Start vor Schloß Neuschwanstein ©Wilfried Raatz/ wus-media
19jähriges Talent überzeugte am Tegelberg – Maximilian Zeus verdiente sich mit einem couragierten Rennen WM-Start – berichtet Wilfried Raatz
Wenn sich der Nebel wie ein Schleier um den Gipfel legt, dann haben die Läufer auf ihrer Tour berganwärts nur eine äußerst eingeschränkte Orientierung, die Zuschauer nur einen partiellen Ausschnitt eines interessanten Berglaufes und die Fotografen ihren Schaff, den Reiz einer Veranstaltung im wahrsten Sinne des Wortes ins rechte Licht zu rücken.
Von dieser Warte aus war die 13. Auflage des Tegelberglaufes über 8 km und 900 Höhenmetern von der Talstation der Tegelbergbahn bis zur Panoramagaststätte sicherlich etwas getrübt, dafür zeigten die erfreulichen ahlreichen Starter mit 194 Einschreibungen guten Einsatz.
Allen voran Daniela Gassmann-Bahr, die die gerade ein Jahr alte Bestmarke ihrer Schweizer Landsfrau Angela Haldimann um sieben Sekunden auf 47:51 Minuten steigern konnte. Der Männersieger Francis Muigai Wangari hingegen verpasste die Rekordmarke von Helmut Schiessl aus dem Jahr 2006 mit 40:19 Minuten um acht Sekunden.
Auch wenn der Deutsche Leichtathletik-Verband die Resultate vom Tegelberglauf einmal mehr für die Frauen und U 20-Junioren als Qualifikationskriterium zur Nominierung für die Berglauf-Weltmeisterschaften am 14. September in Casette di Massa einbeziehen wird, der erwartete Leistungsschub blieb weitgehend aus. Bei den Frauen präsentierten sich mit Melanie Noll, Monique Siegel und Birgit Unterberger unsere aktuell stärksten Läuferinnen in guter Verfassung, weitere haben sich allerdings nicht unbedingt angeboten.
Noch krasser ist die Situation bei den U 20 Junioren, denn nach Maximilian Zeus kommt lange nichts, sodass am Ende des Tages alleine der 19jährige Abiturient der DJK Weiden seinen Start in Italien sicher hat, eine DLV-Mannschaft (bestehend aus mindestens drei Läufern) ist aktuell nicht darstellbar.
Vom Start weg stürmte gleich ein halbes Dutzend Ostafrikaner, neben den kenianischen Läufern von Run2Gether, die auf der Turracher Höhe in Kärnten in den Sommermonaten leben und von dort aus durch die Lande von Erfolg zu Erfolg eilen, gesellten sich noch einige Äthiopier dazu, die hierzulande noch unbekannt sind – und plakativ für ihre Region Oromia starteten.
„Ich bin klar unter drei Minuten angelaufen“, gestand mit einem Grinsen im Gesicht der 19jährige Maximilian Zeus, der es „wagte“, als einziger Mitteleuropäer mit der Afrika-Phalanx mitzulaufen. „da haben sich die Jungs noch unterhalten und ständig herumgeguckt!“ Dieser junge Bursche aus der Oberpfalz jedenfalls hat keine Scheu vor Namen (oder Hautfarben) und zelebriert mutig seinen (Ausdauer-)Sport.
Im Frühjahr noch deutscher U 20-Duathlonmeister, nun zumeist laufmäßig unterwegs auf den Straßen, Bahnen und endlich wieder auch den Bergen. Und wenn es noch eines Beweises bedurfte, dann sind diese Zweifel am Ziel in 1730 m Höhe beseitigt: Der Abiturient wird den Nationalmannschaftsdress beim Weltchampionat in Casette di Massa tragen. Er war nicht nur mit 44:13 Minuten Bester seiner Altersklasse, sondern zugleich auch bester Europäer beim 13. Tegelberglauf auf Position sechs.
Davor tummelten sich Afrikaner unterschiedlichen Bekanntheitsgrads mit Francis Muigai Wangari, Addisa Tulu, Paul Kariuki Mwangi, Henry Kimani Kukuria und Tulu Mitku. Heute gehört, schon (fast) wieder vergessen. In den zahlreichen Ergebnislisten der Saison taucht zum Beispiel Francis als „ewiger“ Zweiter hinter seinem ungleich schnelleren Landsmann Isaak Toroitich Kosgei auf, so beim Gröden Mountain Run in Südtirol, beim Grintovec Mountain Race in Slowenien oder beim Karwendellauf in Mittenwald.
Den reizvollen Kampf um Rang fünf verlor zwar Maximilian Zeus gegen den Äthiopier Tulu Mitku knapp, doch das seltene Prädikat „bester Europäer“ gilt ihm. Doch dafür kann sich der U 20-Mann nichts kaufen, denn Preisgeld wurde alleine den Plätzen eins bis drei ausgeschüttet.
Diesen Sachverhalt kritisierte auch der zuletzt dreimal am Tegelberg erfolgreiche Korbinian Schönberger, der die „Kurzversion“ im Wanderschritt bewältigte, da eine Leistenverletzung einen erneuten Start am beliebten Drachenfliegerhang verhinderte. „Eine Untersuchung am Dienstag wird zeigen, ob ich unter das Messer muss. Die Saison wäre damit auf jeden Fall beendet, denn ich möchte das nicht so toll verlaufene Jahr so schnell wie möglich vergessen – und einen Neuaufbau planen können!“
Den letzten Platz unter den „Top 8“ sicherte sich hinter dem Allgäuer Edwin Singer mit Konrad Lex der mehrfache deutsche Meister im Skibergsteigen. Der inzwischen 39jährige vom Deutschen Alpenverein Sektion Peiting zeigte damit eindrucksvoll, dass für die steilen Passagen vor allem im Schlussteil eine gehörige Portion Kraftausdauer erforderlich ist.
