Startphase beim Reschenseelauf 2017 ©Wilfried Raatz/ wus-media
18. Reschenseelauf in Graun im Vinschgau: Ein Feuerwerk (der guten Leistungen) zum 18. Geburtstag am Reschensee + Rekordbeteiligung mit 4313 Meldungen – Wilfried Raatz berichtet
Ein Sprichwort sagt: Man solle die Feste feiern, wie diese fallen!
Getreu diesem Motto hatten die Macher des ASV Rennerclub Vinschgau Raiffeisen letztlich auch allen Grund dazu, nicht nur den 18. Geburtstag der unbestritten größten Laufveranstaltung Südtirols mit 4313 Meldungen aus 20 Nationen zu feiern, sondern mit dem um fast zwei Minuten gesteigerten Streckenrekord durch die britische Berglauf-Europameisterin Emmie Collinge gab es auch sportlich ein absolutes Highlight.
Dementsprechend eindrucksvoll schien nach Einbruch der Dunkelheit das Feuerwerk am historischen Kirchturm in Graun auch zu gelingen – für Cheforganisator Gerald Burger und die rund 600 Helfer ein wahrer Glückstag, auf den es sich wahrlich weiter aufbauen lässt.
Das gerade einmal 300 Einwohner zählende Feriendorf Graun mit dem bekannten Wahrzeichen, dem im See getauchten Kirchturm, schien bei der 18. Auflage des Giro Lago di Resia aus allen Nähten zu brechen, schließlich bevölkerten 10.000 Besucher das Festgelände am See.
Und ließen die Touristiker am Reschensee jubeln, schließlich schätzt man die Wertschöpfung am Lauf-Wochenende auf weit über 1 Million Euro. Der gewohnt frische Vinschger Wind kühlte die zuletzt warme Temperatur auf ideale Laufbedingungen um 15° Celsius ab. Der Laufparcours führt fast ausschließlich auf Radwegen, im zweiten Abschnitt dabei profilierter, gerade recht bei den berglaufaffinen Spitzenathleten, die einmal mehr den Ton am Stausee unweit der alten Postverbindung von Innsbruck über den Reschenpass nach Meran oder Mailand angaben.
Allen voran dabei die Britin Emmie Collinge, die 2016 in Arco beim Gewinn der Berglauf-Europameisterschaft die beiden Italienerinnen Alice Gaggi und Sara Bottarelli distanzierte. Die 28jährige, die nach einer Verletzungsphase an ihrem Comeback im italienischen Valtellina nahe Borneo arbeitet, ist nicht zuletzt dank ihrer ausgeprägten Grundgeschwindigkeit mit einer 33er 10 km-Bestmarke für die schnelle Kombination von Straße und Berg prädestiniert – und eben diese Fähigkeiten führten letztlich zur deutlichen Verbesserung des Streckenrekordes von Helena Javornik, die 2004 an gleicher Stelle 54:44 Minuten lief.
Interessant dabei, dass die Bestmarke von einer Europameisterin zu einer anderen weitergereicht wurde. Denn Helena gewann im Jahr zuvor die Cross-Europameisterschaft.
Und die Britin stürmte mit dem Startschuss flott auf und davon, die mit Ambitionen gestarteten zweimalige Siegerin Kathrin Hanspeter, die ebenfalls in Südtirol beheimatete Stelvio-Marathon-Siegerin Agnes Tschurtschenthaler sowie die 2013 bereits als Siegerin hervorgegangene Simone Raatz hatten flugs das Nachsehen.
Und die Britin ließ in ihren Bemühungen um eine schnelle Endzeit nicht nach – als Dreizehnte des Gesamteinlaufes war die Dolmetscherin (für Italienisch und Deutsch) bereits im Ziel. Mit 52:54 Minuten lief Emmie dabei eine exzellente neue Rekordmarke über die Seeumrundung von 15,3 Kilometern und 90 Höhenmetern. „Ich liebe diese Strecken. Mir kam natürlich der Parcours als 10 km-Spezialistin entgegen. Aber dass es so gut nach der langen Verletzung laufen würde, damit habe ich wirklich nicht gerechnet!"
