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08
10
2010

Berlin wird den Teilnehmern aus aller Welt einen großen Empfang bereiten und diesen Lauf zu einem wahren Sport-und Volksfest werden lassen.

20 Jahre Deutsche Einheit – Der 17. Berlin-Marathon am 30. September 1990 – Der „Wiedervereinigungsmarathon“ drei Tage vor der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 – Ein Rückblick II. Durch das Brandenburger Tor – Ein Traum wird wahr! Von Andrea Schlecht

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20 Jahre Deutsche Einheit sind am 3. Oktober 2010 in Berlin und in vielen anderen Städten Deutschlands feierlich begangen worden. Am 30. September 1990 – drei Tage vor der Wiedervereinigung – gab es schon die "sportliche Wiedervereinigung" auf den Straßen Berlins, als der BERLIN-MARATHON zum ersten Mal seit 45 Jahren seine Laufstrecke wieder durch das Brandenburger Tor von West nach Ost und über den Potsdamer Platz zurück in den Westteil legen konnte.

Dieser 17. BERLIN-Marathon war mit seiner Rekordbeteiligung von 25.000 Läufern und Läufern aus aller Welt ein sportliches "Jahrhundertereignis" und ein Medienerereignis zudem. Aus dem Programm- und Ergebnisheft des BERLIN-MARATHON von 1990 werden hier – in loser Reihenfolge – Beiträge übernommen, die nichts an ihrer Aktualität verloren haben und gleichzeitig die Erinnerung an eine einmalige Laufveranstaltung in unser Gedächtnis zurückholen sollen.

Horst Milde

Durch das Brandenburger Tor – Ein Traum wird wahr! Von Andrea Schlecht

 

Der 17. BERLIN-MARA¬THON am 30. September 1990 – drei Tage vor der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 und nach dem 9. November 1989 – wird seit über 45 Jahren der erste Marathonlauf durch das wiedervereinigte Berlin sein. Ein Lauf ohnegleichen und ein historisches Sportereignis.

Seit 1981 wird der BERLIN-MARATHON neben oder vor dem Brandenburger Tor gestartet, von 1981-1986 vor dem Reichstag, seit 1987 vor dem Brandenburger Tor. Immer war es der Wunsch der Organisatoren, daß nicht neben und nicht vor dem Tor gelaufen werden solle, sondern durch das Tor… 1990 wird der Traum der Läuferinnen und Läufer wahr; der BERLIN-MARATHON führt durch Berlins berühmtestes Bauwerk und damit symbolisch die beiden Stadthälften wieder zueinander.

Berlin wird den Teilnehmern aus aller Welt einen großen Empfang bereiten und diesen Lauf zu einem wahren Sport-und Volksfest werden lassen. Wenn um 9.00 Uhr der Startschuß am Charlottenburger Tor ertönt, dem neuen Startplatz auf der Straße des 17. Juni an der Technischen Universität Berlin unweit des Ernst-Reuter-Platzes, beginnt für die Teilnehmer des Läufes eine "Sight-Seeing-Tour" durch die Geschichte Berlins.

Die Läufer sollten weniger auf die Uhr schauen als auf das, was ihnen an lebendiger Geschichte am Straßenrand geboten wird.

Die ersten Kilometer verlaufen quer durch den Tiergarten. Nach 1,5 km wird die Siegessäule umrundet, danach kann man links durch die Bäume die Kongreßhalle erblicken; kurz vor dem Brandenburger Tor erscheint auf derselben Seite das sowjetische Ehrenmal, dahinter der Berliner Reichstag, wo Philipp Scheidemann am 9. November 1918 die Republik ausrief -und dann bei km 3,2 das Brandenburger Tor!

Die Lauffläche wird nicht top-eben sein, hier zog sich die unselige Berliner Mauer entlang, und die Laufteilnehmer sollten diese Passage mit dem nötigen Gefühl für den nicht alltäglichen Augenblick in sich aufnehmen. Mit dem Durchlaufen des Brandenburger Tors, dem Überlaufen des Pariser Platzes beginnt Berlin-Mitte mit der Straße Unter den Linden, Berlins berühmtester Straße mit den vielen ausländischen Botschaften und den herrlichen Prachtbauten, die man auf den ersten Kilometern als Läufer genießen kann.

