Am Start schon das Ziel vor Augen ©wus-media - Wilfried Raatz
24. Beurener Hohenneuffen-Berglauf – Warmlaufen für das Jubiläum – – Tunesier Mehdi Khelifi gewinnt nach 2011 auch 2012 – Wilfried Raatz
Der Berglauf zur Burgruine Hohenneuffen ist keineswegs nur ein Berglauf auf eine der vielen Burgen am Rande der Schwäbischen Alb, sondern die sehenswert restaurierte Burgruine auf dem Hohenneuffen hat für das Bundesland Baden-Württemberg ein ganz besondere Bedeutung. Schließlich trafen sich hier am 2. August 1948 die Regierungen und führende Landtagsabgeordnete der Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern und beschlossen die Gründung des Bundeslandes Baden-Württemberg.
Diese historische Fußnote dürfte wohl den wenigsten der 420 Bergläufer bewusst gewesen sein, als diese am Sonntagmorgen bei leichtem Nieselregen am Bahnhof Linsenhofen auf die 9,3 km lange Strecke mit 438 Höhenmetern von Bürgermeister Erich Hartmann gestartet worden.
Beurens Bürgermeister konnte sich mit dem traditionell Anfang Juni gestarteten Hohenneuffen-Berglauf schon einmal einstimmen auf eine weitere sportliche Aktivität, die in der Folgewoche mit dem umliegenden Gemeinden Owen, Neuffen und Kohlberg unter dem Slogan „Entlang der Blauen Mauer" am Schwäbischen Albtrauf ablaufen wird. Bevor es aber auf Wanderwegen in eher beschaulicher Weise durch das Biospärengebiet geht, wurde am Sonntag noch einmal die Schlagzahl durch die Streuobstwiesen und den bewaldeten Hängen am Hohenneuffen kräftig erhöht.
Im Vier-Minuten-Tempo schaffte dies heuer allerdings vor allem der Tunesier Mehdi Khelifi, der sich selbst als Straßenlaufspezialist versteht und durchaus auch manchmal im Crossgelände anzutreffen ist. Als Professional immer auf der Suche nach einem guten Taschengeld hatte der in Schaffhausen auf Schweizer Boden ansässige Tunesier im Vorjahr mit Organisator Frank Klaas Kontakt – und mit einem klaren Sieg am Hohenneuffen auch eine erste Kostprobe seines Könnens am Berg abgeliefert.
Statt Olympia ein Start beim Hohenneuffen-Berglauf
Ganz nach dem Motto „Wer schnell läuft, der erhält auch eine gut dotierte Siegprämie" hatten Frank Klaas und sein Organisationspartner Michael Gneiting die Messlatte für die Stockerlplätze höher gelegt, durchaus Anreiz für schnelle Straßen- oder Bahnläufer. Schließlich steht der Streckenrekord von Thomas Greger seit den deutschen Titelkämpfen 1995 auf 34:49 Minuten. Für eine Verbesserung stehen 300 Euro parat. Doch diese Zeit ist derzeit unerreichbar, auch wenn sich Mehdi Khelifi einmal mehr mächtig ins Zeug legte. Mit 36:37 Minuten lief er sicherlich eine Spitzenzeit, wenngleich eine halbe Minute langsamer als im Jahr zuvor.
Ohne ernsthaften Konkurrenzdruck ist dies kaum möglich. „Der Boden war sehr rutschig", entschuldigte sich dann auch der Tunesier in gutem Deutsch. Es wäre sicherlich mehr machbar gewesen, wenn der spurtstarke Heiko Baier, zuvor schon „Sprintsieger" am Donnersberg und beim Hundseck-Berglauf, seine Startabsichten wahrgemacht hätte. So blieb die Startnummer des für die LG Braunschweig startenden Läufers aus dem hessischen Fulda am Ausgabeschalter liegen. Und der Weg frei für den Vorjahressieger Khelifi.
Seinen eigentlichen Traum wird der inzwischen 37jährige heuer nicht mehr verwirklichen können: Start bei den Olympischen Spielen. Im Marathonlauf. „Ich war im Winter zumeist in Marokko zum Training, habe mich dort aber verletzt!" So steht aktuell lediglich eine 1:04er Halbmarathonzeit auf der Habenseite des Tunesiers. Vor dem Statutenwechsel des Schweizer Leichtathletik-Verbandes lief er sogar zu fünf schweizer Meistertitel – über 5000 m und im Crosslaufen.