Fast vier Minuten dauerte es, bis mit Agnes Tschurtschentaler die nächste Läuferin auf der Zielwiese unter dem tosenden Beifall der vielen Zuschauer einlaufen konnte. Erst vor vier Wochen hatte die Südtirolerin den Classic-Wettbewerb von Prad zum Stilfserjoch in beeindruckender Manier gewonnen. „Bis Rechen lag Agnes vielleicht 50 Meter vor mir, dann ist sie mir doch etwas weggelaufen", gestand Simone Raatz im Ziel zum Rennverlauf gegen die 1:12-Halbmarathonläuferin – brauchte sich freilich nicht unnötig grämen, schließlich kam sie mit 57:44 Minuten als sichere Dritte auf das Podest und somit in den Genuss der in Fülle überreichten Südtiroler Spezialitäten.
„Nach einem intensiven Trailrunning-Camp auf Monte Pana nahe der Seiser Alm war meine Beinmuskulatur noch nicht so locker, wie ich es gerne gehabt hätte", freute sich die 41jährige Läuferin des ASC Darmstadt über ihren Erfolg, der zudem auch den Kategoriensieg in der W40-Klasse einbrachte.
Mit der Landshuterin Monika Rausch folgte in 58:24 eine weitere deutsche Läuferin auf Rang vier, gefolgt von Kathrin Hanspeter (58:44) und Petra Pircher (58:48), die in der Vorwoche Rang drei beim Val Gardena Mountain Run noch belegte.
War das Rennen bei den Frauen letztlich eine eindeutige Angelegenheit für Emmie Collinge, so spannend verlief der Kampf um den Tagessieg bei den Männern. Aus einer Dreiergruppe mit dem Südtiroler Markus Ploner, dem aus Genua stammenden Emanuele Repetto und dem Fürther Vorjahresdritten Konstantin Wedel musste der Sieger bei der 18. Auflage kommen.
„Ich habe mehrmals kurz angetreten, doch ich kam einfach nicht weg", gestand Konstantin Wedel später im Ziel. 500 Meter vor dem Ziel musste er sich im finalen Spurt Emanuele Repetto beugen, der mit 49:33 gerade einmal acht Sekunden vor dem eigentlichen Hindernis-Spezialisten, aber deutlich über dem Streckenrekord des Tschechen Milan Kokurek (2013/ 48:17) einkam.
„Mein Start war bis Mitte der Woche noch unsicher, da ich mir in Erfurt eine leichte Knieprellung zugezogen hatte", so der Fürther, der übrigens 2016 auch bei der Bergauf-bergab-EM in Arco im Nationaltrikot startete. 2016 Rang drei, 2017 Rang zwei – folgt nun im Jahr 2018 der Angriff auf den Tagessieg bei Konstantin Wedel? „Daraus wird leider nichts, denn an diesem Wochenende finden die Deutschen Meisterschaften statt, sonst wäre ich gerne wieder dabei!" Klare Priorität beim LAC-Quelle-Läufer, der übrigens im Erfurter Steigerwaldstadion knapp an der Bronzemedaille vorbeigeschrammt war.
Zwei Tage nach seinem überzeugenden Sieg beim B2Run-Lauf in München schnürte Sebastian Hallmann erneut die Laufschuhe. Doch diese hingen eher wie Blei an seinen Füßen. „Ich habe diese Woche hart trainiert, das habe ich natürlich heute gespürt! Vor allem in den Steigungen ging wenig, bergab konnte ich immer wieder Boden gut machen", so das einstige Langstreckenass, der mehr und mehr seine Vorliebe für Trail- und Bergläufe entdeckt – und als Vierter der Deutschen Berglaufmeisterschaften für die bergauf-bergabführenden WM in Premana (italien) ein Comeback im DLV-Dress geben wird. In Graun reichte es für Sebastian allerdings nur zu Rang sieben in 51:24 Minuten.
Mit Florian Pasztor (LG Stadtwerke München/ 51:40) und Fabian Borggrefe (SG Spergau/ 52:17) kamen zwei weitere deutsche Läufer unter die Top 12 am Reschensee.
Das bunte Programm mit Bambinilauf, Handbike-Wettbewerb und Walking-Angebot kommt bestens an, letztlich ist die neue Rekordbeteiligung Beleg für die enorme Popularität dieser Veranstaltung. Allerdings ist dieser Lohn reichlich hart erarbeitet, schließlich sind Gerald Burger und sein Team ganzjährig auf Werbetour, darunter auch bei den angesagtesten Läufen in Deutschland.
Wilfried Raatz