in Ogori ist allerdings das in Japan zur Perfektion neigende Organisationsstruktur, was mit dem sekundengenauen Start mit Bezug auf die aktuelle Uhrzeit beginnt und mit einem Einsatz von Kampfrichtern sowie Helfer endet, der in dieser Quantität in die Regionen einer Großveranstaltung kommt. Ferner lässt man die drei Rennen mit etwas Zeitversatz parallel auf dem gleichen Kurs ablaufen. Eine große organisatorische Herausforderung, die man bis auf kleine Pannen meisterlich bewältigt.

Für Yuki Kawauchi, der neben den beiden Olympiaveteraninnen Hiromi Suzuki und Yumi Kokamo die Veranstaltung auf den Plakaten bewarb, war dieser Lauf ein weitere Etappe im Rahmen seiner Vorbereitungen auf den Hamburg-Marathon am 4. Mai, wo er u.a. auf die Topstars der Szene Martin Lel und einem wieder genesenen Haile Gebrselassie trifft.

Yukis Qualitäten als Vielstarter sind mittlerweile legendär, aber bei aller Anerkennung muss auch erhebliche Kritik an der Häufigkeit und vor allem Intensität seiner Leistungstests in Wettkämpfen im Wochentakt geübt werden. Einen ersten Warnschuss in Hinsicht auf den Raubbau mit seinen Kräften gab es für ihn beim traditionellen Lake Biwa Marathon Anfang März in Otsu. Dort wurde er zwar in 2:10:34 Vierter, aber die Zeit angesichts seiner Vorgaben von sub-2:08 war mehr als enttäuschend, und dies vor allem auch deshalb, als er nur zwei (!) Wochen zuvor völlig unnötig beim Marathon in Kumamoto (unweit von Ogori) mit vollem Einsatz lief und mit 2:10:12 den Kursrekord um über 10 Minuten steigerte. Nach dieser Generalprobe ging dann der Auftritt beim Golden Label Race in Otsu ziemlich daneben und sollte Yuki über den Verschleiß seiner Ressourcen nachdenklich machen. Soweit aus seinem Umfeld zu erfahren war (Dank an Brett Larner), ist das wohl auch so.

Aber dann ist schon erstaunlich, was sich Yuki unmittelbar nach Lake Biwa schon wieder zumutete. Die „kleinen Veranstalter" sind natürlich entzückt, einen solchen Eliteläufer in der Provinz am Start zu haben. Und die Hype die Yuki auch in Ogori entfachte, grenzte in allen Belangen an die Auftritte von Popstars. Es ist schlichtweg unglaublich, wie beliebt der junge Japaner in seinem Land mittlerweile ist. Es gibt in Japan kaum noch jemanden, der ihn nicht kennt, und seine Auflehnung gegen das (Lauf-)Establishment spricht in einer sehr restriktiven und überregulierten Gesellschaft vielen seiner Landsleute aus dem Herzen. Man würde sicherlich einiges darum geben, wenn man mit der „Lauferei" eine derartige Akzeptanz in der deutschen Öffentlichkeit hätte. Dazu bräuchte es aber auch einen „deutschen Yuki", der angesichts der Misere in der deutschen Straßenlaufszene selbst am Horizont nicht zu erblicken ist.

Das Original läuft aktuell im Wochentakt auf höchstem Niveau. Denn mit einem Leistungsniveau im Marathon im Bereich von 2:10 und etwas darunter, sind Läufe über die halbe Distanz um 1:04 und 1:05 Aktionen nahe am Limit und erfordern entsprechende Phasen der Regeneration. Wenn man sich vor allem das „Restprogramm" von Yuki bis Hamburg anschaut, kann man fürchten, dass sich die schwache Leistung von Otsu wiederholt. Dabei wäre gerade Haile in Hamburg, der zuvor in London Tempomacher spielt, eine beste Orientierung, da dieser den Masters-Weltrekord von 2:08:46 im Visier hat (Espinoza, Berlin) und vermutlich auf eine etwas schnellere Endzeit angehen wird.

Vielleicht wird ja auch in Hamburg das Duell Haile gegen Yuki für die Schlagzeilen sorgen, obwohl beide gar nicht um den Sieg streiten. Seit Yuki Kawauchis Aufstieg haben sich auch diesbezüglich die Standards verschoben. Für die Marathonszene ist das sicher eine Bereicherung.

Yuki Kawauchis Läufe in der letzten Zeit und bis zum Hamburg-Marathon (zusammengestellt mit freundlicher Unterstützung von Brett Larner, Japan Running News)

 

Helmut Winter

 

 Datum

Veranstaltung

Zeit

 Intervall

16.2.2014

Kumamoto-jo Marathon

2:10:14

1 Woche

2.3.2014

Lake Biwa Mainichi Marathon

2:10:38

2 Wochen

9.3.2014

Nagoya City Halb-Marathon

1:04:17

1 Woche

16.3.2014

Saitama City Halb-Marathon

1:04:49

1 Woche

23.3.2014

Ogori Road Race Halb-Marathon

1:05:21

1 Woche

30.3.2014

Incheon International Half Marathon (KOR)

 

1 Woche

6.4.2014

Sakura Marathon, Saga

 

1 Woche

13.4.2014

Honjo-Waseda no Mori Halb-Marathon

 

1 Woche

20.4.2014

Tokushima Marathon, Tokushima

 

1 Woche

4.5.2014

Hamburg Marathon

  

2 Wochen

 

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author: GRR

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