Fast zwei Minuten nach Mehdi Khelifi, der für das Team Sport Schweizer über die Ziellinie lief, kamen mit Max Dapp und Michael Braun zwei Ohmenhausener Läufer als Nächstplatzierte nach 38:32 und 39:12 Minuten ins Ziel. Der schnell gestartete Daniel Hummel wurde bei seiner Berglauf-Premiere mit 40:01 Minuten Vierter und musste erkennen, dass seine angestammten Strecken (800 m/ 1500 m) anders gelaufen werden als ein Berglauf.
Dabei ist der Trochtelfinger Ex-Fußballer durchaus auch Langstrecken erfahren, schließlich gewann er heuer bereits die Albgold-Winterlaufserie in seiner näheren Umgebung. „Das war bestimmt nicht mein letzter Berglauf, auch wenn ich heute schmerzhafte Erfahrungen habe sammeln müssen!"
Die schnellen Pletzers
Eitel Freude im Hause Pletzer aus dem nahen Frickenhausen. Vater Rudolf ließ sich als 28. des Gesamteinlaufes (!) die Masterswertung M 60 nicht nehmen, schließlich zählt er trotz künstlichem Hüftgelenk („Beim Sprinten muss ich halt etwas aufpassen!") zu den besten Masters seiner Altersklasse auf den Mittelstrecken – und wurde vor zwei Wochen erst Vierter der Berglauf-Weltmeisterschaften in Bühlertal. Dann gewann Tochter Monika nach vielen Anläufen erstmals die Frauen-Gesamtwertung in 48:33 Minuten. „Der Sieg kommt für mich wirklich überraschend!
Meine beste Platzierung bislang war ein dritter Rang!" freute sich die 27jährige, die als Verfahrenstechnikerin in Ditzingen arbeitet, bei der LG Filder Mittelstreckentraining absolviert und gelegentlich mit ihrem Vater zuhause läuft. „Aber den Hohenneuffen laufen wir im Training nie!" Für Monika ist der Hohenneuffen-Berglauf stets ein Highlight – und deshalb ist für sie dieser Sieg etwas Besonderes. Noch dazu, wenn die Familie mit Isabell Raudzis und Bettina Pletzer als Team Tälesflitzer auch die Frauen-Mannschaftswertung gewinnen konnte.
Im Feld der 393 Finishern (neben den nur alphabetisch gelisteten 28 Walkern und Nordic Walkern) übrigens auch mit dem Stuttgarter Profifußballer Christian Gentner ein besonderer „Promi". Der schon in „Jogi's" Nationalmannschaft eingesetzte 27jährige erhielt beim TSV Beuren nämlich seine Fußball-Grundausbildung und sich bei einem Besuch daheim kurz entschlossen mit seinem Bruder Thomas beim Hohenneuffen-Berglauf nachgemeldet.
Als 75. des Gesamteinlaufes zeigte er mit einer Endzeit von 50:34 Minuten eine beachtliche Kondition. Da hätte selbst „Quälefix" Felix Magath seine wahre Freude gehabt. VfB-Coach Bruno Labbadia jedenfalls wird die konditionelle Kür seines Mittelfeldasses sicherlich zufrieden stellen.
Auch wenn die Meldezahlen mit 420 deutlich hinter den des Vorjahres lagen, wobei allerdings auch BaWü-Meisterschaften integriert waren, zeigte sich der langjährige Hohenneuffen-Berglauf-Chef Ulrich Döbler zufrieden. Nachdem er 2002 die Federführung an die stets noch aktiv ins Laufgeschehen am Hohenneuffen eingreifenden Frank Klaas und Michael Gneiting übergeben hatte, wirkte er in den letzten Jahren eher als „Mann im Hintergrund", musste bzw. durfte allerdings bei der 24. Auflage wieder auf der Bühne als „z.b.V"-Mann die Siegerehrung moderieren.
„Ich bin froh, wenn sich junge Leute mit Engagement einbringen. Denn das hat dem Hohenneuffen-Berglauf sehr gut getan!" freute sich der Ex-Berglaufchef. Und zog zum 111. Jahrestag der Gründung des TSV Beuren zwei Lose. Doch beim Motto „Schnaps für Alle" wollte weder der 111. Platz des Zieleinlaufes noch die Startnummer 111 das verloste Hochprozentige abholen.
Bei der Jubiläumsausgabe des Hohenneuffen-Berglaufes im kommenden Jahr möchte auch Organisator Frank Klaas wieder mitlaufen, denn die 24. Auflage verpasste er wegen einer Sehnenscheidentzündung. „Seit 1998 habe ich erstmals gefehlt. Aber meine Verletzung hat auch etwas Gutes, so kann ich meinen fünfzehnten Hohenneuffen-Berglauf beim 25jährigen Laufjubiläum absolvieren!"
Wilfried Raatz