Nach den Botschaften von Ungarn und Polen auf der linken sowie der der UdSSR auf der rechten Seite und Ministerien überquert man die Glinkastraße und erkennt rechts die Komische Oper. Die Friedrichstraße, früher berühmt als Einkaufsstraße, wird anschließend überschritten. Auf der linken Seite liegt die Deutsche Staatsbibliothek (mit 5,5 Mio Büchern), rechts das Alte Palais mit der "Kommode", ehemalige Königliche Bibliothek, heute Institutsgebäude der Humboldt-Universität.

Gegenüber befindet sich die Humboldt-Universität selbst, die auf Initiative von Wilhelm von Humboldt (1767 – 1835) errichtet wurde. Die berühmtesten Gelehrten dieser Hochschule waren Hegel, Helmholtz, Planck, Einstein, Virchow, Koch und Sauerbruch.

Neben der Hochschule die Neue Wache, konstruiert von K.F. Schinkel, heute Mahnmal für die Opfer des Krieges. Am Ende des Mittelstreifens der Straße Unter den Linden reitet Friedrich der Große auf hohem Sockel, geschaffen von Christian Daniel Rauch. Unweit davon, auf der rechten Seite, die Deutsche Staatsoper (1741-1743 von Knobelsdorff erbaut); dahinter die Hedwigs Kathedrale.

Gleich neben der Oper und dem legendären Operncafe das ehemalige Kronprinzenpalais, in dem am 31. September 1990 der Einigungsvertrag unterzeichnet wurde. Gegenüber liegt das Museum für Deutsche Geschichte, früher Zeughaus in der Zukunft für die Nutzung des Deutschen Historischen Museums vorgesehen, einer der schönsten Barockbauten.

Über die ehemalige Schloßbrücke (Marx-Engels-Brücke) mit den Statuen von K.F. Schinkel überquert man den Kupfergraben (oder Spreekanal) und biegt in die Karl-Liebknecht-Straße ein. Im Hintergrund erkennt man versetzt das Alte Museum, ein klassizistisches Gebäude mit großer Freitreppe von K.F. Schinkel, dahinert beim Zusammenfluß von Spree und Kupfergraben die weltberühmte Museumsinsel.

Bevor die Läufer die Spree überqueren sehen sie zur Linkekn den imposanten Neubarockbau des Berliner Doms, der gerade restauriert wird. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich der "Palazzo Prozzo", der Palast der Republik, Sitz der Volkskammer. Hier stand im Lustgarten das Berliner Schloß, das nach dem Krieg abgerissen wurde, um modernen Repäsentationsgebäuden Platz zu machen.

Nach dem Überqueren der Spree nähert sich die Läuferschlange schon dem Kilometerpunkt 5, dem ersten Versorgungspunkt auf der Strecke. Die "Ruderer-Schänke" des Tegeler Ruderclubs befindet sich auf dem Alexanderplatz an der Marienkirche, der ältesten erhaltenen Kirche der Stadt, eine gotische Backsteinhallenkirche, deren Baubeginn auf 1270 datiert wird. In der Nähe sieht man den Neptunbrunnen und das Berliner Rathaus, eine dreigeschossige Neorenaissance-Mehrflügelanlage mit 74 m hohem Turm, die wegen der roten Backsteine "Rotes Rathaus" genannt wird.

Überragt wird der Alexanderplatz vom Fernsehturm, der 365 m hoch ist und in 207 m Höhe über eine Aussichtsplattform und ein Restaurant verfügt. Diesen Verkehrsknotenpunkt umkurven die Läufer und kommen auf die Karl-Marx-Allee, eine überbreite Straße, die bis zum Strausberger Platz führt. Dieser markiert mit seinen Wasserfontainen und Brunnen den Abschluß des Bezirks Mitte.

Hier führt nach einer Rechtskurve die Lichtenberger Straße kurz durch den Bezirk Friedrichshain und stößt über die Holzmarkt- und Alexanderstraße wieder in die alte City zurück. Nach einer Linkskurve und dem Unterqueren der S-Bahn nähert man sich auf der Grunerstraße wieder dem "Roten Rathaus", sieht die Türme der Nikolaikirche (Grundsteinlegung 1230), die wieder aufgebaut wurde und den Namen für das sie umgebende ebenfalls restaurierte Stadtviertel gab.

Kurz vor dem erneuten Überqueren der Spree auf dem Mühlendamm überlaufen die Teilnehmer aus aller Welt den Molkenmarkt. Dies ist Berlins ältester Platz, wo schon Markt gehalten wurde, bevor die Schwesterstädte Berlin und Cölln urkundliche Erwähnung fanden (1244 und 1237). Von der Mühlendammbrücke hat man einen sehenswerten Ausblick auf die Spree; im Hintergrund der Berliner Dom.

