Welche Rolle angesichts dieses Spitzenquartetts Ryan Hall (USA) spielen kann, ist offen. Nach seinen tollen Läufen in 2008 mit seiner Bestzeit von 2:06:17 in London, hatte er sich in den letzten beiden Jahren für den Boston-Marathon entschieden
10-10-10 – Notizen zum 33. Bank of America Chicago-Marathon am 10. Oktober 2010 – Helmut Winter berichtet
Die amerikanische Schreibweise des Datums wurde zum Motto des diesjährigen Chicago-Marathons, wobei es keine Rolle spielt an welcher Stelle Tag, Monat und Jahr stehen. „10-10-10“ soll eine Veranstaltung noch populärer machen, die auch bei den Zuschauern in den letzten Jahren enorm zulegen konnte.
Bei den Teilnehmerzahlen operiert man schon seit Jahren am Limit, auch in diesem Jahr waren im Frühjahr alle 45000 Startplätze ausgebucht.
„10-10-10“ ist das Motto und so stehen auch 10 Läuferinnen und Läufer im Fokus, die im Vorfeld des Marathons bis in den Oktober publikumswirksam begleitet werden. Seit Jahren prägt der Lauf Anfang Oktober das Stadtbild der Metropole am Lake Michigan, die Organisation ist in vielen Belangen herausragend. Nicht ohne Grund gehört man zu den selbst ernannten Big 5 der Marathonszene, deren Marathon Majors Wettbewerb allerdings wenig Beachtung findet.
Verbunden ist der Aufstieg Chicagos in die Weltspitze des Marathonlaufs mit dem Namen des Race-Directors Carey Pinkowski, zu dessen Ehren vor einiger Zeit eine Straße in der Nähe des Starts im Grant-Park in „Carey Pinkowski Drive“ umbenannt wurde. Verdient hat er das sicher.
Dass der große Erfolg auch eine allerdings gesunde Arroganz förderte, konnte man in Grenzen nachvollziehen, für viele Jahre lag Chicago beim Zehnermittel der schnellsten gelaufenen Zeiten vorne, noch vor Berlin und London. Das hat sich allerdings mittlerweile grundlegend geändert, das aktuelle Mittel der besten Zeiten bei den Männern von 2:06:03 liegt deutlich hinter dem wieder erstarkten Rotterdam (2:05:15) sowie Berlin und London (2:05:30). Auch die Weltrekorde bei Männern und Frauen hat man schon lange an Berlin und London verloren.
Aber ganz so schnell gibt man sich in Chicago nicht geschlagen, zumal in den letzten drei Jahren große Hitze sowie Kälte keine idealen Bedingungen darstellten und absolute Spitzenzeiten verhinderten. Und dies bestätigt ein Blick auf die aktuelle Liste der Eliteathleten bei der diesjährigen Ausgabe. Nachdem Olympiasieger Sammy Wanjiru (KEN) bereits im letzten Jahr am Start war, den Weltrekord zwar verfehlte, aber den Kursrekord um eine Sekunde auf 2:05:41 verbesserte, wird er auch dieses Jahr in Chicago starten.
Was Wanjiru nach seiner Beinverletzung leisten kann, ist unklar, bei seinem letzten Marathonstart im Frühjahr in London stieg er erstmals in seiner Karriere aus. Mehrmals hatte der Kenianer angekündigt in Berlin zu starten, sehr realistisch erschienen diese Ambitionen aber nie. Wanjiru begründet das mit seiner Form, so dass er auch in Chicago „nur“ auf Sieg laufen will. Erst Ende Januar in Dubai will er dann Haile Gebrselassies Weltrekord in neue Dimensionen bringen.
Dass der Sieg in Chicago am 10.10.10 kein Selbstläufer werden wird, garantieren die weiteren bereits verpflichteten Eliteathleten. Aktuell werden bereits vier Läufer mit Bestzeiten unter 2:06 an den Start, die alle erst in diesem oder im vorigen Jahr erzielt wurden. Vermeintlich härtester Konkurrent von Sammy wird Tsegaye Kebede (ETH) sein (nicht zu verwechseln mit Tekeste Kebede), der seine Bestzeit von 2:05:18 im Dezember 2009 in Fukuoka lief und im April den London-Marathon in 2:05:19 gewann.
Der kleine Äthiopier ist ein Mann der zweiten Hälfte, der nicht nur nach seinen letzten Erfolgen zur absoluten Weltspitze zählt und sich mittlerweile an Ambitionen auf den Weltrekord beteiligt. Bei guten Bedingungen und guter Form kann Kebede, Dritter bei der letzten Olympiade und WM, sicher deutlich unter 2:05 laufen.
Dabei könnten ihm in Chicago nicht nur Wanjiru sondern auch Vincent Kipruto (KEN) und Robert Kiprono Cheruiyot (KEN) (nicht zu verwechseln mit dem mehrmaligen Boston- und Chicago-Sieger Robert Kipkoech Cheruiyot) folgen, die in diesem Jahr ihre Bestzeiten in Rotterdam auf 2:05:13 bzw. Boston auf 2:05:52 steigerten. Dabei brachte Cheruiyot (22) in Boston das Kunststück fertig den zweiten Part über den Heartbreak Hill in sensationellen 1:02:28 zurückzulegen. Auch Kipruto hat trotz seiner jungen Jahre (23) ein beeindruckendes Leistungspotential, bereits bei seinem Sieg im letzten Jahr in Paris in 2:05:47 blieb er deutlich unter 2:06.
Welche Rolle angesichts dieses Spitzenquartetts Ryan Hall (USA) spielen kann, ist offen. Nach seinen tollen Läufen in 2008 mit seiner Bestzeit von 2:06:17 in London, hatte er sich in den letzten beiden Jahren für den Boston-Marathon entschieden, mit guten aber nicht herausragenden Zeiten. Hall wird Chicago und die Klasse seiner Gegner nutzen wollen, um seinen Hausrekord in den 2:05 Bereich zu drücken, interessant dabei die mögliche Verbesserung des US-Rekords von Khannouchi (2:05:38).
Welche Klasse das schon angekündigte Starterfeld in Chicago hat, belegt auch die Tatsache, dass Wanjiru und Kebede die Majors-Wertung 2009-2010 mit 50 Punkten vor Merga (ETH) 35 Punkte anführen, die Wertung wird also beim Lauf in Chicago entschieden.
Gleiches könnte auch für den Lauf der Frauen gelten. Hier gibt es nur noch gesicherte Informationen über einen Start der Vorjahressiegerin Lilya Shobukhova (RUS), die die Majorswertung 2009-2010 mit 60 Punkten vor Irina Mikitenko (40) fast uneinholbar anführt. Mit ihrem hohen Leistungsniveau und einem beeindruckenden Finish (im letzten Jahr war sie mit 6:36 für den letzten Part ab 40 km schneller als alle Männer!) dürfte sie die klare Favoritin auf den Sieg sein. Als Gegnerinnen sind aktuell nur amerikanische Läuferinnen mit Bestzeiten über 2:26 bekannt.
Und zuletzt bleibt noch die Möglichkeit für engagierte Freizeitläufer erwähnt, sich Aufmerksamkeit zu verschaffen. Der Start erfolgt im Grant Park um 7:30, so dass nach 2:40:10 ein Läufer das Ziel um 10:10:10 passieren könnte. 10:10:10 10-10-10 ist in der Tat einmalig, vielleicht schafft dies ja einer/eine der 45.000.
Aber auch ohne diese Maßarbeit wird Chicago wieder ein Fest des Laufsports erleben, ganz passend zum 2500. MARATHON Jubiläum.
Helmut Winter
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