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24
03
2010

Für Vesper gilt, dass Journalisten, egal aus welchem Bereich sie kommen, einen Auftrag zu erfüllen haben und sich kritisch mit bestimmten Dingen auseinandersetzen müssen

100 Jahre VDS: Sportjournalismus steht vor neuen Herausforderungen – Podiumsdiskussion über aktuelle und zukünftige Probleme. Leitlinien verabschiedet – Hansjürgen Wille berichtet

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(DOSB PRESSE) Natürlich waren aktuelle Fälle wie die jüngsten medizinischen Gutachten von Claudia Pechstein oder der Streit Zwanziger/Amarell Thema. Die Bandbreite ist groß, und der Sport, ein Spiegelbild der Gesellschaft, spielt eine größere Rolle denn je.

Wobei sich in den vergangenen Jahren ein bemerkenswerter Wandel vollzogen hat, ob in Printmedien. Fernsehen, Hörfunk oder Internet: Darin waren sich die Gesprächspartner der Podiumsdiskussion aus Anlass des 100-jährigen Bestehens des Verbandes Deutsche Sportjournalisten in Berlin einig: Michael Vesper, der Generaldirektor des DOSB, Jörg Hahn, Sportchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der VDS-Vorsitzende Erich Laaser und die Siebenkämpferin Jennifer Oeser.

Für Vesper gilt, dass Journalisten, egal aus welchem Bereich sie kommen, einen Auftrag zu erfüllen haben und sich kritisch mit bestimmten Dingen auseinandersetzen müssen. „Die Liebe zum Sport macht vieles einfacher und gehört auch dazu, wobei die Distanz zu den Athleten und Funktionären stets gewahrt werden sollte.“ Und dass man sich nicht unbedingt duzen müsse, obwohl man sich gut verstehe und ein angenehmes Verhältnis miteinander pflege. Zugleich räumte Vesper allerdings auch ein, dass gerade von den Sportjournalisten viel verlangt werde: Sie sollen sich mit medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Problemen aus-kennen und darüber berichten – und das alles habe unter ungeheurem Zeitdruck zu geschehen.

Praktisch existiere kein Redaktionsschluss mehr. Der Nachrichtenfluss über bestimmte Ereig-nisse sei permanent und werde über die modernen Kommunikationsmöglichkeiten transportiert. Die Geschichten könnten ständig aktualisiert und weiter gedreht werden, was oftmals zu Lasten der Genauigkeit und auch der Wahrheitsfindung gehe. Deshalb empfahl Vesper, sich mehr Zeit für die Recherche zu nehmen und nicht den Blick für das Wesentliche zu verlieren, dabei stets auch die Persönlichkeitsrechte der Sportler zu respektieren.
Anlass der Debatte über die „Zukunft des deutschen Sportjournalismus“ waren die einen Tag zuvor vom VDS beschlossenen Leitlinien, in den es unter anderem heißt:

Sportjournalisten und Sportjournalistinnen widersetzen sich jeder nationalistischen, chauvinistischen, rassistischen, religiösen und politischen Verleumdung. Sie lassen sich von niemanden vereinnahmen und instrumentalisieren, wahren ihre Unabhängigkeit und lehnen Einladungen und Geschenke ab, die diese in Frage stellen könnten. Des weiteren haben sie die Menschenwürde und die Intimsphäre zu achten, Zitate wahrheitsgemäß wiederzugeben.“

„Das sind keine Dogmen und Vorschriften“, so VDS-Präsident Laaser, sondern Wünsche und pragmatische Appelle, die man berücksichtigen sollte, wobei ein sauberes Nachkarten ganz wichtig sei, genauso wie das Streben nach einem hohen Ausbildungsniveau.

ür Jörg Hahn sind das alles keine Neuigkeiten, wobei er darauf hinwies, dass der Sportjournalismus heutzutage von jedem einzelnen in diesem Metier immer mehr erfordere, zumal der Personalabbau in den Verlagen und Redaktionen stetig voran schreitet, so dass auf wenige immer mehr Arbeit zukomme. „So ist es nicht einfach, allen gerecht zu werden“, sagte Hahn. „Natürlich müssen wir uns immer wieder auch die Frage stellen: Was wollen denn eigentlich unsere Konsumenten wirklich lesen, und wie sollen wir Ereignisse kommentieren?“

Wie wird beispielsweise ein zweiter Platz bei Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften betrachtet, stellte Vesper in den Raum. Heißt es: Silber wurde gewonnen oder Gold verloren? Vesper berichtete aus Vancouver, wo er bei den Winterspielen miterlebt habe, wie sich die hohe Eisschnelllauf-Favoritin über 500 Meter Jenny Wolf nach einer sicherlich ersten Enttäuschung doch noch über Silber habe freuen können.

Mit Siebenkämpferin Jennifer Oeser kamen zwangsläufig auch leichtathletische Themen zur Sprache, wie etwa die WM-Startberechtigung der südafrikanischen 800-Meter-Läuferin Caster Semenya und die Debatte über die nach wie vor ungeklärte Frage, ob sie tatsächlich Frau oder aber Mann sei. Die Verbände, so Oeser, hätten vor den Weltmeisterschaften eine Klärung herbei führen müssen.

Selbstverständlich spielte auch das Doping-Thema ein Rolle. Die Unschuldsvermutung gelte, sagte Jennifer Oeser, doch wünsche sie sich, dass überall auf der Welt ähnlich hart kontrolliert werde wie in Deutschland.
Doping sei Betrug an sich selbst, den Konkurrenten und der Öffentlichkeit, sagte Dagmar Freitag, die neue Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag, in ihrem Grußwort.

Die SPD-Politikerin forderte deshalb die Sportjournalisten auf, sich dieses Themas verstärkt anzunehmen. DOSB-Ehrenpräsident Manfred von Richthofen erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass Manfred Donike, dem 1995 gestorbenen Vorkämpfer gegen das Doping, 1988 in Berlin das Goldene Band der Sportpresse verliehen worden war.

Auch andere blickten zurück bei der Festveranstaltung in Berlin: VDS-Ehrenpräsident Günter Weise erinnerte an die Gründungszeit vor 100 Jahren, Prof. Gunter Gebauer warf einen kritischen Blick von außen auf den deutschen Sportjournalismus, und Berlins Sportstaatsekretär Thomas Härtel mahnte, neben den Großveranstaltungen auch der Breitensport nicht zu vergessen, der schließlich die Basis bilde.

Quelle: DOSB – Hansjürgen Wille

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