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02
11
2015

Im Ziel immer am Ende: Yuki Kawauchi

100 Marathons bis 2020 – Der besessene Dauerläufer – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Yuki Kawauchi (JPN) ist auf der GRR-website schon lange ein Dauerthema, zumindest auf der englischen Seite durch Brett Larner mit seiner website "Japan running News". Aber auch hier wurde oft über ihn berichtet, weil es für das Lauf-Phänomen Kawauchi bisher keine nachvollziehbaren Erklärungen gibt.

Kawauchi hat einen Bruder, der auch Marathonläufer ist, von dem aber bisher derartige Leistungen nicht bekannt sind.

In der gestrigen Übertragung von Eurosport vom NYC-Marathon wurde auch mehrfach Kawauchi gezeigt, der sehr lange in der Spitzengruppe zu sehen war und dann Sechster in   2:13:29 wurde vor seinem Dauer-Widersacher Meb Keflezighi USA  in 2:13:32.

Auf die weiteren Leistungen von Kawauchi kann man gespannt sein.

Horst Milde

 

Wahn kann man messen. Seinen Marathon Nummer elf wird Yuki Kawauchi am Sonntag in New York laufen; Nummer elf in diesem Jahr – zusätzlich zu siebzehn Halbmarathons, einigen 20-, 30- und 50-Kilometer-Läufen sowie ein paar Starts bei Bahn-Meisterschaften und Ekiden-Staffeln.

Die Maßeinheit ist zu finden auf dem Blog japanrunningnews.com; das hat einen Zähler der permanenten Überforderung eingerichtet, den „Kawauchi-Counter“.

Auf hundert Marathons will Kawauchi kommen, bis 2020 die Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Tokio stattfindet, weniger als drei Dutzend Kilometer von seiner Heimat Saitama entfernt. Der Dauerrenner hat die Hälfte bereits geschafft.

Im vergangenen Jahr kam er auf dreizehn Marathons, elf waren es im Jahr zuvor. Vielleicht ist er bei der WM in fünf Jahren sogar am Start, schließlich ist er erst 28 Jahre alt und ziemlich schnell.

Kein etablierter Lauf-Profi

Siebenmal hat er auf den 42,195 Kilometern 2:10 Stunden unterboten.

Das war, bis Arne Gabius kam, 25 Jahre lang keinem deutschen Läufer gelungen, dies nur zum Vergleich; der umjubelte Rekord von Gabius liegt 19 Sekunden über der Bestzeit von Kawauchi von 2:08:14 Stunden. Gleichwohl: Schnell will der Japaner zwar sein, aber kein etablierter Lauf-Profi. Unter der Woche trainiert er vor und nach seiner Arbeit in der Erwachsenenbildung und legt Wert darauf, dass er weder Sponsoren hat noch Startgeld nimmt. Kawauchi versteht sich als Volksläufer.

Als er vor vier Jahren beim Tokio-Marathon auf Platz drei rannte, als schnellster Japaner, definierte die erwähnte Website seine Bestimmung: als „Rocky der Marathon-Welt“. Wie besessen rennt Kawauchi seitdem an gegen das System der japanischen Marathonförderung, und um es den Unternehmen und deren hochdotierten Läufern zu zeigen, gibt er alles und noch mehr. Üblicherweise bricht Kawauchi im Ziel zusammen; nicht selten wird er auf einer Trage von der Strecke gebracht. Und behauptet kurz darauf, er laufe, um Spaß zu haben.

Der selbstzerstörerische Antrieb des Mannes dürfte der frühen Entdeckung seines Talentes durch die Mutter entspringen; das jedenfalls legt nahe, wie er der amerikanischen Zeitschrift „Runners’ World“ sein erstes Training schildert.

Konnte der Siebenjährige bei täglichen Läufen seine Bestleistung unterbieten, wurde er belohnt. Scheiterte er, musste er Strafrunden drehen. Erst an der Hochschule lernte Kawauchi, dass kürzertreten im Training guttut. Längst hat er sich mit dem Trainer von damals überworfen.

In grausamer Zuneigung bejubeln die Japaner, dass Kawauchi die Schande, die Olympia-Qualifikation 2012 verpasst zu haben, durch die Rasur seines Schädels betonte. Und dass er sich selbst aus der Qualifikation für die WM 2015 strich, als er bei den Asien-Spielen den Spurt um die Goldmedaille verloren hatte.

Man kann nicht behaupten, dass Yuki Kawauchi vor seinem Dämon davonliefe. Bis heute lebt er mit seiner Mutter zusammen.

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Sonntag, dem 1. November 2015 

author: GRR

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