Zehn Läufer waren gerade einmal im Ziel am Panoramarestaurant, als im Duell mit dem Münchner Franz Schweiger mit Daniela Gassmann-Bahr eine der renommiertesten Bergläuferinnen der Alpen ins Ziel stürmte. „Ich wollte einfach einmal etwas anderes sehen“, gestand die 50jährige frühere MTB-Olympiastarterin und Siegerin „unzähliger“ Bergläufe, darunter auch der Klassiker wie dem Zermatt-Marathon der dem Glacier 3000 Run.
Der Tegelberglauf war für Daniela übrigens der letzte Test für das alpine Spektakel zwischen Gstaad und Les Diablerets in der Folgewoche, wo die Schweizerin als Favoritin gegen die OL-Weltmeisterin Sabine Hauswirth und die aktuelle WMRA-Weltcup-Erste Timea Merenyi antreten wird. „Es ist eine Winzigkeit“ nannte sie keineswegs den Rückstand auf den Münchener Konkurrenten, sondern den knappen Vorsprung auf den Streckenrekord ihrer Landsfrau Angela Haldimann, die bei großer Hitze im Vorjahr 47:58 Minuten erreichte und dabei die von Anja Carlsohn gehaltene Bestmarke um eineinhalb Minuten aus dem Jahr 2006 steigern konnte.
Daniela Gassmann-Bahr ist mit ihrer läuferischen Klasse natürlich ein Wertmesser für die Leistungen der besten deutschen Läuferinnen. „Der Abstand war schon beträchtlich“ musste zwar Melanie Noll, die deutsche Meisterin 2012, einräumen, doch viel wichtiger war der Bankkauffrau aus Annweiler in der Pfalz ihre kämpferische Einstellung. Und dies bezog sich auf das reizvolle Duell mit Monique Siegel, der so etwas wie der Shootingstar innerhalb der deutschen Berglaufszene ist. „Es ist toll, dass wir uns soweit auf Augenhöhe duellieren. Jeder von uns hat seine Stärken. Monique ist am Berg einfach im Vorteil, ich habe diese in eher Flachpassagen!“
Und so kam es auch beim erneuten Duell, nachdem das erste Aufeinandertreffen am Muttersberg in Bludenz knapp zugunsten der Pfälzerin ausgegangen war. Acht Sekunden trennten letztlich beide im Ziel – mit einem Vorteil für Melanie, die auf eine Endzeit von 49:09 kam.
„Das passt schon. Ich kann mich gut puschen!“ gestand die beim Deutschen Zoll beschäftigte Skilangläuferin, die längst ihre Vorliebe für den Berglauf in den Sommermonaten erkannt hat – und nach den beiden überzeugend bestrittenen Qualifikationen vor ihrem Debüt im Nationaltrikot steht.
Dabei stand der Start der 25jährigen in Schwangau keineswegs unter einem günstigen Stern. Denn bei einem Skirollertraining in ihrer Heimat Oberwiesenthal war sie (einmal mehr) kapital gestürzt und Schürfwunden und diverse Butergüsse davon getragen. „Beim Bergauflaufen geht es!“ gestand die längst in Ruhpolding lebende Monique mit einem sichtlich zufriedenen Lächeln.
Und die aktuelle Nummer drei in Deutschland ist mit Birgit Unterberger die zweifellos erfahrenste Bergläuferin. Nach einer Trainingsphase in Norwegen kommt die 38jährige Berlinerin allmählich in Schwung, wenngleich ihr der Abstand zum flotten Duo Noll-Siegel mit zweieinhalb Minuten sicherlich noch zu groß sein dürfte. Hinter der Kenianerin Brendah Kamopnya Kebeya kam sie dichtauf nach 51:51 Minuten ins Ziel. Als Masters-EM-Zweite strebt die Berlinerin zunächst die Masters-Weltmeisterschaften in Telfes/ Stubaital an, bevor sie das Aktiventeam in Casette di Massa komplettieren wird.
Nach einer Operation im Frühjahr und einigen (flachen) Aufbaurennen stellte sich mit Tanja Grießbaum eine der talentierten Bergläuferin erstmals wieder der nationalen Konkurrenz. Mit einem Rückstand von gut zwei Minuten auf Birgit Unterberger musste sie allerdings als Sechste des Gesamteinlaufes erkennen, dass der Abstand zur Spitze noch groß ist.
Dahinter wagte sich mit Annika Seefeld ein 18jähriges Talent an einen „Hammerberg“ heran, wie die in Schwäbisch Gmünd lebende Schülerin freimütig bekannte. Bei der U 20-Qualifikation des DLV vor wenigen Wochen am Hauchenberg hatte sie das drittbeste Resultat hinter Nada Balcarczyk und Sarah Kistner abgeliefert, allerdings bei einer Höhendifferenz von „nur“ 509 Metern. „Steigungen wie heute sind keinesfalls abschreckend, sondern sind bei entsprechendem Training machbar. Ich kann kämpfen!“
Eine gesunde Einstellung, die die 18jährige offenbart. Vielleicht ist sie schon die nächste, die im DLV-Dress in einem starken deutschen Team unterwegs sein wird.
Wilfried Raatz