Start beim "25 km de Berlin"-Lauf der französischen Alliierten 1988 vor dem Berliner Olympiastadion ©Sportmuseum Berlin – AIMS Marathon-Museum of Running
25 JAHRE MAUERFALL IN BERLIN: Rainer Boßdorfs Teilnahme am 25 km de Berlin 1988/1989 und die Beobachtung durch die Stasi – Boßdorf der OPK-Läufer!
Die Geschichten der Teilnahme von Läufern aus der DDR und Berlin (Ost) an Laufveranstaltungen in Berlin (West), wie z.B. am BERLIN-MARATHON und an den "25 km de Berlin" sind teilweise abenteuerlich und verwegen – und endete manchmal für die Teilnehmer mit großem persönlichen Ärger, da das ja damals illegal war.
Rainer Boßdorf – er schrieb schon seine Grenzerfahrungen nach/während des Mauerfalls auf dieser Seite – erzählt im folgendem Beitrag über seine Erlebnisse vor dem Mauerfall, um am "Franzosenlauf" teilnehmen zu können und wie er von der Stasi dabei beschattet wurde.
Horst Milde
Im Februar zu meinen Geburtstag 1988 hatten wir Besuch aus Westberlin. Der Kontakt zu unserer Freunden, die in Westberlin ein Tauchgeschäft hatten, wurde auch schon akribisch von der Stasi beobachtet, denn ich war auch Sporttaucher bei der "Gesellschaft für Sport und Technik" in der DDR.
Bei besagtem Besuch wuchs die Idee zur Teilnahme am "25 km de Berlin" Lauf. Der Termin lag sehr günstig,die Schwester meines Vaters hatte im Mai Geburtstag, 77 Jahre wurde sie. Die Anmeldung zum Lauf wurde von unseren Bekannten aus Westberlin vorgenommen und bezahlt.
Nun musste ich mich um einen Ausreiseantrag nach Westberlin bemühen. Dieser wurde nach langem Warten unbegründet abgelehnt. Da war meine Enttäuschung sehr groß und ich habe mich mit dem Landessportbund (LSB Berlin) am Olympiastadion telefonisch verständigt.
Die damals Verantwortliche Frau Tonnhofer schickte mir darauf hin einen Trostbrief mit diversen Aufklebern aus der Berliner Laufgeschichte. Sie gab mir auch eine Telefonnummer von den französischen Alliierten, die den Lauf organisiert haben.
Woraufhin ich mich dort bei dem Organisator gemeldet habe. Was ich ihnen zur Ablehnung der Einreise nach Westberlin berichtet habe, konnten sie nicht verstehen. Als Trost schickten sie mir eine Urkunde des Laufes mit Null-Zeit zum Andenken.
Dieses Telefonat wurde von der Stasi schon wieder überwacht. Dazu wortwörtlich in meiner Stasi-Akte:
"Im Mai 1988 nahm ein Boßdorf, Rainer aus der Hauptstadt der DDR telefonische Verbindung zu einer namentlich nicht bekannten männlichen Person über den WB-Fernsprechanschluß 418 2502 auf". Bei der 418 handelt sich um die Einwahlnummer der französischen Militäradministration in Berlin (West). "Seitens der Abt. II wird eingeschätzt, daß es sich um eine operativ-bedeutsame Verbindung handelt, die zwar wahrscheinlich keinen geheimdienstlichen Charakter trägt, jedoch den Anrufer möglicherweise in das Blickfeld gegnerischer Abwehrorgane gebracht haben könnte." (Stasiaktenauszug Kreisdienststelle Köpenick Berlin, 3.5.1989)
Nun lief meine Stasi-Akte unter dem Namen "OPK-Läufer". OPK heißt "Operative Personen Kontrolle".
Zwischenzeitlich durfte ich im Oktober 1988 nach Westberlin zum Besuch einer "angeblichen" Cousine von mir. Sie war eine gute Bekannte aus der Zeit meiner Eltern. Von dort aus habe ich meinem "Cousin" wieder bei den fränzösischen Alliierten angerufen und wir vereinbarten einen Treffpunkt im Café Möricke am Adenauerplatz.
Dort erschienen drei Offiziere der Franzosen und stellten mir interessante Fragen. Unter anderem in puncto der Reise- und Visabeantragung und zur Laufgeschichte in der DDR. Es war eine nette Gesprächsrunde und die ich in der in der guten Hoffnung verließ, dass im Jahr darauf eine neue Ausreisebeantragung genehmigt werden wird und der Startplatz zum "25 km Lauf de Berlin" bereits bezahlt und damit sicher war.
Zum Geburtstag meiner Tante 1989 durfte ich dann gemeinsam mit meiner Ehefrau Marina die Ausreise nach Westberlin antreten und unsere Tochter Janin blieb als "Pfand" bei meiner Schwägerin.
Dann kam der große Moment, Start am Olympiastadion zum "25 km de Berlin". Völlig überwältigt rannte ich durch die Straßen von Westberlin und auf dem Kaiserdamm wurde ich von einigen Läufern angesprochen, ob ich wirklich aus Köpenick komme. Denn ich trug ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Laufgruppe Motor Köpenick". Ich bejahte diese Fragen und unter großem Hallo rannten wir gemeinsam in Richtung Ziel.
Der Einlauf im Olympiastadion war gewaltig. Aus dem Marathontunnel heraus in das lichtdurchflutete Stadionrund, mir liefen die Tränen. Marina, meine Frau, saß unmittelbar an der Ziellinie auf der Zuschauertribüne und empfing mich mit freudigem Jubel und Rufen.
Die Beobachtung der Stasi zu meinem Kontakten mit den französischen Alliierten wurde alsbald eingestellt, da sie keine informativen Ergebnisse herausfinden konnten.
Als die Mauer im November 1989 fiel, war es mit diesem ganzen Scheiß sowieso alles vorbei. Es kam danach der gemeinsame Friedenslauf, Berlin-Marathon, der Mauerlauf an der Sonnenallee und so vieles mehr.
Rainer Boßdorf
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