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10
2014

Die Berliner Mauer am Brandenburger Tor mit den den Grenzern der DDR am 10. November 1989 ©Horst Milde

25 JAHRE MAUERFALL IN BERLIN: Familie Roland Winkler und die Postkarte von Sabine vom 4. November 1989 – Teil 4

By GRR 0

Der Fall der Berliner Mauer vor 25 Jahren am 9. November 1989 wird in Berlin feierlich und festlich begangen. Roland Winkler, ein bekannter Marathon- und Ultraläufer (Er hält bis auf ewig den DDR-Rekord über 100 km) schildert seine Tricks um am BERLIN-MARATHON teilnehmen zu können.

Wie der Fall der Berliner Mauer die Familien Winkler und Milde am 10. November 1989 zusammen brachte, schildert sein folgender Beitrag.

Wir werden in loser Reihenfolge private Erlebnisse dokumentieren, die Läufer in diesen denkwürdigen Tagen erlebt haben.

Horst Milde  

 

Postkarte von Sabine Milde vom 4. November 1989 – im Briefkasten von Familie Winkler in Ost-Berlin am 10. Novener 1989:
„Liebe Winkler Familie! Nachdem wir Roland im Fernsehen bewundern durften, haben wir öfter versucht, Euch telefonisch zu erreichen, aber ohne Erfolg. Horst ist in New York und wird hoffentlich das Ziel erreichen. Er hat überhaupt nicht trainiert. Und wie geht es Euch? Wann setzt ihr Euch in die U-Bahn und kommt zu uns? Quartier vorhanden für den Familienbesuch. Vielen Dank für Ingelores Grüße, haben uns sehr gefreut.

Herzlichst Sabine!"

Kennengelernt habe ich Horst und Sabine Milde aber schon 2 Jahre vorher… Meine persönliche Geschichte zum Mauerfall beginnt 1987 mit dem 82. Geburtstag meiner Tante Käthe in Nürnberg. Ich kannte die Tante nur aus meiner Kindheit und hatte schon lange keinen Kontakt mehr zu ihr.

Doch dann wurde Mitte der 80er Jahre eine neue Reiseregelung erlassen, die es DDR-Bürgern erlaubte, auch Verwandtschaft zweiten Grades zu besonderen Anlässen zu besuchen (Kleiner Witz aus dieser Zeit: "Warum waren in der DDR alle Spaten ausverkauft? Weil alle versuchen, ihre alten Verwandten auszugraben!").

Bei mir hatte das „Graben“ Erfolg – auch ein Geburtstag „Ü 80“ zählte zu „besonderen Anlässen“. Ich bekam die Reiseerlaubnis nach Nürnberg und fuhr das erste Mal über die innerdeutsche Grenze in die BRD und meine alte Tante war hocherfreut, ihren Neffen nach so vielen Jahren unverhofft wiederzusehen.

Ein Jahr später, meine Tante Käthe war zum Glück zäh und konnte auch noch ihren 83. Geburtstag mit mir zusammen feiern, nutzte ich bei meinem zweiten Besuch im Oktober 1988 als begeisterter Läufer die Chance, am berühmten BERLIN-MARATHON teilzunehmen. Damals ein Traum für viele DDR-Läufer – für mich wurde er wahr und zu einem unvergesslichen Erlebnis!

Bei der Abschlussparty am Abend in der Berliner Kongresshalle  lernte ich dann den Renndirektor Horst Milde kennen, der natürlich auch in DDR-Läuferkreisen sehr bekannt war. Seitdem verbindet unsere beiden Familien eine Freundschaft, die bis heute anhält.

Besuche waren zur damaligen Zeit leider eher einseitig möglich, aber dafür umso intensiver. Ich denke nur an unsere gemeinsame Reise zum Schweriner Fünf-Seen-Lauf im Juli 1989, wo wir alle zusammen am Vorabend des Laufs in einer Turnhalle auf Luftmatratzen übernachteten und es auch sonst für „westliche Augen“ eher spartanisch zuging.

Aber es machte Horst und Sabine großen Spaß.