Die Gertraudenstraße führt zum Kilometerpunkt 10, dem Versorgungspunkt der Berliner Betriebssportgemeinschaften, auf der Leipziger Straße gegenüber dem Spittelmarkt. In der von modernen Hochbauten flankierten Leipziger Straße fallen auf der linken Seite die Spittelkolonnaden mit der Postmeilensäule von 1730 auf. Die breite Leiziger Straße quert die Charlottenstraße. Hier kann man rechts einen "Hauch" vom Platz der Akademie erkennen, auf dem das berühmte Schauspielhaus sowie der Deutsche und Französische Dom stehen.

Eine Querstraße weiter hat man wieder die Friedrichstraße erreicht; ein Blick nach links, und man sieht die Überreste des "Checkpoint Charlie", dem Übergang für Ausländer bis zum Abriß der Berliner Mauer.

Kurz danach verengt sich die Leipziger Straße – es wird neu gebaut. Man sieht links noch ein schönes Portal des Postmuseums. Die Läufer nähern sich nun dem Leipziger Platz und dann dem Potsdamer Platz, einst Europas verkehrsreichstem Platz und nun Einöde. Wo vor kurzem noch die Mauer mit Todesstreifen war, wird heute dieser Ort für Aktivitäten aller Art genutzt. Am 21. August 1990 fand hier das Rockspektakel "The Wall" mit über 200.000 Zuschauern statt.

Die Bellevuestraße trifft auf die Entlastungsstraße mit dem Musikinstrumentenmuseum, der Philharmonie, dem Kammermusiksaal. Links davon ist die Potsdamer Straße, an der die Staatsbibliothek und die Nationalgalerie liegen. Danach wird die Potsdamer Brücke überquert, und mit dem Beginn des Schöneberger Ufers ist die alte Strecke des BERLIN-MARATHONS von 1981 – 1989 erreicht.

Jetzt führt die Strecke am Landwehrkanal entlang. Man unterquert die U-Bahnlinie 1, die hier Hochbahn ist und auf der Höhe des Museums für Verkehr und Technik wieder unter die Erde geführt wird. Der Streckenverlauf hier in Kreuzberg präsentiert sich etwas wellig. Das Hallesche Tor wird passiert, rechts ist die Amerika-Gedenk-Bibliothek zu sehen, der Landwehrkanal wird überschritten. Links sieht man an der Gitschiner Straße das Deutsche Patentamt. Bis zum Kilometerpunkt 16,5 wird unter der Hochbahn bis zur Skalitzer Straße gelaufen. Am Kottbusser Tor geht es in einer Rechtskurve in die Kottbusser Straße und wieder über den Landwehrkanal zum Hermannplatz in die Sonnenallee.

Neukölln, Berlins bevölkerungsreichster Bezirk, ist erreicht. Durch die Erkstraße umläuft die Strecke das Rathaus Neukölln, stößt auf die Karl-Marx-Straße (die nichts mit der Karl-Marx-Allee zu tun hat!) und passiert bei. km 20,5 den Hermannplatz.

An der Hasenheide, einem traditionsreichen Park, in dem sich das Jahndenkmal befindet, ist der Halbmarathon erreicht. Hier legten 1811 Schüler unter der Leitung des Berliner Lehrers Friedrich Ludwig Jahn einen "Platz zum Spielen, Klettern und zur Kräftigung des Körpers" an, die Geburtsstätte des Turnens.

Am Südstern geht es in die Gneisenaustraße. In Kreuzberg ist immer "Stimmung", viele Kapellen spielen hier -wie auch sonst überall auf der Strecke – zur Freude der Teilnehmer und Zuschauer. Vorbei geht es am Rathaus Kreuzberg in die Yorckstraße. Man unterläuft die 31 Brücken der Eisenbahn. Rechts liegt das Gelände des Anhalter Güterbahnhofs; hier ist der Bezirk Schöneberg erreicht.

