Zeitzeuge: Norbert Skowronek ©Jürgen Engler
25 JAHRE MAUERFALL IN BERLIN: Der Weg zur Einheit des Berliner Sports – LSB-Ehrenmitglied Norbert Skowronek erinnert an eine spannende Zeit – Hansjürgen Wille in SPORT IN BERLIN
Und ich kann sagen, ich bin dabei gewesen. Norbert Skowronek, der ehemalige LSB-Direktor, erinnert sich noch genau an jenen 9. November 1989 und die darauf folgenden Wochen, die die Welt veränderten, Deutschland einten und dem Sport in der jahrelang durch Mauer und Stacheldraht geteilten Stadt die große Chance boten, endlich wieder gemeinsam Fuß- und Handball zu spielen, miteinander und nicht wie bislang gegeneinander zu fechten, zu turnen und zu schwimmen.
Keine zwei Wochen nach Öffnung der Grenze, es war Bußtag, der 22. November, trafen sich am frühen Nachmittag im Haus des Sports an der Jesse-Owens-Allee der damalige LSB-Präsident Manfred von Richthofen mit seinem Stellvertreter Peter Hanisch und Skowronek auf der einen sowie der Ostberliner DTSB-Bezirksvorsitzende Rudi Ebmeyer mit Peter Schwarz und Rainer Lotsch auf der anderen Seite zu einem informellen Gedanken-Austausch, der in einer aufgeschlossenen, vielleicht fast freundschaftlichen Atmosphäre stattfand.
Erste Ergebnisse wurden anschließend in einer eiligst einberufenen Pressekonferenz mitgeteilt. Dabei war die Rede von 80 fest vereinbarten Begegnungen mit einer besonders spektakulären Veranstaltung, die damals die Berliner Morgenpost zu der Schlagzeile veranlasste:
„Sport-Chefs schnell einig: Marathon in ganz Berlin".
Wobei zunächst von einem durch Ebmeyer angedachten Rennen mit Start am Alexanderplatz und Ziel am Kurfürstendamm die Rede war, das allerdings in dieser Form nie zustande kam, wohl aber beide Teile der Stadt mit einbezog und mit dem Brandenburger Tor seinen sowohl optischen als auch emotionalen Höhepunkt für alle Beteiligten hatte.
Von Anfang an legte von Richthofen großen Wert darauf, dass es sich um einen freizügigen und den Vereinen selbst überlassenen Sportverkehr handeln müsse, der im Gegensatz zu dem bisherigen deutsch-deutschen Sportkalender stand, der stets unter großen Bauchschmerzen zustande kam und Berlin-West so gut wie gar nicht berücksichtigte.
„Nach unserem ersten Gespräch wurden schon bald Nägel mit Köpfen gemacht", so Skowronek, „denn es gab einen riesigen Berg von Problemen zu bewältigen". Schließlich musste bis zur offiziellen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 der staatlich gelenkte DDR-Sport langsam an die demokratischen Spielregeln, Strukturen und Erfordernisse des Westens herangeführt werden.
Anhand von Unterlagen und Aufzeichnungen kann der langjährige LSB-Direktor recht genau die Ereignisse von damals nachvollziehen.
Hier die wichtigsten Eckpfeiler der Wendezeit:
• 5. Dezember 1989: Nun gibt es auch LSB-Gespräche mit Helmut Klopp, dem DTSB-Bezirksvorsitzenden Potsdam, über die Aufnahme von Breiten- und Freizeitsport-Veranstaltungen in den jeweiligen Terminkalender sowie die gemeinsame Teilnahme von Ruderern und Kanuten an Regatten.
• 12. Dezember 1989, Frankfurt/Main: Bei einem Arbeitsgespräch der beiden nationalen Sport-Organisation aus West und Ost über die neue politische Situation und eine Kooperation auf den verschiedensten Gebieten wurde erstmals von DDR-Seite der Landessportbund Berlin (West) als integraler Bestandteil des Deutschen Sportbundes anerkannt.
• 1. Januar 1990: Neujahrslauf durch das Brandenburger Tor.
• März/April 1990: Ständige Gespräche innerhalb Berlins, auch über die Rückübertragung enteigneter Grundstücke und die Zukunft der Betriebssportgemeinschaften.
• 29. Mai 1990: Der DDR-Bezirksvorstand löste sich auf. Es kam zur Gründung des Turn- und Sportbundes Berlin (TSB) im Ostteil der Stadt und dem erklärten Ziel eines Zusammenschlusses mit dem LSB, der dann wenige Monate später vollzogen wurde. 300 000 Mitglieder aus dem Westen und 130 000 aus dem Osten bildeten fortan eine große Familie.
• 15. Juni bis 12. September: Dialoge über Strukturveränderungen, Bildung von Kommissionen über den Spitzen-, Breiten- und Freizeitsport, den finanziellen Mehrbedarf sowie die Weiterbildung von Übungsleitern und Trainern
• 7. November 1990: Schlamperei. 229 von 239 Klubs im Ostteil der Stadt mussten feststellen, dass sie gar nicht rechtsgültig im Vereinsregister von Berlin-Mitte eingetragen sind. Grund: Akten waren verschwunden, so dass eine Neuregistrierung, nun beim Amtsgericht Charlottenburg, erforderlich wurde.
Die richtig großen Probleme harrten allerdings noch der Lösung: Reduzierung der vielen Stellen von Trainern, Ärzten, Physiotherapeuten und Wissenschaftlern im Ostteil, dazu die notwendige Sportstättensanierung, aber auch der Erhalt der Eliteschulen des Sports unter anderen Vorzeichen.
„Wofür wir uns stark einsetzten", so Skowronek, der letztendlich erfreut registriert, dass doch Vieles zum Wohl des gesamten Berliner Sports gelungen ist.
Hansjürgen Wille in SPORT IN BERLIN – Oktober/November 2014
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