Am 1. Oktober 1989 kam auch meine Frau Ingelore in den Genuss eines Starts beim BERLIN-MARATHON – zusammen durften wir „aus Sicherheitsgründen“ leider nicht nach West-Berlin reisen – und besuchte bei dieser Gelegenheit auch Familie Milde.

…und dann kam der turbulente November 1989, als sich die politischen Ereignisse in der DDR regelrecht überschlugen. Aber dass die Mauer in Kürze fallen würde, ahnte zu dieser Zeit noch niemand…oder etwa doch??
Am 4. November 1989 schrieb Sabine Milde die Postkarte… “Wann setzt ihr Euch in die U-Bahn und kommt zu uns? Quartier vorhanden für den Familienbesuch.“ Ahnte sie da schon etwas?

Am Freitag, dem 10. November1989, also gerade mal einen Tag nach dem Mauerfall, fanden wir Sabines Postkarte in unserem Briefkasten. Da wollten wir uns natürlich nicht lumpen lassen! Sofort am Nachmittag fuhren meine Frau und ich zusammen mit unseren beiden Töchtern Janina (16) und Katharina (12) über den Grenzübergang Oberbaumbrücke, mit der U-Bahn nach Tempelhof (Kaiserin-Augusta-Straße) weiter und standen gegen 17:00 Uhr mit der besagten Postkarte im Bäckerladen von Mildes am Tempelhofer Damm 192.

Das war eine riesige Überraschung mit vielen Umarmungen und großer Freude auf beiden Seiten – es war der WAHNSINN! Da wir ja die Zusicherung eines Quartiers für die ganze Familie schriftlich dabei hatten, blieben wir gleich das gesamte Wochenende bei Mildes. Am Sonntag beim 26. Berliner Crosslauf-Country-Lauf am Teufelsberg waren wir selbstverständlich auch mit dabei.

Und wir waren nicht die Einzigen: Etwa 60 DDR-Läufer begannen den Lauf „mit einem kräftigen Sport – Frei!“.

Dieses erlebnis- und emotionsreiche Wochenende wurde auch noch geschichtsträchtig beendet: Am Sonntag, dem 12. November 1989 beschlossen wir nach dem Cross-Country-Lauf beim Kaffeetrinken in der Privatwohnung von Horst und Sabine Milde die Gründung einer "DDR-Initiativgruppe", die sich für die Durchführung eines Gesamt-Berliner Neujahrslaufes am 1. Januar 1990 und des BERLIN-MARATHONS durch beide Teile der Stadt und durch das Brandenburger Tor einsetzen wollte.

Bereits 1990 wurde auch dieser Traum wahr.

Roland Winkler

PS: Erläutern sollte man noch zum Verständnis, daß ich mit Sohn Mark am 5. November 1989 am New York City Marathon teilnahm. Mark ging in Billings/Montana in den USA zur Schule – er flog  am Dienstag nach Billings zurück, ich nach Berlin. Am Mittwoch, dem 8. November hörte ich abends im SFB Schabowski sprechen, ohne zu verstehen, was er überhaupt meint. Am Donnerstag wurden wir um 6.00 Uhr früh von Mark aus den USA angerufen, was wir denn "für eine Revolution in Berlin machen würden" – und er müsste in der Provinz in den USA hocken!

In unserer Bäckerei stellten wir dann gleich ein grosses Schild vor die Tür und luden die Ost-Berliner zum Kaffee und Pfefferkuchenherzen ein.

Am Freitag, dem 10.11.1989 verschickte ich dann eine Pressemitteilung hinaus mit der Überschrift: "Kostenlose Teilnahmemöglichkeit für DDR-Läufer beim Crosslauf". Es kamen etwa 50 – 60 Teilnehmer aus Ost-Berlin und der DDR. Das war der erste Lauf in der Bundesrepublik Deutschland seit 38 Jahren, an dem Läufer aus Osten und Westen gemeinsam teilnahmen! (leider existiert davon kein Bild, wer Bilder hat, dann bitte scannen und schicken, danke!)

Horst Milde

Themengleich:

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author: GRR

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