Die Läufer biegen an dieser Stelle in die Potsdamer Straße, und bei km 25 sehen sie die Kleist-Kolonnaden vor dem alten Kammergericht, das zur Zeit Kontrollratsgebäude der Alliierten ist. Am Verpflegungspunkt "Knorke Ecke" vor der BVG wird die Stimmung, wieder Wellen schlagen. Zuschauer und Teilnehmer jubeln gleichermaßen; der Applaus hilft den Laufenden bei den nächsten Streckenabschnitten in der Grunewaldstraße und ab dem Amtsgericht Schöneberg in der Martin-Luther-Straße. Bei Kilometer 27 ist das Rathaus Schöneberg erreicht, das noch Sitz des Berliner Senats ist. Hier am John-F. Kennedy-Platz hängt die Freiheitsglocke im Turm des Rathauses. Sie ist ein Geschenk der amerikanischen Bevölkerung an die Berliner. John F. Kennedy sprach hier die berühmten Worte: "Ich bin ein Berliner…"

Vom Innbrucker Platz schlängelt sich die Läuferschlange nach Steglitz in die Rheinstrasse. Es geht nun leicht bergab. Am begeisterten Publikum laufen die Teilnehmer vorbei am Friedenauer Rathaus und der Kaisereiche in die Schloßstraße hinein. Die Geschäftsstraße, an normalen Sonntagen ausgestorben, gleicht einem Hexenkessel.

Auch der letzte Läufer wird, durch eine schmale Gasse hindurchlaufend, angefeuert wie der Sieger auf dem Kurfürstendamm. Hier gibt es kein Anhalten, kein Aussteigen. Die Begeisterung trägt die Marathonläufer zumindest bis zum Steglitzer Rathaus. Noch bevor das aus rotem Backstein gebaute Rathaus und der schräg gegenüber stehende "Steglitzer Kreisel" passiert sind, können die Läufer in der Schloßstraße den "Bierpinsel" bewundern. Es muß wohl ein umgedrehter Pinsel dem Architekten als Modell gedient haben.

30 Kilometer sind am "Kreisel" erreicht, und für viele kommt der Marathon nun in seine kritische Phase. Am Botanischen Garten, in der Straße Unter den Eichen, wird es etwas ruhiger. In der Habelschwerdter Allee bei km 32,5, am "Kap der guten Hoffnung", werden die letzten 10 Kilometer in Angriff genommen. Die Teilnehmer passieren Dahlemer Villen und Institute der Freien Universität.

In Zehlendorf liegt bei Kilometer 34 der höchtsgelegene Punkt, der Gipfel, mit 54,3 m über NN. Ab jetzt geht es nur noch bergab. Die Läufer ziehen vorbei an der Dahlemer Dorfkirche und der gegenüberliegenden Domäne Dahlem. Am "Wilden Eber" ist der Verpflegungspunkt "zur wilden Sau" erreicht. Jetzt bleiben noch 6 Kilometer, also sollte man nicht nur sprichwörtlich die "Sau rauslassen", um diese zu überstehen.

Der Hohenzollerndamm zieht sich ganz schön lang hin bis zum "Knackpunkt" bei Kilometer 38 am AEG-Gebäude, wo noch einmal Stimmung aufkommt. Wer beim Überqueren der Autobahnbrücken noch einen klaren Blick hat, der sieht links den Funkturm liegen, der 138 m hoch "langer Lulatsch" genannt wird. In den Messehallen darunter findet die Siegesfeier statt, aber bis dahin gilt es, noch einige Kilometerchen zu überstehen. Bergab geht nun der Weg in Richtung Fehrbelliner Platz, an dem das Wilmersdorfer Rathaus liegt.

Der Adenauer Platz am Kurfürstendamm ist bereits kurz hinter dem Preußenpark an der Brandenburgischen Straße in Sicht. Hier gibt es bei der "letzten Tränke" noch einmal Kraft für die verbleibenden zwei Kilometer auf dem bekanntesten Berliner Boulevard. Ab Olivaer Platz ist es nur noch ein Kilometer bis zur Gedächtniskirche.

Und wer es bis dahin geschafft hat, der kann diesen letzten Kilometer auskosten und sich umringt von Tausenden von Zuschauern auf der Höhe des Kaufhauses Wertheim als Sieger feiern lassen. Denn einen Sieg können alle Marathonläufer verbuchen: Den Sieg über sich selbst!

Andrea Schlecht (Im Programmheft des 17. BERLIN-MARATHON 1990)

 

Das BERLIN-MARATHON Programm 1990:

 

20 Jahre Deutsche Einheit – Der 17. Berlin-Marathon am 30. September 1990 – Der „Wiedervereinigungsmarathon“ drei Tage vor der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 – Ein Rückblick I.

 

20 Jahre Deutsche Einheit – Der 17. Berlin-Marathon am 30. September 1990 – Der „Wiedervereinigungsmarathon“ drei Tage vor der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 – Horst Milde berichtet

 

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